Schaffhauser Nachrichten: Rentendebatte auf hohem Niveau

Eine Woche vor der Abstimmung über die Anpassung des BVG-Mindestzinssatzes kreuzten Befürworter und Gegner im Rahmen einer Diskussion die Klingen.

von Adrian Schumacher

Die Meinungen zur Abstimmungsfrage scheinen bereits gemacht: Lediglich 13 Zuhörer, vornehmlich aus dem linken Parteienspektrum, hatten am Freitagabend den Weg in den Kleeblattsaal in Löhningen gefunden. Der Qualität der überparteilichen Veranstaltung tat dies aber keinen Abbruch. Unter der Leitung von SN-Redaktor Erwin Künzi legten SP-Nationalrat Hans-Jürg Fehr, AL-Kantonsrat Florian Keller, SVP-Ständerat Hannes Germann sowie der Beringer CVP-Einwohnerrat Patrick Portmann ihre Argumente für und wider die Senkung des Mindestumwandlungssatzes dar.

Streit um Alter und Rendite
Auch wenn beide Lager im Vergleich zum Abstimmungskampf auffallend differenziert argumentierten, so wurden sie sich in den zentralen Punkten der Vorlage auch am Freitag nicht einig. Umstritten war etwa, ob die durchschnittliche Lebenserwartung auch in Zukunft noch steigen wird. Für Portmann, der selber in einer Altersinstitution arbeitet, steht dies ausser Frage. «Die Zahl der Pensionäre, die 90 Jahre und älter sind, steigt stetig. Dieser Entwicklung muss auch die zweite Säule Rechnung tragen. Ansonsten erwartet uns in zehn Jahren eine Feuerwehrübung.» Fehr verwies namens der Gegner auf die vorhandenen Statistiken des Bundes. «Es gibt deutliche Anzeichen, dass das Durchschnittsalter der Frauen künftig sinken wird, da auch sie ungesünder leben als früher.» Zudem sei das Argument der Lebenserwartung für eine Senkung des Umwandlungssatzes nicht stichhaltig, da der gültige Satz auf eine durchschnittliche Lebenserwartung von 86 Jahren ausgelegt sei. Heute liege sie erst bei 85,4 Jahren. Ein weiterer zentraler Streitpunkt waren die Renditen auf dem angesparten Alterskapital. Um den bisherigen Umwandlungssatz beibehalten zu können, bedürfe es eines durchschnittlichen Ertrags von 5 Prozent. Dies sei für die autonomen Kassen unrealistisch, rechnete Germann vor. «Auch ich verteile gerne Geld. Aber erst dann, wenn ich es auf der sicheren Seite habe. Kein Privatanleger erwirtschaftet heute 5 Prozent, wenn er wie die Pensionskassen nur in sichere Anlagen investieren kann.» Ein Vergleich, den Florian Keller umgehend mit dem Verweis auf das gute Börsenjahr 2009 zu kontern suchte. Nur ein Jahr nach der Finanzkrise hätten die Lebensversicherer Renditen zwischen 13 und 23 Prozent erzielt. «Angesichts der Abstimmung wäre es den Versicherern wohl recht gewesen, die Finanzkrise hätte noch ein Jahr länger gedauert.»

Mehr Transparenz gefordert
Was die Sicherheit der Rente betrifft, so äusserten sich mit einer Ausnahme sämtliche Podiumsteilnehmer zuversichtlich. Portmann befürchtet, dass bei einem Nein am 7. März insbesondere jüngere Versicherte vermehrt für Finanzlöcher geradestehen und Geld in die Pensionskasse einschiessen müssten, wie dies etwa beim Kanton erst kürzlich der Fall gewesen sei. Germann sieht derweil keine unmittelbaren Konsequenzen. Grund zur Panik bestehe keiner, da die 2. Säule wie ein Dampfer erst mit einiger Verzögerung reagiere. Fehr wiederum möchte den Lebensversicherungsgesellschaften einen Schuss vor den Bug verpassen, denn diese schöpften zu satte Gewinne aus dem Pensionskassengeschäft ab. Für Keller dürfen im Falle eines Neins all jene Arbeitnehmer aufatmen, die nicht in einer autonomen oder teilautonomen Pensionskasse versichert sind. «Würde der Umwandlungssatz gesenkt, würden die Lebensversicherer dies umgehend zu ihren Gunsten ausnützen, auch wenn sie dies aus finanziellen Gründen gar nicht müssten.» Einig waren sich die Kontrahenten in ihrem Misstrauen gegenüber den privaten Versicherungsgesellschaften, die im BVG-Geschäft mitmischen. Es bestünden seit je Defizite in Sachen Transparenz. Germann plädierte am Freitag für eine gesonderte Transparenzdebatte im Parlament, die losgelöst von der aktuellen Abstimmung geführt werden müsste.