Schaffhauser Nachrichten: «Bundesrat hat fast alles preisgegeben»

Fünf Doppelbesteuerungsabkommen (DBA), die Amtshilfe auch bei schweren Fällen von Steuerhinterziehung zulassen,sind heute in der Aussenpolitischen Kommission (APK) des Ständerates traktandiert. Ständerat Hannes Germann fordert eine Rückweisung an den Bundesrat. Grund dafür: die Regelung des Umgangs mit geklauten Bankkundendaten.

von Doris Kleck

Deutschland kauft gestohlene Kundendaten, und trotzdem will der Bundesrat weiter über ein DBA verhandeln. Wie beurteilen Sie diese Strategie?
Hannes Germann: Im Moment ist das richtig, weil die Daten noch nicht definitiv gekauft sind. Allerdings müssen wir davon ausgehen, dass der Rechtsstaat Deutschland Recht brechen wird.

Deutschland agiert als Hehler, und die Schweiz tut so, als wäre nichts gewesen. 
Germann: Das Verhalten Deutschlands gleicht einer Bankrotterklärung des Rechtsstaats. Deshalb muss der Bundesrat bei den weiteren Verhandlungen zum DBA fordern, dass die Schweiz bei gestohlenen Daten keine Amtshilfe leistet.

Der Bundesrat will Deutschland im Falle der geklauten Daten tatsächlich keine Amtshilfe leisten. Nach all den gebrochenen Versprechen der letzten Monate fragt man sich nur, ob Bundesrat Merz das Versprechen hält.
Germann: Es sind tatsächlich begründete Zweifel angebracht, wenn man den Verlauf der Verhandlungen mit den USA und Frankreich anschaut. Am Schluss ist Bundesrat Merz noch immer eingeknickt. Aber er hat halt auch kein Druckmittel in der Hand, und das möchte ich ändern.

Wie?
Germann: Es geht vergessen, dass die Schweiz gemäss dem Zinsbesteuerungsabkommen mit der EU eine Steuer auf Zinsen und Dividenden erhebt, davon profitiert Deutschland schon jetzt. Trotzdem versucht Deutschland, auf illegalem Weg an Steuerdaten heranzukommen. Das ist absurd. Die Schweiz müsste zumindest in Erwägung ziehen, diese Zahlungen einzufrieren, bis Deutschland auf die Nutzung der illegal erworbenen Daten verzichtet.

Ihre Strategie heisst also Eskalation? 
Germann: Den Schritt Richtung Eskalation begeht Deutschland. Wenn jemand mit Mitteln droht, die eines Rechtsstaates unwürdig sind, dann muss man entsprechende Gegenmassnahmen in Erwägung ziehen.

Wie werden Sie diesen Vorschlag einbringen? 
Germann: Ich werde den Vorschlag an der Sitzung der Aussenpolitischen Kommission des Ständerates von heute aufs Tapet bringen. Man muss den Vorschlag einmal diskutieren – natürlich wäre er eine Ultima Ratio. Merz hat gestern gesagt, er wolle mit Deutschland verhandeln, das ist sicher richtig. Auf der anderen Seite muss man aber auch von Deutschland die richtigen Signale einfordern. Unser Staat ist doch nicht glaubwürdig, wenn er für Deutschland Steuern einzieht und dieses uns gleichzeitig als Steueroase bezeichnet.

Die Schweiz bekommt nun halt die Quittung dafür, dass wir jahrelang zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug unterschieden und damit kräftig verdient haben.
Germann: Ich sage nicht, wir hätten keine Fehler gemacht. Aber in unserer Rechtsordnung haben wir den Grundsatz der doppelten Strafbarkeit. Wir haben die Schweizer und die ausländischen Kunden in dieser Beziehung gleich behandelt. Nun sind wir auf internationalen Druck hin davon abgewichen und halten uns an die OECD-Regeln. Und darum gibt es für Deutschland absolut keinen Grund mehr, den Weg der Illegalität zu beschreiten. Die aktuelle Situation ist nicht vergleichbar mit dem Fall Liechtenstein.

Aber es ist doch so, das immer noch unversteuertes Kapital auf Schweizer Konten liegt. 
Germann: Das weiss ich nicht. Aber es kann nicht die Sache der Schweiz sein, die Steuerprobleme Deutschlands zu lösen. Wir bieten Amtshilfe, wie es unter Rechtsstaaten üblich ist.

Aber solange Schwarzgeld auf Schweizer Konten liegt, ist die Schweiz erpressbar.
Germann: Zuerst muss man klären, ob es sich bei den gestohlenen Bankdaten überhaupt um unversteuerte Gelder handelt. Dies zu beurteilen, ist Aufgabe der Fiskalbehörden und der Gerichte und nicht eines kriminellen Informatikers, der zu schnellem Geld kommen will.

An der heutigen Sitzung befindet die APK über die fünf bislang unterzeichneten DBA. Wie beeinflusst der Streit mit Deutschland diese Diskussion?
Germann: Konsequenterweise sollte man alle DBA an den Bundesrat zurückweisen mit dem Auftrag, eine Klausel einzufügen, die die Nutzung gestohlener Bankdaten im Rahmen eines Amtshilfeverfahrens untersagt.

Sie fordern auch, dass die Amtshilfe bei DBA auf Gesetzesstufe und nicht in einer Verordnung geregelt ist. Weshalb? 
Germann: Sind die Eckwerte zur Amtshilfe nur auf Verordnungsebene geregelt, können sie vom Bundesrat oder von der Steuerverwaltung nach Belieben abgeändert werden.

Sie misstrauen dem Bundesrat? 
Germann: Ja. Der Bundesrat hat im letzten Jahr fast alles preisgegeben. Das ist nicht akzeptabel, vor allem wenn die rechtliche Grundlage fehlt.

Aber die DBA müssen vom Parlament genehmigt werden, es ist nicht so, dass das Parlament machtlos wäre. 
Germann: Das stimmt. Aber ich glaube, dass wir mit einer gesetzlichen Regelung unseren Verhandlungsdelegationen den Rücken stärken würden. Vor allem aber würde damit die Rechtssicherheit für unseren Finanzplatz erhöht.