Schaffhauser Nachrichten: Festfreude und die Angst vor dem Absturz

Auf dem Bild sind (von links nach rechts): Nicolas Perrin, CEO von Cargo Swiss, SR Hannes Germann, SR Claude Hêche (Nachfolger SR-Präsident von Germann), Benedikt Weibel, langjähriger SBB-Chef. Bild zvg

Die Einweihung des Neat-Basistunnels war ein erster Höhepunkt. Der Nationalrat droht bei der wichtigen Unternehmenssteuerreform den Absturz einzuleiten und würde damit für einen Tiefpunkt sorgen.

Von Hannes Germann

Der Sessionsunterbruch zur Eröffnung des Gotthard-Basistunnels hat sich gelohnt. Das Ereignis rückte die Schweiz in mehrfacher Hinsicht in ein positives Licht. Erstens sind die 57 Kilometer Tunnellänge ein neuer Weltrekord. Zweitens wird der Bau zu Recht als Meisterwerk der Ingenieurskunst und der Schweizer Präzision bezeichnet. Und drittens hat die Schweiz damit in Europa ein Völker und Wirtschaftsräume verbindendes Vorbildprojekt realisiert. Dass man damit sogar noch früher fertig geworden ist als geplant, ist noch das Sahnehäubchen obendrauf.

Gleichwohl alles andere als selbstverständlich ist, dass die Staatschefs der Nachbarstaaten beim Festakt in Pollegio am Südportal nur lobende Worte fanden. Namentlich die Reden des neuen österreichischen Bundeskanzlers Christian Kern, von Angela Merkel wie auch von François Hollande waren allesamt bemerkenswert. Weil authentisch, wirkten Lob und Bewunderung wie auch Anerkennung und Dankbarkeit echt. Das war wie Balsam auf die geplagte Schweizer Politikerseele. Da mochten wir Matteo Renzi verzeihen, dass er zuvor den Gotthard primär als Meisterleistung Italiens lobte. Jedenfalls sollen das italienische Medien so kolportiert haben. Wie auch immer: Ganz unrecht hat der Mann ja nicht, denn es waren nebst den vielen Arbeitern aus Österreich auch viele aus Italien an der Arbeit. Wirklich niemand vermisste an diesem Freudentag das Fehlen des Brüsseler Establishments. Und niemand wird je den eigenwilligen Umhang unserer «Doris» vermissen …

Vor lauter Festlaune wurden politisch bedeutende Geschäfte fast etwas in den Hintergrund gedrängt. Die Reform der Unternehmenssteuer (USR III) befindet sich auf der Zielgeraden. Aber sie ist noch nicht in trockenen Tüchern. Wir haben im Ständerat praktisch alle Anliegen der Kantone aufgenommen – und damit eine wirtschaftlich zwar noch nicht optimale, aber doch referendumstaugliche Vorlage in den Nationalrat geschickt.

Die offenbar durch die neue bürgerliche Stärke leicht euphorisierte Mehrheit im Nationalrat hat indes in der ersten Runde «übermarcht». Nun zeichnet sich im Stadium der Differenzbereinigung aber doch eine gewisse Annäherung ab. Das ist nötig, denn ein Absturz der Vorlage wäre fatal. Die Schweiz braucht eine Ersatzlösung, um die international angeprangerten Holdingsteuerprivilegien abschaffen zu können. Vor diesem Hintergrund ist das von der SP-Parteizentrale angekündigte «So-oder-so-Referendum» nur schwer nachvollziehbar. Unsere Wirtschaft braucht eine für alle Unternehmen gleichermassen gerechte und international konkurrenzfähige ­Lö- sung. Vor allem braucht sie Rechtssicherheit. Wir alle brauchen daher einen Sieg der Vernunft. In diesem Sinne dürfen wir gespannt sein, wie der Nationalrat am Montag in der ­Differenzbereinigung entscheidet.

Eine weitere gewichtige Differenz hat der Ständerat beim Dossier zur Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf Kroatien geschaffen. Mit 33 zu 10 Stimmen hat eine Mehrheit einer verfassungsrechtlich wasserdichten Lösung den Vorzug gegeben. Das bedeutet, dass der Bundesrat das Kroatienprotokoll erst ratifizieren darf, wenn eine mit Artikel 121a der Bundesverfassung (Zuwanderungs-Initiative) zu vereinbarende Lösung besteht. Das ist zu begrüssen. Aber es löst auch berechtigte Ängste in Bezug auf «Horizon 2020» aus. Die EU hat nämlich per 9. Februar 2017 mit dem Rauswurf der Schweiz aus dem Forschungsprogramm gedroht. Der Bundesrat ist also unter Zeitdruck, den er sich allerdings selbst zuschreiben muss. Aber noch ist eine gute Gesamtlösung möglich.

Hannes Germann (SVP) ist Ständerat des Kantons Schaffhausen.