Schaffhauser Nachrichten: Glaubwürdig nach aussen und innen

Hannes Germann zum Aufarbeiten der Nach-Schengen-Aufregung

Für einmal sind es weniger die Tagesgeschäfte, die in der Sommersession zu reden geben, als vielmehr die politischen Scharmützel im Nachgang zur Volksabstimmung vom 5. Juni. So haben die waldnerschen «Ferrero-Küsschen» aus Brüssel da und dort schlecht geschmeckt. Ist nun Schengen/Dublin mit der Abstimmung zur Erweiterung der Personenfreizügigkeit auf die neuen Oststaaten der EU verknüpft oder nicht? Aussenministerin Calmy-Rey sorgte mit ihrer verbalen Pirouette (indem sie eine wichtige Aussage zu Schengen innerhalb weniger Monate um nicht weniger als 180 Grad ins Gegenteil verdrehte) einmal mehr für Verwunderung und Kopfschütteln. Warum eigentlich? Das fragt man sich zumindest in der Aussenpolitischen Kommission nicht ganz zu Unrecht. Denn hier haben schon praktisch alle Mitglieder ihr Fett abbekommen von den Spritzern, die ihre Fehltritte in alle möglichen Fettnäpfchen der internationalen Politbühne ausgelöst haben.
Der für Schengen zuständige Bundesrat Christoph Blocher sagte zu Ferrero-Waldners Äusserungen kurz und bündig, er höre zum ersten Mal von einer derartigen Verknüpfung zwischen Schengen und der Personenfreizügigkeit. Ich übrigens auch. Denn sonst hätte der Bundesrat ja die beiden Abstimmungen gar nie trennen dürfen. Gerade das haben aber Bundesrat und eine Parlamentsmehrheit aus taktischen Gründen durchgestiert. Weil das luxemburgische EU-Regierungspräsidium inzwischen ungewohnt undiplomatisch verlauten liess, Ferrero-Waldner habe in dieser Sache ohnehin nichts zu sagen, haben sich die heissen Fettspritzer rasch wieder abgekühlt, die Wogen im Parlament geglättet. Zurück bleibt eine gewisse Verunsicherung, die es im Vorfeld der September-Abstimmung auszuräumen gilt. Denn der Erfolg des bilateralen Weges basiert auf zuverlässigen Partnern, zwischen denen eine solide Vertrauensbasis besteht. Für die weitere Stärkung dieses Fundaments haben sich Bundesrat und Parlament gemeinsam – und vor allem glaubwürdig – einzusetzen.
Glaubwürdigkeit ist aber auch nach innen, also gegenüber der Bevölkerung unseres Landes, gefordert. So haben wir im Vorfeld der jetzt vom Volk gutgeheissenen Schengen-Assoziierung wirksame Ersatzmassnahmen für den Wegfall der systematischen Grenzkontrollen gefordert. Der Bundesrat versprach dem Parlament, auf den vorgesehenen Abbau des Grenzwachtkorps (GWK) zu verzichten. Mit der Behandlung der Interpellation Bürgi (SVP/TG) zur Reorganisation des GWK wird das Problem im Ständerat nun im Kontext zum Projekt Innova thematisiert. Es stellen sich zwei Kernfragen: Ist eine Zentralisierung mit der Aufstockung des Mitarbeiterbestandes beim GWK-Kommando von etwa 25 auf 100, dem Verzicht auf die 17 dezentral organisierten Abschnitte und der Verlegung der Einsatzzentrale von Schaffhausen nach Chur sinnvoll? Trifft es zu, dass an den Grenzen die Personalbestände um etwa zehn Prozent reduziert werden sollen (an der Nordgrenze sogar um 15 Prozent), und wie verträgt sich dieser Personalabbau mit der vorgesehenen zusätzlichen Beanspruchung des GWK im Zusammenhang mit dem Schengen-Abkommen?
Fest steht, dass der Abbau beim GWK wegen des erwähnten Parlamentsentscheides nicht stattfinden kann. Doch wenn der Bundesrat stattdessen den schwarzen Peter einfach dem Zoll zuschieben will, ist das weder plausibel noch akzeptabel. Noch fragwürdiger ist die Verlegung der Einsatzzentrale von Schaffhausen nach Chur, wo sich doch der nach Chiasso und Basel drittgrösste Zollübergang der Schweiz in Thayngen befindet. Gegen solchen Unsinn müssen wir uns zur Wehr setzen. Für Zündstoff am nächsten Mittwoch ist damit gesorgt.