Schaffhauser Nachrichten: Den bilateralen Weg glaubwürdig fortsetzen

Von Hannes Germann

Sind die Sicherheit in unserem Land und die Souveränität unseres Landes mit einem Beitritt zu Schengen/Dublin vereinbar? Bei derart zentralen Fragen reicht die blosse Beteuerung, Schengen führe dank dem neuen Sis II (Schengen-Informationssystem) automatisch zu mehr Sicherheit, nicht aus. Denn Schengen wurde in erster Linie geschaffen, um die Reisefreiheit in Europa zu gewährleisten. Im Gegenzug zur Aufhebung der systematischen Personenkontrollen sind jene an den Schengen-Aussengrenzen verstärkt worden.
Zu den weiter getroffenen Ausgleichsmassnahmen gehören die verbesserte polizeiliche Zusammenarbeit, die Möglichkeit der Schleierfahndung, eine verbesserte Rechtshilfe in Strafsachen, die Eindämmung des Waffenmissbrauchs, die verstärkte Drogenbekämpfung – und das oft zitierte Schengener Informationssystem (Sis). Das heisst: Die EU hat parallel zur Aufhebung der Binnengrenzen wirksame Mittel zur flächendeckenden Bekämpfung der international organisierten Kriminalität geschaffen.

Anschluss an Fahndungssystem
Mit einem Schengen-Nein den Anschluss an das Fahndungssystem Sis zu verhindern, kann wahrlich nicht im Interesse der Schweiz liegen. Nicht umsonst hat gerade auch meine Partei, die SVP, schon vor Jahren die Zusammenarbeit in diesem Bereich gefordert. Mit dem jetzigen Ruf nach «Schengen light», analog zu den Inselstaaten Grossbritannien und Irland, räumen auch Schengen-Gegner Handlungsbedarf ein.
Die Wirksamkeit des Sis in Frage zu stellen, ist darum müssig. Umso weniger, als dieses laufend weiterentwickelt und verbessert wird. Wir müssen mit allen Mitteln verhindern, dass die Schweiz zum blinden Fleck im internationalen Fahndungssystem wird. Kombiniert mit dem Sis, machen die flankierenden Ausgleichsmassnahmen innerhalb der EU den Wegfall der Schengen-Binnengrenzen mehr als wett.

Von Schengen-Land umgeben
Nüchtern betrachtet, können wir uns die umstrittenen Vergleiche von ungleichen Statistiken ersparen. Fakt bleibt: Wir sind sowieso von Schengen-Land umgeben – mit oder ohne Beitritt. Hat die EU ein Sicherheitsmanko, bekommen wir das auch zu spüren. Und umgekehrt natürlich auch. Also reduziert sich die Kern-frage im Bereich der Sicherheit darauf, ob wir selbst in der Lage sind, das Schengen-Regime so zu handhaben, dass es für die Schweiz Vorteile bringt. Die Antwort liegt dabei auf der Hand.

Spielraum bei Umsetzung
Der direkte Zugang zum neuen Sis ist ein echter Gewinn, sowohl für das Grenzwachtkorps (GWK) als auch die Polizei. Die Personenkontrollen an der Landesgrenze erfolgen zwar nicht mehr systematisch. Diese Neuerung bedeutet, dass sich Polizei und GWK bei der Fahndung vermehrt auf neuralgische Punkte konzentrieren können. Weil die Schweiz jedoch nicht Mitglied der Zollunion ist, bleiben die Warenkontrollen an der Grenze weiterhin bestehen. Ergo muss das Grenzwachtkorps zur Absicherung der Einsätze an der Schweizer Grenze präsent bleiben.
Denn es wird kein Fahrzeug nach Waren durchsucht, ohne dass sich der Lenker zuvor ausweisen muss. Bei Verdachtsmomenten kann das GWK ohnehin eingreifen – wie bisher also. Wenn die öffentliche Ordnung oder die nationale Sicherheit es erfordert, kann jedes Land auch künftig systematische Grenzkontrollen anordnen (Art. 2 Abs. 2 SDÜ). Via Dubliner Abkommen erreichen wir zudem, dass die Schweiz nicht zu einem Eldorado wird für die in einem EU-Land abgewiesenen Zweitasyl-Gesuchsteller. Das entbindet uns aber nicht von der Pflicht, Asylmissbrauch zu unterbinden. Durch die einheitliche Visumspraxis – die es aber mit einem gesunden Misstrauen zu verfolgen gilt – erhofft sich die Tourismusbranche wertvolle Impulse. Dies ist nebst der integralen Sicherung des Bankgeheimnisses einer der wirtschaftlichen Vorteile.

Souveränität bleibt gewahrt
Bleibt noch die zweite gewichtige Frage, nämlich ob Schengen/Dublin einen Souveränitätsverlust bedeutet. Wie bei jedem Vertrag bindet auch Schengen/Dublin die Parteien in gewollten Bereichen. Die Schweiz hat in diesem Dossier freilich besonders erfolgreich mit der EU verhandelt. Unsere Souveränität bleibt gewahrt.
Jede neue Schengen-Regelung, an der wir mitwirken können, bedeutet für uns also einen referendumsfähigen Staatsvertrag, der von Bundesrat, Parlament – und im Falle eines Referendums – vom Volk genehmigt werden muss. Mit einer grosszügigen Frist von zwei Jahren bleiben ausserdem die demokratischen Regeln vollumfänglich gewahrt. Im Bereich der direkten Steuern (Einkommens- und Vermögenssteuer) haben wir zudem ein Opting-out – oder als stärkere Verhandlungswaffe das Kündigungsrecht. Ich traue dem Schweizervolk die Kraft zu, falls notwendig diesen Schritt zu gehen.
Aber führt Schengen/Dublin unweigerlich in die EU? Die SP und einige welsche EU-Turbos erhoffen sich dies wohl. Unsinn, könnte man sagen, wäre da nicht das nach wie vor in Brüssel deponierte EU-Beitrittsgesuch des Bundesrates.

Bundesrat hat sich zu beugen
Leider hat es die Landesregierung versäumt, im Vorfeld der Bilateralen II für Klarheit zu sorgen und das Gesuch zurückzuziehen. Damit gefährdet der Bundesrat nicht nur die bevorstehenden Abstimmungen zu Schengen/Dublin und zur Ausdehnung der Personenfreizügigkeit, sondern den gesamten bilateralen Weg. Dabei hat das Volk seinen Willen klar kundgetan: Es will keinen EU-Beitritt, sondern das Verhältnis mit unseren Nachbarn und wichtigsten Handelspartnern über bilaterale Verträge vereinfachen. In diesem Kontext ist die Zustimmung zu Schengen/Dublin ein logischer Schritt in die richtige Richtung.