Schaffhauser Nachrichten: Noch sind die Kritiker nicht verstummt

Johann Scheider-Ammann tut sich auch nach einem Jahr noch schwer im Bundesrat. Ihm fehlt es nach wie vor an fundierten Dossierkenntnissen, und seine kommunikativen Fähigkeiten sind mässig. Politische Freunde loben immerhin seine Geradlinigkeit.

von Michael Brunner

Als Johann Schneider-Ammann im Herbst 2010 Bundesrat wurde, galt er als Hoffnungsträger. Der Unternehmer sollte als Vertreter der sogenannten Realwirtschaft nicht zuletzt seiner Partei, der FDP, ein neues Image verpassen. Diese stand im Ruf, vor allem die Interessen des Finanzplatzes mit seinen Boni-Exzessen zu vertreten. Gut ein Jahr später ist die Ernüchterung vielerorts gross. Nicht dass Schneider-Ammann plötzlich nicht mehr der integre, aufrichtige Vertreter aus der Realwirtschaft wäre. «Bei ihm weiss man, woran man ist», sagt ein Wirtschaftsvertreter. Das sei nicht wenig in einer Welt, wo bald alle taktierten. Aber der Berner tut sich schwer mit dem Wechsel in den Bundesrat. Der Grund dafür sind zwei Schwächen, die bei einem Minister stark ins Gewicht fallen. Erstens ist er kein begnadeter Kommunikator. In seiner Ingenieurslogik könne er zwar in wenigen Sätzen eine Sache auf den Punkt bringen, sagt ein Politbeobachter. «Was er nicht kann, ist 30 Minuten reden, wenn er eigentlich nichts zu sagen hat.» Genau das müsse ein Bundesrat aber können. «Schneider-Ammann greift zu oft zu Floskeln», sagt ein Kritiker. Alles und jedes sei «im Interesse dieses Landes».

Zweitens kennt Schneider-Ammann manche seiner Dossiers zu wenig genau. Das nehmen ihm die Parlamentarier übel, und die Verwaltung nutzt es aus: Einen nicht dossierfesten Bundesrat kann sie viel einfacher von seinem Ansinnen abbringen. Überhaupt, die Zusammenarbeit mit der Verwaltung: Ein bürgerlicher Politiker ist in diesem Punkt ziemlich ernüchtert. «Schon bei Christoph Blocher waren viele der Meinung, jetzt kommt ein Unternehmer, der macht in Bern alles besser.» Aber die Bundesverwaltung funktioniere halt nicht wie ein Unternehmen. FDP-Vizepräsident Markus Hutter sieht das ganz anders. «Als ehemaliger Firmenchef geht Schneider-Ammann umsichtiger mit dem Personal um als andere.» Auch mit seinen Schwächen könnte Schneider-Ammann seine Arbeit wohl problemlos machen, sähe er sich nicht einer doppelten Krise gegenüber. Da ist auf der einen Seite die Krise des Freisinns. Der Anspruch der FDP auf zwei Bundesratssitze wird nach der jüngsten Wahlniederlage mehr denn je bestritten. Deshalb ist Schneider-Ammanns Wiederwahl in Gefahr. Und seine Gegner nutzen seine Schwäche, um ihn zusätzlich zu destabilisieren. Auch die Medien lassen ihn zuweilen ins offene Messer laufen. So fing ihn vor Kurzem das Schweizer Fernsehen im Bundeshaus ab und brachte ihn zu einer Aussage über seinen Verbleib im Bundesrat. Er wolle bleiben, sagte er, liess aber, leicht überrumpelt, so viele Hintertürchen offen, dass die Unsicherheit nachher grösser war als zuvor.

Belastungstest Frankenkrise
Auf der anderen Seite ist die Frankenkrise eine Belastung für Schneider-Ammann. «In einer solchen Währungskrise kann der Wirtschaftsminister nicht viel machen, da ist die Nationalbank am Zug», sagt der Schaffhauser SVP-Ständerat Hannes Germann. Anzufügen wäre, dass ein liberaler Wirtschaftsminister aus ideologischen Gründen auch möglichst nichts tun will, weil er Aktionismus für kontraproduktiv hält. Doch wer nichts tun kann oder will, der müsste in der Krise wenigstens hinstehen und sich der Bevölkerung gut erklären. Schneider-Ammann aber ging, wie auch andere Bundesräte, unbedarft in die Sommerferien. Er vermittelte so den (falschen) Eindruck, dass ihn die Frankenstärke kalt lässt. Da waren die Pannen beim Aufgleisen des Frankenpaketes nur noch das Tüpfelchen auf dem i. Immerhin, hinter den Kulissen konnte Schneider-Ammann einen Erfolg verbuchen. Er schwor alle politische Kräfte auf die Unterstützung der Nationalbank ein und bereitete so den Boden für einen Euro-Mindestkurs von 1.20 Franken. Kommt hinzu, dass Schneider-Ammann auch auf den wichtigsten Nebenschauplätzen nicht punkten konnte: Bisher vergeblich setzt er sich für eine Öffnung der Landwirtschaft, insbesondere ein Agrar-Freihandelsabkommen mit der EU, ein. Beim Aushandeln von Freihandelsabkommen mit aufstrebenden Schwellenländern kommt er nicht so voran wie erhofft. Jüngst musste er in Brasilien feststellen, dass die Schweiz für solche Länder nicht oberste Priorität hat. Und der Bilateralismus mit der EU, der vom Wirtschaftsdepartement massgebend mitgeprägt wird, stockt.

Ein Bundesrat im Endspurt
Schneider-Ammann ist sich durchaus bewusst, dass er bisher noch kaum überzeugt hat. Er versucht deshalb einen Endspurt hinzulegen. Beim Referenzzins zur Berechnung der Mieten ist er den Mietern rasch entgegengekommen. Die Revision des Kartellrechts treibt er entschlossen voran. Und er hat sich einen neuen Kommunikationschef geholt. Natürlich besteht bei einem solchen Endspurt die Gefahr der Schaumschlägerei. Trotzdem sollte man Schneider-Ammann nicht vorschnell abschreiben. Letzte Woche etwa konnte er an der Delegiertenversammlung des Bauernverbandes punkten. Er trat plötzlich dossierfest auf, kam den Bauern inhaltlich ein bisschen entgegen, schenkte ihnen aber auch reinen Wein ein. Endlich wüssten die Bauern, woran sie mit Schneider-Ammann seien, sagte ein Bauernvertreter. Vielleicht rettet ja die im Bundeshaus starke Bauernlobby den wankenden Bundesrat