Der Ex-Terrorhelfer aus Schaffhausen änderte im Sommer 2021 seinen Namen. Das wird heftig kritisiert. Doch die Verwaltung selbst hat den Namenswechsel empfohlen.
von Claudia Blumer
Darum gehts
- Osamah M., der wegen IS-Gehilfenschaft eine Gefängnisstrafe verbüsst hatte, änderte 2021 seinen Namen.
- Das sei stossend, heisst es von links bis rechts, zumal sein neuer Name jüdisch klingt.
- Recherchen von 20 Minuten zeigen, dass das Sozialamt des Kantons den Namenswechsel empfohlen hat.
Der Vorfall hat immerhin ein neues Bundesgesetz zur Folge: Osamah M. wechselte im Sommer 2021 seinen Namen und hat neu einen, der ausgesprochen jüdisch klingt. Jüdische Organisationen reagierten entsetzt, Politikerinnen und Politiker mit Unverständnis. Der Namenswechsel sei «stossend», sagt SP-Nationalrätin Martin Munz. Der Schaffhauser Ständerat Thomas Minder (parteilos) reichte eine Motion ein mit dem Ziel, das Zivilgesetzbuch dahingehend abzuändern, dass Personen mit Landesverweis den Namen nicht mehr ändern können.
Denn der 35-jährige Iraker Osamah, der wegen IS-Gehilfenschaft im Gefängnis gesessen hatte, müsste die Schweiz verlassen, die Bundespolizei (fedpol) hält ihn für gefährlich. Weil ihm im Irak unmenschliche Behandlung droht, bleibt er hier.
In so einem Fall brauche eine Person keinen neuen Namen, welcher der Wiedereingliederung in die Gesellschaft diene, schreibt Minder im Vorstoss. Im Gegenteil: Es sei ein Sicherheitsrisiko, wenn verurteilte Straftäter wie Osamah sich einen neuen Namen zulegen und sich so quasi eine weisse Weste beschaffen könnten. Das öffentliche Interesse an Sicherheit sowie Treu und Glauben im Geschäftsverkehr überwiege hier klar vor den individuellen Interessen des Betroffenen, schreibt Minder. Parlament und Bundesrat sind gleicher Meinung, das Gesetz wird geändert.
Sozialamt fand für Osamah keine Wohnung
Der Regierungsrat in Schaffhausen schweigt bis heute zu den Hintergründen des Namenswechsels. Recherchen von 20 Minuten zeigen nun, dass es die kantonale Verwaltung selber war, die sich für einen neuen Namen für Osamah eingesetzt hat. Demnach hat das Sozialamt, das sich um Osamah kümmert, den Namenswechsel in einem Brief empfohlen (siehe Box).
Der Grund: Das Sozialamt fand für Osamah keine Wohnung mehr, nachdem der Vermieter ihm gekündigt hatte, als er merkte, wer Osamah ist. Auch wegen seines Rollstuhls ist er als der verurteilte IS-Unterstützer von Schaffhausen identifizierbar – und damit bei der Wohnungssuche eingeschränkt. Ohne Wohnung hatte er Probleme mit der Postzustellung und der Verwaltung seines Kontos. Das erzählen Personen aus der Verwaltung, die mit dem Dossier vertraut sind.
Sie sagen im Gespräch mit 20 Minuten auch, dass der Anstoss zur Namensänderung nicht von Osamah selber, sondern vom Sozialamt gekommen sei. Dieses dementiert: Das stimme nicht, sagt Departementssekretär Christoph Aeschbacher auf Anfrage. «Der Anstoss kam vom Klienten.» Aeschbacher bestätigt aber, dass das Sozialamt die Namensänderung «grundsätzlich begrüsst» habe.
Das Amt für Justiz und Gemeinden wiederum habe den Antrag auf einen neuen Namen aufgrund der Rechtslage genehmigen müssen, sagt Regierungsrat Dino Tamagni (SVP). Es brauche achtenswerte Gründe, und die habe Osamah gehabt. «Der Betroffene hatte gemäss Mitteilung des Sozialamts Mühe, mit seinem alten Namen das Leben überhaupt zu bestreiten.» Man habe das Bundesamt für Justiz ausserdem korrekt informiert, betont Tamagni.
«Vermieter wurden getäuscht – das ist inakzeptabel»
Doch warum gewährte das Amt Osamah ausgerechnet einen jüdisch klingenden Namen? Osamah selber habe diesen vorgeschlagen, sagt Tamagni. Doch auch hier habe man sich an die Regeln gehalten: Der neue Name müsse verbreitet und es dürfe kein Fantasiename sein. «Thurn und Taxis» wäre beispielsweise nicht erlaubt, ebenso wenig «X AE A-12», wie der Sohn von Elon Musk heisst. Doch mit Verweis auf einen interpretierten oder tatsächlichen religiösen Hintergrund könne ein Namen nicht verwehrt werden, sagt Dino Tamagni.
Ständerat Hannes Germann (SVP) hat für das Vorgehen wenig Verständnis. «Bloss weil das Sozialamt keine Wohnung mehr für Osamah fand, musste man ihm keinen neuen Namen geben. Das Sozialamt hätte ihm eine staatliche Unterkunft zuweisen können. Mit dem Namenswechsel hingegen werden Vermieter und potenzielle Vermieter über die Identität des Mieters getäuscht. Das ist inakzeptabel.» Dass das Sozialamt selber den Namenswechsel empfohlen hat, erstaune ihn, sagt Germann. Mindestens hätten die kantonalen Ämter alle involvierten Behörden an einen Tisch holen und auch die jüdischen Interessenverbände anhören müssen.
NAMENSWECHSEL
Ämter tauschten sich aus
Bei der Namensänderung von Osamah M. waren zwei Ämter involviert. Zuständig für Namensänderungen ist das Amt für Justiz und Gemeinden unter der Leitung von Andreas Jenni. Es ist dem Volkswirtschaftsdirektor Dino Tamagni (SVP) unterstellt. Die Empfehlung zur Namensänderung kam jedoch vom Sozialamt unter der Leitung von Andi Kunz. Das Sozialamt gehört zum Departement des Innern von Regierungsrat Walter Vogelsanger (SP). Nachdem Osamah das Gesuch um Namensänderung gestellt und das Sozialamt sich in einem Empfehlungsschreiben dafür ausgesprochen hatte, verfügte das Amt für Justiz und Gemeinden per 31. August 2021 den neuen Namen.