Schaffhauser Nachrichten: Mehr Schlagkraft für die Ostschweiz

Die Nationalräte Lukas Reimann und Andrea Caroni gründen eine parlamentarische Gruppe, um Ostschweizer Anliegen in Bern offensiver zu vertreten. Politiker von sieben Parteien und aus sieben Kantonen machen mit.

Von Tobias Gafafer

Andere haben es vorgemacht. Politiker aus der Nordwestschweiz gründeten Anfang Jahr die parlamentarische Gruppe Region Basel, um deren wirtschaftlichen Anliegen in Bern Gehör zu verschaffen. Kantone wie Basel oder das Tessin haben gar Lobbyisten für das Bundeshaus angestellt. Nun wollen die Nationalräte Andrea Caroni (FDP/AR) und Lukas Reimann (SVP/SG) auch für Ostschweizer Anliegen eine zusätzliche Plattform schaffen.

In der Wintersession gründen sie die parlamentarische Gruppe Ostschweiz. Das Ziel: Die Bundesparlamentarier aus Ostschweizer Kantonen sollen sich bei Themen von nationaler Ausstrahlung mehr absprechen. «Wir sind zu scheu, zu brav und zu kleinkrämerisch», sagte Caroni auf Anfrage. Geplant sei vorerst eine jährliche Sessionsveranstaltung für alle Bundesparlamentarier im Herbst – und vor der Olma. Dabei soll sich die Ostschweiz auch kulinarisch und kulturell präsentieren. Ein mögliches Thema könnte etwa der Bahnausbau sein.

Hannes Germann mit dabei

Im Gegensatz zur Basler Gruppe legen Reimann und Caroni Wert darauf, dass in der parlamentarischen Gruppe Ostschweiz alle Fraktionen der Bundesversammlung vertreten sind – und nicht bloss bürgerliche Exponenten. Zum Vorstand sollen neben Caroni und Reimann denn auch die Parlamentarier Ivo Bischofberger (CVP/AI), Yvonne Gilli (Grüne/SG), Edith Graf-Litscher (SP/TG), Hannes Germann (SVP/SH), Josias Gasser (GLP/GR) sowie der BDP-Präsident und Nationalrat Martin Landolt (GL) gehören. Geografisch wird die Ostschweiz sehr weit gefasst: Sieben Kantone sind vertreten.

Unterschiedliche Interessen

Die Kantone von Schaffhausen bis Graubünden haben faktisch allerdings oft unterschiedliche Interessen. Eine gemeinsame Ostschweizer Identität existiert kaum – bereits zwischen den Kantonen St. Gallen und Thurgau gibt es Rivalitäten. Das zeigt sich etwa beim Projekt Bahn-Y, das demnächst vom Ständerat behandelt wird. Thurgauer Politiker wie Edith Graf-Litscher äusserten sich kritisch, weil der erste Ausbauschritt nur das St. Galler Rheintal umfassen soll – und nicht auch die Seelinie. Bei der künftigen Verteilung des Fluglärms gibt es ebenfalls Differenzen. Kommt hinzu, dass manche Politiker selbst bei Bundesratswahlen nicht über ihren Schatten sprangen: So stimmten 2010 linke, aber auch SVP-Nationalräte aus der Ostschweiz nicht für die heutige St. Galler Ständerätin Karin Keller-Sutter. Andrea Caroni betont dennoch, dass es bei allen Differenzen gemeinsame Interessen gebe. «Es ist genau unsere Idee, unterschiedliche Interessen zu bündeln», doppelt Lukas Reimann nach. Mit ihrer Gruppe wollen die beiden jüngsten Ostschweizer Parlamentarier die regelmässigen Treffen der National- und Ständeräte mit den Ostschweizer Regierungen ergänzen. Diese existieren zwar bereits seit Längerem, sind aber nicht immer gut besucht. So wurde etwa 2010 publik, dass nur gerade ein Glarner Regierungsrat zum Treffen mit Bundesparlamentariern im Hotel Bellevue in Bern erschien. Für Caroni ist denn auch klar: «Wir machen pro Jahr lieber nur einen Anlass, dafür mit Schwung und Schlagkraft.»

Für alle möglichen Anliegen

Im Bundeshaus gibt es gegen 100 parlamentarische Gruppen, die sich mit allen möglichen Anliegen befassen. So gibt es Gruppen für die Beziehungen mit Kasachstan oder Griechenland, für die Schifffahrt und die Volksmusik oder die Pfadfinderbewegung Schweiz. Zahlreiche dieser Gruppen lassen kaum etwas von sich hören. Ob die parlamentarische Gruppe Ostschweiz im Bundeshaus tatsächlich etwas bewirken kann, muss sie deshalb erst noch unter Beweis stellen.