Schaffhauser Nachrichten: Die Bauern und der starke Franken

Die Exportwirtschaft klagt, der Tourismus stöhnt. Und jetzt positionieren sich auch die Bauern als Leidtragende des harten Frankens. Ob sie es wirtschaftlich wirklich sind, ist unklar. Aber politisch könnten sie zusätzlich unter Druck geraten.

von Michael Brunner

Der starke Franken erhöht den Preisdruck auf in der Schweiz hergestellte Produkte. Davon ist längst nicht mehr nur die Exportwirtschaft betroffen. Mittlerweile wird auch Kritik an den Schweizer Bauern laut. So verlangte etwa Hotelleriesuisse, dass der Fleischmarkt analog zum Käsemarkt zu öffnen sei, damit die Preise sinken. Gestern nun wehrte sich der Bauernverband mit einer Mitteilung. Es gehe nicht an, dass den Bauern der Schwarze Peter zugeschoben werde. Die Landwirtschaft sei sowieso schon eine Verliererin der aktuellen Situation mit dem sehr starken Franken. Die Bauern würden dadurch «mehrere 100 Millionen Franken» verlieren. Laut Francis Egger, Leiter Wirtschaft, Politik und Internationales beim Bauernverband, hat dies vor allem drei Gründe: Erstens könnten die Bauern weniger in den Euroraum exportieren. Zweitens wirkte allgemein ein Druck auf Schweizer Preise. Und drittens verlören die Bauern wegen des Einkaufstourismus Marktanteile.

Der Schaffhauser SP-Nationalrat Hans-Jürg Fehr hegt starke Zweifel an der Einschätzung des Bauernverbandes. Die Bauern würden kaum exportieren, aber Landmaschinen und Dünger im Ausland beziehen. «Sie müssten daher zu den Gewinnern des starken Frankens gehören.» Tatsächlich scheint Fehrs Skepsis insofern berechtigt, als die Bauern in einem weitgehend abgeschotteten Markt wirken. Während andere Marktteilnehmer sich einiges einfallen lassen müssen, um in der Schweiz höhere Preise als im Ausland durchsetzen zu können, sind die hohen Preise für einheimische landwirtschaftliche Produkte weitgehend gesetzlich geschützt und politisch gewollt. Umgekehrt gibt es auch Bereiche, wo die Bauern bei Importen nun vom tieferen Euro profitieren könnten, ihnen aber ironischerweise die starke Regulierung, die sie eigentlich schützen sollte, in die Quere kommt.

Nur grobe Schätzung 
Egger vom Bauernverband räumt auf Nachfrage ein, dass die «mehreren 100 Millionen Franken» nicht in Stein gemeisselt sind. «Konkrete Schätzungen über den Schaden für die Bauern sind schwierig. Dass die Landwirte in gewissen Bereichen vom starken Franken auch profitieren, haben wir aber bereits eingerechnet.» Doch profitieren die Bauern nun in der Summe, oder leiden sie unter dem starken Franken? Als Schiedsrichter scheint sich das Bundesamt für Landwirtschaft zu eignen. Dort winkt man aber ab: Man habe keine Berechnungen angestellt, das dürfte auch schwierig sein. So sei unklar, ob der Rückgang des Käseexportes auf den hohen Franken zurückzuführen sei. Tatsächlich zeigen die Zahlen, dass im ersten Halbjahr 2011 der Export des Emmentalers einbrach, während sich andere Käse wie Appenzeller oder Tilsiter deutlich besser verkauften. Ebenfalls offen ist laut dem Bundesamt für Landwirtschaft, wie stark die Bauern beispielsweise von billigeren Traktoren aus dem Ausland profitierten, «oder ob diese Gewinne allenfalls bei den Importeuren hängen bleiben».

Schub für Agrarabkommen? 
So offen die wirtschaftlichen Folgen der Frankenstärke für die Bauern sind, so unklar ist, welche politischen Konsequenzen sich daraus für sie ergeben. Der Aargauer CVP-Nationalrat und Bauernvertreter Markus Zemp fürchtet, dass nun das von Bauernseite bekämpfte Agrarfreihandelsabkommen mit der EU wieder Aufwind erhält. «Der Druck steigt vonseiten der Konsumenten und der Nahrungsmittelindustrie.» Auch Fehr glaubt, dass der Druck für eine Öffnung im Landwirtschaftsbereich zunimmt. «Das würde die Preise zugunsten der Konsumenten senken.» Der Schaffhauser SVP-Ständerat Hannes Germann kommt zu einem anderen Urteil: «Klar versuchen einige, die Situation zu nützen, um Druck zu machen. Ich glaube aber nicht, dass das gelingen wird.» Es sei nun sinnvoll, über diejenigen Probleme zu reden, die der starke Franken tatsächlich verursache. «Wir sollten Lösungen für die so wichtige Exportindustrie suchen und uns nicht auf Nebenschauplätzen wie der Landwirtschaft verzetteln.»