Schaffhauser Nachrichten: «Nomination Gobbi macht uns mehr Mühe»

Hannes Germann wurde zwar im letzten Oktober mit einem Glanzresultat als Ständerat von den Schaffhauser Stimmberechtigten wiedergewählt, doch seine Fraktion hat ihn nicht für die Bundesratswahlen vom kommenden Mittwoch aufgestellt. Bild Selwyn Hoffmann
Hannes Germann wurde zwar im letzten Oktober mit einem Glanzresultat als Ständerat von den Schaffhauser Stimmberechtigten wiedergewählt, doch seine Fraktion hat ihn nicht für die Bundesratswahlen vom kommenden Mittwoch aufgestellt. Bild Selwyn Hoffmann

Im Interview erklärt Ständerat Hannes Germann, wieso die Nomination für die Bundesratswahlen für ihn eine Enttäuschung war, und beantwortet die Frage, wie er sich bei einer Wahl durch die Bundesversammlung verhalten würde.

Von Robin Blanck

Hannes Germann wurde zwar im letzten Oktober mit einem Glanzresultat als Ständerat von den Schaffhauser Stimmberechtigten wiedergewählt, doch seine Fraktion hat ihn nicht für die Bundesratswahlen vom kommenden Mittwoch aufgestellt. Bild Selwyn Hoffmann
Hannes Germann wurde zwar im letzten Oktober mit einem Glanzresultat als Ständerat von den Schaffhauser Stimmberechtigten wiedergewählt, doch seine Fraktion hat ihn nicht für die Bundesratswahlen vom kommenden Mittwoch aufgestellt. Bild Selwyn Hoffmann

Herr Germann, was macht einen guten Bundesrat aus?

Hannes Germann: Er muss eine glaubwürdige Persönlichkeit sein, Sachverstand besitzen und sich in eine Kollegialbehörde einfügen können. Dazu braucht er Führungsstärke und klare Vorstellungen, welche Themen er setzen will und wie er für sie Mehrheiten erreichen kann.

Ihre Fraktion hat Sie nicht nominiert und findet offenbar, dass Sie die nötigen Eigenschaften für den Bundesrat nicht mitbringen. Hat Sie diese Haltung der Kollegen enttäuscht?

Germann: Die erwähnten Eigenschaften und die Wählbarkeit hat man mir mehrfach attestiert. Weil ich die Chancen realistisch eingeschätzt habe, war ich auch nicht allzu sehr enttäuscht. Mehr geärgert hat mich die Art und Weise, wie die Nomination zustande gekommen ist.

Was genau meinen Sie?

Germann: Für mich ist noch immer nicht nachvollziehbar, wie es zur letztlich ausschlaggebenden Nichtempfehlung der Findungskommission gekommen ist: Ich weiss nicht, weshalb die Kommission zum Schluss kam, Thomas Hurter, die beiden Basler und ich seien zwar wählbar, stünden aber als Kandidaten «nicht im Vordergrund».

Was hätte die Kommission Ihrer Meinung nach tun sollen?

Germann: Da es um einen Ostschweizer Sitz geht, hätte sie mindestens einen von uns Schaffhausern auf dem Ticket belassen oder einfach der Fraktion die Auswahl überlassen sollen. Aber das ist jetzt gegessen.

Waren Sie zu wenig auf Parteilinie?

Germann: Ich vermute, es gab eine andere Agenda: Das Ganze erweckt den Eindruck einer abgekarteten Sache. Hinzu kommt, dass ich sehr eigenständig und unabhängig politisiere. Ich passe zwar gut in die Fraktion, sehe mich aber primär als Standesvertreter. Und ich bin nicht bereit, davon abzuweichen und gegen meine Überzeugung zu handeln.

Hat man Sie in die Rolle des «Abweichlers» getrieben?

Germann: «Abweichler» ist ein negativer Ausdruck, ich würde es eher positiv ausdrücken: Ich habe eine eigenständige Linie, denke selber und übernehme Verantwortung für meine Entscheide. Das ist der Auftrag, den wir als gewählte Politiker gemäss Bundesverfassung haben. Unser Land braucht mehrheitsfähige Lösungen, denn wenn alle Seiten an ihren Maximalforderungen festhalten, werden Vorlagen an der Urne versenkt, und wir lösen keines der drängenden Probleme.

Welche anderen Gründe könnten zur Absage geführt haben?

Germann: Offenbar haben Thomas Hurter und ich nicht ins Schema der Parteileitung und der Chefstrategen gepasst. Als stossend empfinde ich ­dabei, dass wir beide mit einem hervorragenden Resultat im Kanton gewählt wurden und eine grosse Akzeptanz über die Parteigrenzen hinaus geniessen. Die Fraktion hat sich für absolut ­linientreue Parteikollegen entschieden, das muss ich akzeptieren. Parteitaktisch clever ist, dass mit dem jetzigen Dreierticket der Vertretung der Sprachregionen Rechnung getragen wird, was zumindest für die Romandie allerdings bereits der Fall ist. In der Verfassung steht überdies, dass auch die Landesteile bei der Besetzung des Bundesrates angemessen berücksichtigt werden sollen. Nachdem mit dem Bündner Heinz Brand der letzte Ostschweizer keinen Platz auf dem Ticket errungen hat, wird diese Vorgabe leider nicht eingehalten.

Hat die Ostschweiz eine zu schwache Lobby in Bern?

Germann: Ja. Ich stelle ernüchtert fest, dass es zu wenig Solidarität unter den Vertretern der Ostschweiz gibt.

Wie kommen Sie zu diesem Schluss?

Germann: Die Vertreter der Ostschweiz haben sich auseinanderdividieren lassen und sind nicht für ihre Region eingestanden. Aber das muss jeder mit sich selber ausmachen.

Hat die Absage an die Ostschweiz ­Folgen?

Germann: Ja, die berechtigten Interessen der Ostschweiz sind in der Landesregierung künftig nicht mehr vertreten, was ein Nachteil ist.

Wer ist Ihr Favorit?

Germann: Wichtig ist, dass das Parlament eine Person aus dem Dreierticket auswählt, mit der eine gute Zusammenarbeit möglich ist.

Dann werden Sie am 9. Dezember den gemeinhin als umgänglich geltenden Guy Parmelin wählen?

Germann: Zu meinem Wahlverhalten äussere ich mich nicht. Guy Parmelin ist ein guter Kollege, der trotz seiner ­linientreuen Parteipolitik nicht als Hardliner wahrgenommen wird. Thomas Aeschi ist ein Vertreter der jungen Generation mit einer ausgezeichneten Ausbildung. Die Nomination des Lega-Vertreters Norman Gobbi, den ich persönlich schätze, macht uns in Schaffhausen mehr Mühe. Immerhin hat sich die SVP während acht Jahren dagegen gewehrt, dass mit der BDP eine Kleinpartei im Bundesrat sitzt; jetzt wird genau ein Vertreter einer solchen Gruppierung vorgeschlagen.

Aber Gobbi ist der SVP beigetreten, oder?

Germann: Ja, aber Doppelmitgliedschaften in Parteien sind für mich fragwürdig. Denn Gobbi ist meines Wissens nach wie vor Lega-Mitglied und bekennt sich auch zu den Zielen der Lega.

Die SVP-Fraktion hat im Wissen um diese Ausgangslage für Gobbi gestimmt.

Germann: Ja. Hier könnte das Kalkül eine Rolle gespielt haben, dass man die Lega mit an Bord haben und so künftig im Tessin zulegen will. Aus politisch-taktischen Gründen ist die Nomination Gobbi nachvollziehbar.

Gab es bisher Versuche aus den Reihen anderer Parteien, Sie als wilden Kandidaten ins Rennen zu schicken?

Germann: Scherzhafte Annäherungen gab es, aber nichts, was ich ernst nehmen müsste. Vielmehr spüre ich namentlich bei FDP und CVP den Willen, die SVP in die Pflicht zu nehmen und einen der drei Nominierten zu wählen.

Würden Sie eine Wahl am 9. Dezember annehmen?

Germann: Diese Frage erübrigt sich, da ich nicht als Sprengkandidat verheizt werden möchte. Das Dreierticket kommt an, und alles wird seinen geordneten Lauf nehmen.

Mussten Sie wie die anderen Kandidaten auch eine Erklärung unterzeichnen, dass Sie bei einer allfälligen Wahl ohne Partei im Rücken das Amt ­ablehnen?

Germann: Ich habe nach dem Gespräch mit der Findungskommission ein Gesprächsprotokoll unterzeichnet.

Was mussten Sie sonst noch ­versprechen?

Germann: Es ging primär um die politischen Schlüsselpositionen der Partei. Über den Inhalt des Gesprächs in der Findungskommission wurde Stillschweigen vereinbart. Daran halte ich mich.

Aber mussten Sie sich verpflichten, eine allfällige Wahl abzulehnen, wenn Sie ohne Segen der Partei gewählt ­würden?

Germann: Darüber wurde wie gesagt Stillschweigen vereinbart.

Aber ist das kein schlechtes Zeichen, wenn man innerhalb einer Parteispitze Verträge miteinander abschliessen muss? Traut man sich in der SVP nicht mehr über den Weg?

Germann: Die heutige Situation hat ja – das muss man anerkennen – eine Vorgeschichte: Samuel Schmid wurde 2000 gewählt, obwohl die Partei Roland Eberle und Rita Fuhrer vorgeschlagen hatte. Dann folgte 2007 die Blocher-­Abwahl, die für die Partei ein Schock war.

Diskutiert wird derzeit viel über die Ausschlussklausel, die zur Anwendung kommt, wenn ein SVPler die Wahl annimmt, ohne auf dem Ticket gewesen zu sein. Erachten Sie diese nach wie vor als richtig?

Germann: Ich bin kein Freund solcher Automatismen: Besser ist es zu handeln, wenn man es für nötig erachtet. Aber es gibt ja immerhin noch die Möglichkeit, dass Fraktion und Parteivorstand mit Zwei-Drittel-Mehrheit den Gewählten wieder in die Partei aufnehmen und so den Entscheid des Parlaments akzeptieren.

Sie wurden inzwischen mehrfach als Bundesratskandidat gehandelt, 2016 werden Sie Ihren 60. Geburtstag feiern. War das Ihr letzter Anlauf auf einen Sitz in der Landesregierung?

Germann: Darüber mache ich mir keine Gedanken. Jeder, der mich kennt, weiss, dass ich dieses Amt nicht suche. Aber für den Kanton Schaffhausen hätte ich diese Aufgabe gerne auf mich genommen. Nun freue ich mich auf meine weitere Tätigkeit als Schaffhauser Standesvertreter in Bern.