Schaffhauser Nachrichten: «Ich eigne mich nicht als Befehlsempfänger»

Heute entscheidet die SVP-Fraktion, welche Kandidaten sie der Vereinigten Bundesversammlung zur Wahl in den Bundesrat empfehlen will. Fünf Kurzporträts zeigen auf, wie sich Hannes Germanns Konkurrenten – zwei Westschweizer und drei Deutschschweizer – politisch positionieren.

von Interview Raphaela Birrer

Herr Germann, mit welchen Gefühlen blicken Sie dem heutigen Abend entgegen?
Hannes Germann: Ich bin relativ gelöst. Die Spannung wird sicherlich noch steigen. Aber ich kenne ja die Personen, die mir gegenüber sein werden, und sie kennen mich. Ich habe nichts zu verlieren.

Die SVP-Parteileitung hat sich deutlich für den Zürcher SVP-Nationalrat Bruno Zuppiger als Bundesratskandidaten ausgesprochen. Wie beurteilen Sie angesichts Ihrer neuen Konkurrenz Ihre Chancen?
Germann: Ich muss die Situation realistisch sehen. Als Schaffhauser habe ich sicherlich eher Aussenseiterchancen. Es können ja sogar heute Abend von der Fraktion noch weitere Kandidaten vorgeschlagen werden. Das ist zum jetzigen Zeitpunkt noch unüberschaubar. Darum mache ich mir darüber nicht zu viele Gedanken. Ich gehe davon aus, dass es eine faire Ausmarchung gibt, deren Ergebnis man auch akzeptieren kann.

Sind Sie enttäuscht darüber, von der Parteileitung keine eindeutige Rückendeckung zu verspüren?
Germann: Ich habe nicht direkt von der Partei gehört, dass mir Rückendeckung fehlt. Toni Brunner hat im Vorfeld immer betont, er sei als Präsident neutral – eine andere Aussage habe ich von ihm persönlich nicht vernommen.

Sie gelten als moderater SVPler und daher als wählbarer für andere Parteien. Parteiintern ist das eher ein Handicap. Was denken Sie, warum konkret gibt es seitens des Zürcher Flügels Vorbehalte Ihnen gegenüber?
Germann: Meine Politik ist in der Sache ebenfalls hart, im Ton indes moderat und in der Haltung konstruktiv. Ich stehe zum Parteiprogramm, habe aber immer auch eine eigene Meinung. Zudem habe ich den Standesinteressen Rechnung zu tragen. Das ist mein Auftrag. Man weiss von mir, dass ich gegen Druck aus der Parteizentrale mitunter resistent bin. Ich bin auch nicht bereit, mich zu verbiegen. Vielmehr gehe ich geradlinig und aufrecht meinen Weg. Ich werde der Fraktion noch einmal sagen, für welche Werte ich einstehe, und dann gilt für sie: C’est à prendre ou à laisser. Ich stehe der SVP zur Verfügung – wenn sie die Chance mit mir wahrnehmen will. Wenn man einen typischen Hardliner vorzieht oder gar in die Opposition will, dann bin ich sicher nicht der richtige Mann. Aber es gibt auch aus Zürich positive Signale.

In welchen Bereichen hat der Zürcher Flügel konkret eine andere Meinung?
Germann: Ich möchte jetzt nicht zu stark die Differenzen herausschälen. Ich bezeichne mich als SVPler durch und durch, aber halt nach Schaffhauser Art, ähnlich der früheren BGB. Ich bin bereit, konstruktiv mitzuarbeiten – und nicht bereit dazu, Probleme politisch zu bewirtschaften. Ich bin jemand, der tragfähige Kompromisse erarbeiten will. Wir brauchen in den kommenden schwierigen Jahren dringend Lösungen für unser Land, die beim Volk mehrheitsfähig sind.

Bruno Zuppiger ist gegen die SVP-Einwanderungs-Initiative – eine wichtige Differenz mit der Parteileitung. Trotzdem unterstützt sie ihn. Inwiefern unterscheiden Sie sich von Zuppiger?
Germann: Ich bin als Ständerat unabhängig und lasse mich von keinem Parteiflügel vereinnahmen. Wir machen schliesslich Politik für das ganze Land. So präsentiere ich mich auch in der Fraktion. Wenn die Fraktion für meinen gegen die Mitte etwas offeneren Kurs einstehen will, wie ich es von einer Volkspartei eigentlich erwarte, dann trifft sie mit mir eine gute Wahl. Von den inhaltlichen Positionen her sind Herr Zuppiger und ich uns sehr ähnlich. Er ist stark fokussiert auf die Finanz- und Sicherheitspolitik. Mein Spektrum reicht von der Finanz- über die Wirtschafts- und Staats- bis in die Aussenpolitik hinein. Da bin ich etwas breiter aufgestellt. Unser Hauptunterschied bleibt indes, dass er Zürcher ist und ich Schaffhauser bin.

Mit Zuppiger wären zwei Zürcher, sogar zwei Hinwiler, Bundesräte. Ein weiteres Mal würde kein Schaffhauser ins Gremium gewählt. Welche Bedeutung hat für Sie die Kantonszugehörigkeit in dieser Frage?
Germann: Ich weiss aus Erfahrung, dass am Schluss knallharte Interessen spielen und dass man innerhalb eines Kantons zusammenhält. Darum sitze ich schon wegen Schaffhausens Grösse am kürzeren Hebel. Aber es könnten auch andere Überlegungen in der Fraktion eine Rolle spielen – etwa die Ausgewogenheit oder die Vertretung der Ostschweiz. Ich möchte jedoch nicht als Schaffhauser überzeugen, sondern als Persönlichkeit, als erfahrener Politiker.

Wie schätzen Sie – abgesehen von der Parteileitung – Ihren Rückhalt in der Partei ein?
Germann: Ich spüre, dass man mich respektiert. In der Fraktion nehme ich eine wichtige Verbindungsfunktion vom National- zum Ständerat wahr. Zudem bin ich überdurchschnittlich präsent. Man kennt mich als sachkompetenten Politiker und weiss das zu schätzen. Nun geht es aber nicht in erster Linie um meinen Leistungsausweis innerhalb der Partei, sondern um ein Bundesratsmandat, und da wird mitunter mit harten Bandagen gekämpft.

Die SP preist Sie öffentlich als valablen Kandidaten. Wie schätzen Sie allgemein Ihre parteiübergreifende Unterstützung ein?
Germann: Grösser als erhofft. Ich habe durchwegs sehr positive Reaktionen erhalten. Besonders gefreut hat mich beispielsweise, dass CVP-Fraktionspräsident Urs Schwaller mir in den Medien spontan ein sehr gutes Zeugnis ausgestellt hat. Er kennt mich gut durch die Zusammenarbeit im Rat. SP-Fraktionschefin Ursula Wyss hat mich ebenfalls mehrmals als valablen Kandidaten gewürdigt und gesagt, ich sei wählbar für die SP – aber unter gewissen Bedingungen. Diese muss allerdings die SVP aushandeln. Ich hoffe, dass sich unsere Führung diesmal durchsetzen kann in den Verhandlungen mit anderen Parteien. Wenn man die Konkordanz wiederherstellen und den zweiten Sitz erobern möchte, sind gute Vorgespräche und Absprachen fast so wichtig wie eine gute Nomination.

Sie sprechen vor allem von der SP und der CVP. Haben Sie von diesen Parteien am meisten Zuspruch erfahren?
Germann: Stimmt die Strategie, wird auch die FDP mithelfen. Diese Signale habe ich erhalten – ich geniesse auch dort Sympathien. Es ist jedoch logisch, dass bei der FDP die Liebe aufhören würde, wenn es gegen einen eigenen Bundesrat gehen würde. Ich will die Konkordanz auch nicht auf eine andere Art brechen, sondern meinen Beitrag dazu leisten, dass man sie wiederherstellen kann. Wenn sich die CVP noch auf eine längerfristige Zusammenarbeit mit der BDP einigen könnte, sähe die Sachlage anders aus. Ich glaube, jeder Kandidat, der antritt, muss auch bereit sein, sich der Strategie der SVP unterzuordnen.

Würden Sie die Wahl annehmen, wenn Sie anstelle eines FDPlers gewählt würden?
Germann: Das ist hypothetisch, und ich gehe jetzt davon aus, dass die SVP-Strategie nicht so sein wird. Die FDP ist unsere Hauptverbündete und die Partnerin, die uns politisch am nächsten steht. Daher wäre es falsch, auf einen der FDP-Sitze zu spekulieren.

In erster Linie greift die SVP den Sitz von Eveline Widmer-Schlumpf an, aber was geschieht, falls das nicht klappen sollte?
Germann: Dann würde die Strategie wohl sehr kurzfristig festgelegt. Man müsste sich beraten und das weitere Vorgehen abschätzen. Es gäbe verschiedene Möglichkeiten – man könnte resignieren oder die Konsequenzen daraus ziehen. Wir haben ja eine nicht zu unterschätzende Gruppierung, die sich lieber in der Opposition sähe. Meine Bestimmung ist das aber nicht. Ich könnte als Standesvertreter keine Oppositionsrolle einnehmen. Als Ständerat muss man sich konstruktiv und zum Wohl seines Kantons einsetzen.

Wie sind Sie seit Ihrer Nomination durch die SVP Schaffhausen vorgegangen, um Ihre Kandidatur voranzutreiben?
Germann: Ich habe versucht, mich über die Medien zu präsentieren. Meine Kandidatur wurde sehr wohlwollend aufgenommen. Sie soll für sich selber sprechen. Ich gehe nicht parteiintern auf Werbetour. Ich stelle mich als das dar, was ich bin – als Chance für die SVP. Die Fraktion entscheidet nun; dafür mache ich aber keinen Kniefall und kein Lobbying, denn auf diese Weise handelt man sich falsche Versprechen ein. Ich will kein Kandidat sein, der es nur knapp auf das Ticket schafft und dann im Regen stehen gelassen wird. Wenn sich die Fraktion für mich entscheidet, soll sie das aus Überzeugung tun und mit meiner Kandidatur ein klares Bekenntnis zur Konkordanz abgeben.

Wie geht es bei Ihnen weiter, falls Sie nicht nominiert werden?
Germann: Dann freue ich mich auf die Wintersession. Es ist eine neue Legislatur; ich bin gespannt auf die Zusammenarbeit mit Thomas Minder. Zudem freue ich mich auf die Zeit im Ständeratspräsidium. Die Aussichten sind gut. Ausserdem blicke ich gespannt auf die weiteren beruflichen Herausforderungen, die auf mich warten. Ich habe noch viel vor – mir wird es bestimmt nicht langweilig. Ich bleibe ein glücklicher Mensch, auch wenn die Nomination nicht klappen sollte.

Hätte es einen Einfluss auf Ihre Beziehung zur SVP?
Germann: Ich glaube nicht. Wenn man sich aus dem Fenster lehnt, muss man damit rechnen, dass man eins auf den Deckel erhält. Es gehört zu meinem Demokratieverständnis, das zu akzeptieren.