Schaffhauser Nachrichten: Die SVP schaltet nun einen Gang höher

Mit der unerwarteten Kandidatur von Bruno Zuppiger setzt die grösste Partei des Landes die SP und vor allem die CVP unter Druck.

von Marcello Odermatt

Wie sich Verlierer nach Niederlagen aufzurappeln vermögen, zeigte gestern die SVP mit ihrem neusten Schachzug. Das Scheinwerferlicht richtet sich statt auf die triumphierende SP wieder auf die SVP, die mit der unerwarteten Kandidatur des Zürcher Nationalrats Bruno Zuppiger versucht, Terrain gutzumachen. Seit den Wahlen vom Oktober und erst recht seit dem Wochenende, an dem der Partei ihr Angriff auf den Ständerat misslungen ist, haftet der erfolgsverwöhnten Partei ein Verliererimage an. Dies schlug sich in der Suche nach Personen für den zweiten SVP-Sitz im Bundesrat nieder. Favoriten wie etwa der neue Ständerat Roland Eberle (TG), Fraktionschef Caspar Baader (BL) oder der Unternehmer Peter Spuhler (TG) sagten ab.

Übrig blieb Personal aus der zweiten und dritten Garde: die Westschweizer Nationalräte Jean-François Rime (FR) und Guy Parmelin (VD), der national unbekannte Regierungsrat Jakob Stark (TG) – oder etwa der parteiintern als zu moderat betrachtete Ständerat Hannes Germann (SH). Nachdem am Sonntag klar wurde, dass Nationalrat wie auch Ständerat linker geworden sind, ist die Chance für Mitte-Rechts, mit zwei FDP- und zwei SVP-Vertretern im Bundesrat präsent zu sein, auf fast null gesunken. Die Gefahr, dass der SVP ihr mit der arithmetischen Konkordanz begründeter zweiter Sitz verwehrt bleibt, hat zugenommen.

Von der CVP empfohlen
Zwar scheint klar, dass sich die Partei angesichts dessen kaum erlauben wird, wie früher ultimativ Hardliner aufzustellen. Entsprechend konziliant treten die Exponenten auch auf. SP und CVP verlangen ja wiederholt «Qualität» und «Format» vom möglichen SVP-Kandidaten. Immerhin muss diese Person nicht nur gewählt, sondern an seiner Stelle auch ein Bundesrat abgewählt werden. Die SVP befindet sich daher in einer paradoxen Situation: Zwar bringt sie wohl wie seit Jahren gefordert konkordanzfähiges Personal. Aber gewählt wird es möglicherweise doch nicht. Doch so einfach will es die SVP der Bundesversammlung nicht machen. Mit Zuppiger tritt eine Person an, die nicht nur bekannt ist, sondern dem das «Format» bisher nicht abgesprochen wurde. Er war bereits als Kandidat im Gespräch, letztmals 2008, als er explizit von der CVP empfohlen wurde. CVP-Chef Christophe Darbellay sprach von den «guten Chancen» des «valablen» Zuppiger. An ihm komme die SVP nicht vorbei, so auch Fraktionschef Urs Schwaller. Denn Zuppiger, der sich als Finanzpolitiker profilierte, gehört zwar der Hardliner-Gruppe der SVP Zürich an. Der Präsident des Gewerbeverbandes liess es sich aber nicht nehmen, von der Linie abzuweichen, etwa 2005 bei der Abstimmung über die Ausdehnung der Personenfreizügigkeit und aktuell bei der SVP-Einwanderungs-Initiative.

Die Grundsatzfragen bleiben
ass der 59-Jährige am Tag nach den Niederlagen der SVP aus dem Hut gezaubert wird, ist nicht nur geschickt eingefädelt. Vielmehr ist sein Name auf dem SVP-Ticket, das die Fraktion am Donnerstag bestimmen wird, wohl so gut wie sicher. Trotz dieses Schachzugs hat sich die Ausgangslage für die SVP nur minim verändert, immerhin wäre ja auch Germann im Parlament wählbar. Zudem spricht gegen Zuppiger aus regionalpolitischer Sicht, dass er wie Maurer Zürcher und gar Hinwiler ist. Sicher aber bringt Zuppigers Kandidatur Bewegung ins Spiel und die anderen Parteien unter Druck. Die zwei zentralen Fragen für CVP und SP bleiben aber die gleichen: Soll die SVP ihren zweiten Sitz bekommen? Und wenn ja, auf Kosten von Eveline Widmer-Schlumpf (BDP) oder Johann Schneider-Ammann (FDP)? Bis heute haben es CVP und BDP nicht geschafft, sich auf eine Zusammenarbeit zu einigen, um die Wiederwahl Widmer-Schlumpfs arithmetisch zu legitimieren, wie das die SP fordert. Angesichts der stärkeren Mitte-links-Kräfte in National- und Ständerat wackelt allerdings Schneider-Ammanns Sitz mit Zuppiger wohl mehr – sofern die SVP den Sitz ihrer engsten Bündnispartnerin überhaupt angreift. Diese Frage liess die Partei gestern einmal mehr offen.