Schaffhauser Nachrichten: Flirten mit autoritären Regimes

Die Schweiz arbeitet enger mit wenig demokratischen Regierungen zusammen. Das beurteilen Aussenpolitiker sehr unterschiedlich.

von Michael Brunner

Vor einer Woche besuchte erstmals ein russischer Präsident die Schweiz. Gleichentags lobte der chinesische Botschafter in Bern, Dong Jinyi, das Land: «Die Beziehungen zwischen China und der Schweiz befinden sich in der besten Phase der Geschichte», sagte er. Und gestern nun, als Bundesrätin Micheline Calmy-Rey den aussenpolitischen Bericht vorstellte, war auffallend häufig von nicht westlichen Staaten die Rede. Die Schweiz intensiviert offensichtlich ihre Kontakte zu wichtigen Staaten aus anderen Kulturkreisen. Das hat zwei Hauptgründe: EDie politischen Gewichte auf der Welt verschieben sich zuungunsten Europas und der USA. EWegen des Streits ums Bankgeheimnis hat die Schweiz derzeit gewisse Probleme mit den traditionellen «Freunden» EU und USA. Da ist es für sie attraktiv, die Fühler anderweitig auszustrecken. Und umgekehrt macht dies die Schweiz auch für Drittstaaten interessant.

Handeln trotz anderer Werte 
Bleibt die Frage, ob diese Akzentverschiebung richtig ist. Immerhin öffnet sich die Schweiz damit gegenüber Ländern, die hierzulande zentrale Werte wie Menschenrechte und Demokratie für weniger wichtig halten. Aussenpolitiker beurteilen die neue Ausrichtung denn auch sehr kontrovers. Erfreut ist der Schaffhauser SVP-Ständerat Hannes Germann. «Die Schweizer Aussenpolitik war bisher zu stark auf die EU fixiert.» Daher sei es erfreulich, dass man sich nun verstärkt an der ganzen Welt orientieren wolle. Klar sei, dass man etwa mit China vor allem über wirtschaftliche Fragen rede. «Das ist mir sowieso lieber. Verhandeln wir mit der EU, kommen immer auch politische Forderungen.» Zwei Staaten könnten doch auch Handel treiben, wenn in ihren Gesellschaften unterschiedliche Werte gelten würden. Der Präsident der aussenpolitischen Kommission des Nationalrates, Geri Müller (GPS/AG), begrüsst die Öffnung «gegenüber der ganzen Welt» ebenfalls. Wichtig sei bei der «thematischen Achse», dass der Massstab überall gleich angelegt werde. Es sei unmöglich, nur mit Ländern zu sprechen, die die Menschenrechte komplett einhielten. «Sonst würde die Mehrheit der Länder rausfallen. Und dieser Abbruch des Dialoges wäre kontraproduktiv.» Innerhalb des linken Lagers gibt es aber auch andere Stimmen. So fordert etwa der Zürcher SP-Nationalrat Mario Fehr, dass Menschenrechte und Demokratie in der Schweizer Aussenpolitik eine zentrale Rolle spielen müssen. «Das steht so sogar in der Verfassung.» Natürlich gebe es auch wirtschaftliche Interessen. «Aber die SP-Fraktion wird beispielsweise keinem Freihandelsabkommen mit China zustimmen, wenn das Land bis dann bezüglich Menschenrechten, Ökologie und Sozialem nicht einen gewissen Standard erreicht hat.» Im bürgerlichen Lager wiederum gibt es Stimmen, die aus pragmatischen Gründen vor einem Kurswechsel warnen. «Die Nachbarländer bleiben für uns am wichtigsten, weil hier im Alltag am ehesten Probleme auftreten können», sagt die Zürcher CVP-Nationalrätin Kathy Riklin. Und der Schaffhauser FDP-Ständerat Peter Briner verweist auf zentrale Werte, die die Schweiz mit anderen westlichen Ländern teilt. «Wir sollten den Kompass so ausrichten, dass wir wissen, wo wir hingehören.»