Basler Zeitung: Baaders Verzicht schmälert die Chancen von Widmer Schlumpf

Ein gemässigter SVP Bundesratskandidat könnte entscheidende Stimmen bei der SP holen.

Von M. Prazeller und A. Cassidy, Bern

Über die Gründe Caspar Baaders mag man spekulieren, die Ansage des SVP-Fraktionschefs war am Donnerstag klar – im Inhalt wie auch im Ton. Er wolle im Dezember nicht in den Bundesrat gewählt werden. Und Baader wurde laut als er gefragt wurde, was er tun würde, wenn ihn die SVP-Fraktion den noch wählen würde. «Ich habe der Fraktion ganz deutlich gesagt dass ich nicht  zur Verfügung stehe».

Für SVP Chefstratege Christoph Blocher, der Baaders Namen schon mehrfach ins Spiel gebracht hatte, ist der Rückzug des Baselbieters eine Niederlage. Für die Partei könnte er am
Wahltag jedoch zum Vorteil werden. Der 58-jährige Baader gehört zur engen Führungsspitze der SVP, die verantwortlich ist für den Erfolg der Partei in den vergangenen Jahren – aber auch für ihren angriffigen Stil. Bei vielen Parlamentariern hat sich Baader damit zur Reizfigur gemacht. Seine wütende Rede
im Parlament nach der Abwahl von Blocher vor vier Jahren haben ihm viele nie verziehen. Als Bundesratskandidat
wäre Baader für viele ein Grund gewesen, der SVP einen zweiten Regierungssitz vorzuenthalten.

Nun muss die SVP zwangsläufig Kandidaten portieren, die anders als Baader nicht den Ruf eines Hardliners haben, sei es weil sie konzilianter auf treten oder schlicht nicht bekannt sind. Als wählbar gelten für viele Parlamentarier – auch in der SP – die welschen Nationalräte Jean Francois Rime und Guy
Parmelin oder der Schaffhauser Ständerat Hannes Germann. Ins Spiel gebracht werden zudem Regierungsräte aus Kleinkantonen wie Appenzell Ausserrhoden (Köbi Frei), Nidwalden (Res Schmid) und Zug (Heinz Tännler).

SP wird für BDP zum Problem

Für Eveline Widmer Schlumpf (BDP), deren Bundesratssitz akut gefährdet ist, sind das schlechte Neuigkeiten. Die Spitze der SVP machte diese Woche klar, dass sie ihren Anspruch auf
einen zweiten Regierungssitz nicht auf Kosten der FDP einlösen will, sondern alles daran setzt Intimfeindin Widmer-Schlumpf zu verdrängen.

Das Wahlszenario, das nun in Bern die Runde macht, könnte folgendermassen aussehen: Im ersten Wahlgang wird
CVP-Vertreterin Doris Leuthard ohne Gegenwehr bestätigt. Im zweiten Wahlgang votiert ein Teil der SP-Fraktion anstelle von Eveline Widmer-Schlumpf für den gemässigten Kandidaten der SVP. «Es gibt bei uns einige Leute, die der
SVP die Stimme geben werden», sagt ein Mitglied der SP-Fraktion. Ähnlich lief es schon vor zwei Jahren bei der
Wahl von FDP Bundesrat Didier Burkhalter. Er erhielt eine erhebliche Zahl von Stimmen aus der SP, obwohl ihr Präsident Christian Levrat öffentlich für die Wahl von CVP-Kandidat Urs Schwaller warb. Handelt die SP im Dezember erneut nach diesem Muster, wäre Widmer-Schlumpf wohl abgewählt. Für dieses Szenario spricht, dass die Sozialdemokraten im letzten Wahlgang, bei dem es um die Nachfolge von Micheline Calmy-Rey (SP) geht, keine Retourkutsche der SVP befürchten müssten.

Bei der BDP gibt man sich angesichts solcher Spekulationen aus den Reihen der SP gelassen. Parteipräsident Hans
Grunder zweifelt am Willen der SVP, einen gemässigten Kandidaten aufstellen zu wollen. «Dann hätten sie ja nur wieder einen halben Bundesrat» sagt er.

CVP ist gespalten

Gefahr droht Widmer-Schlumpf je doch nicht nur wegen fehlender Stimmen aus den Reihen der Sozialdemokraten, sondern auch wegen fehlendem Rückhalts in der CVP-Fraktion. Dort sind längst nicht alle einverstanden mit
dem Kurs von Parteipräsident Christophe Darbellay, der seit Monaten bei je der Gelegenheit betont, er werde Widmer-Schlumpf wiederwählen Ein Drittel der Fraktion wurde mit den Wahlen ausgewechselt. Viele Neoparlamentarier werden nicht die gleiche Verpflichtung spüren, wie ihre Fraktionskollegen, die Widmer-Schlumpf noch vor vier
Jahren zur Wahl verhelfen haben.