Schaffhauser Nachrichten: «Das wäre ein absoluter Tabubruch»

Schaffhauser Parlamentarier kritisieren die Pläne der SVP für eine neue Asyl-Initiative. Hannes Germann kritisiert zudem die Initiativflut.

Von Sidonia Küpfer

SCHAFFHAUSEN/BERN «Nur noch Flüchtlinge aufzunehmen, die mit dem Flugzeug einreisen, ist geradezu absurd»: Das sagt der Schaffhauser Ständeratspräsident und SVP-Politiker Hannes Germann zu den Plänen seiner Partei für eine neue Asyl-Initiative. Diese waren am Wochenende in der «SonntagsZeitung» publik geworden. SVP-Fraktionschef Adrian Amstutz hatte im Interview den Vorschlag gemacht, dass Asylbewerber, die von einem sicheren Drittstaat in die Schweiz einreisen, ohne dort verfolgt zu werden, kein normales Asylverfahren, sondern nur ein Wegweisungsverfahren durchlaufen sollten. Somit sollten nur noch Asylbewerber, die per Flugzeug in die Schweiz einreisten, ein Asylgesuch stellen können. Für Amstutz war klar: «Wer wirklich um sein Leben bangt, wird richtigerweise im nächstgelegenen sicheren Land einen Antrag stellen, um rasch wieder in die Heimat zurückkehren zu können, wenn die Bedrohung vorüber ist.»

Das sieht Hannes Germann völlig anders: «Welcher politisch Verfolgte kann denn einen Flug buchen, am Flughafen seinen Pass vorweisen oder ein Visum erhalten? Mit diesem Schritt hätten wir wohl zuallerletzt jene Flüchtlinge, die wirklich verfolgt sind.» Für ihn wäre dies das erste Mal, dass man das Asylrecht grundsätzlich in Frage stellen würde. Und: «Ein absoluter Tabubruch angesichts unserer völkerrechtlicher Verpflichtungen und humanitärer Tradition.» Germann erklärt gegenüber den SN, er setze sich für eine glaubwürdige Asylpolitik ein mit schnelleren, aber glaubwürdigen Verfahren, raschen Entscheiden und konsequenter Umsetzung. Auch beim Vollzug der Ausweisung respektive der Ausschaffung hapere es zurzeit. Dennoch gingen Bundesrätin Sommarugas Schritte in die richtige Richtung, auch wenn er sich mehr Tempo und Power wünschte. Schliesslich findet Germann auch die Idee mit den sicheren Drittstaaten nicht gut: «Im Ernst, wir Europäer können doch Italien nicht die ganze Asyllast aufbürden!»

Mitleid mit Italien

Das sieht auch der parteilose Ständerat Thomas Minder, Mitglied der SVP-Bundeshausfraktion, so: «Mit Italien muss man fast Mitleid haben. Dort kommen so viele Flüchtlinge an, die sind heillos überfordert», sagt er. Zudem könne es nicht sein, dass ein Flüchtling, der per Flugzeug einreise, aufgenommen werde, nicht aber solche, die mit anderen Verkehrsmitteln kämen. Aber er gibt der SVP in manchen Punkten recht: «Das Dublinsystem funktioniert nicht. Die Rückkehr und die Registrierung im Erststaat klappen nicht, und wir geben jährlich mehrere 100 000 Franken aus für Rückführungsflüge, die nicht angetreten werden. Das ist für alle Beteiligten unbefriedigend.» Und das unselige Schlepperwesen müsse man unterbinden. Um dies zu erreichen, würde Minder aber an einem ganz anderen Punkt ansetzen: in Nordafrika. Der Ständerat schlägt vor, dass EU, Nato und UNO gemeinsam mittels Drohnen die nordafrikanischen Grenzen überwachen und die Schlepper und ihre Schiffe abfangen und zur Umkehr zwingen, sobald sie in internationalen Gewässern sind – nicht erst in Lampedusa. «Dann käme es auch nicht mehr zu solchen Tragödien mit gekenterten Schiffen», ist Minder überzeugt. Die Schaffhauser Nationalrätin Martina Munz (SP) hält die Pläne der SVP für völlig falsch: «Wie sollen echte Flüchtlinge ohne Geld und Visa noch einreisen können? Es ist realitätsfremd, dass Flüchtlinge in ihrem Heimatstaat einen Direktflug in die Schweiz buchen», gibt sie zu bedenken. Für sie zeige sich in diesen Vorschlägen das «wahre Gesicht der SVP». Die Initiative sei menschenverachtend und trete die Menschenrechte mit Füssen. Und Munz ist der Ansicht, eine solche Initiative müsste wohl für ungültig erklärt werden, weil sie ein zentrales Menschenrecht nicht einhalte: dass Menschen, die an Leib und Leben bedroht sind, Anrecht auf Schutz haben. Sie betrachtet den Vorschlag als Wahlkampfstrategie: «Die SVP will das Asylwesen zum grossen Wahlkampfthema machen.» Dabei werde das Asylgesetz ständig verschärft. Und: «Das ist auch ein Angriff auf Bundesrätin Simonetta Sommaruga.» Dabei treibe diese die Reformen im Asylwesen voran.

«Billiges Politmarketing»

Germann stört sich an einem weiteren Punkt: Er habe Mühe mit der zunehmenden Initiativflut, wenn die Parteizentralen hauptsächlich Initiativen lancierten, statt in Bern vorwärtszu-machen: «Der neue Trend zu dieser Art von billigem Politmarketing bereitet mir Sorge. Er läuft letztlich auf eine Bankrotterklärung des Parlamentes hinaus.» Er sei als Politiker nach Bern gewählt, um Probleme zu lösen, nicht um neue zu schaffen und diese dann ans Volk zu delegieren. Der vierte Schaffhauser Parlamentarier, SVP-Nationalrat Thomas Hurter, konnte gestern nicht erreicht werden.