Die SVP will den Benzinpreis senken – mit Abstrichen bei der Mehrwertsteuer. Nach anfänglicher Zustimmung dreht nun der Wind im Parlament. Der Fall wird womöglich die Gerichte beschäftigen.
Stefan Häne
Für die Autofahrer ist es eine gute Nachricht: Im September sind die Preise für einen Liter Bleifrei 95 auf breiter Front unter die Grenze von zwei Franken gefallen – zum ersten Mal seit Beginn des Ukraine-Kriegs im Februar. Noch im Sommer kostete der Liter rund 2,25 Rappen mehr, das waren 60 bis 70 Rappen mehr als in früheren Jahren. Im bisherigen Jahresverlauf sind es durchschnittlich 2.04 Franken, derzeit liegt der Preis bei 1.91 Franken. Auf eine weitere Senkung können die Autofahrer nicht hoffen – zumindest nicht auf eine Senkung, die das Parlament in Bern beschliessen könnte. Die Wirtschaftskommission des Ständerats lehnt eine parlamentarische Initiative von Nationalrat Franz Grüter (SVP) ab, die eine weitere Entlastung von rund 7 Rappen pro Liter bringen würde. Das hat sie am Montag mitgeteilt.
Grüter stört sich daran, dass die Mehrwertsteuer von 7,7 Prozent heute nicht nur auf den eigentlichen Treibstoff anfällt, sondern auf den gesamten Preis – also auf den Warenwert sowie zusätzlich auf alle Abgaben und Steuern, die der Bund auf Benzin und Diesel erhebt. Diese machen etwa die Hälfte des Gesamtpreises aus. Dass der Staat Steuern auf Steuern erhebt, ist für Grüter ein «Unding».
Er bedauere den Kommissionsentscheid sehr, sagt Grüter. Die Treibstoffpreise seien nach wie vor hoch. Das Parlament habe es selber in der Hand, zumindest eine kleine Entlastung im Energiebereich zu beschliessen. Noch im letzten März hatte der Nationalrat – kurz nach Kriegsausbruch und unter dem Eindruck explodierender Energiepreise – Grüters Vorstoss mit 105 zu 84 Stimmen gutgeheissen. Eine Allianz aus SVP, FDP und Mitte hatte sich gegen SP, Grüne und GLP durchgesetzt.
Nun aber, da die gröbsten Preisspitzen geglättet scheinen, wendet sich das Blatt. Davon zeugt, dass das Nein der Kommission mit 10 zu 1 Stimme bei einer Enthaltung überaus deutlich ausgefallen ist. Das Anliegen der Initiative sei «administrativ kaum umsetzbar», so die Kommission. Weiter befürchtet sie, dass bei einer Zustimmung weitere «Ausnahmebegehren» folgen würden, zum Beispiel bei der Tabaksteuer. Es sind dieselben Argumente, wie sie die Gegner im Nationalrat eingebracht hatten. Der Widerstand wurzelt nicht zuletzt in der Befürchtung, Steuereinnahmen in grossem Stil zu verlieren. Allein mit Grüters Vorstoss entgingen dem Staat mehr als 200 Millionen Franken pro Jahr.
Der SVP-Politiker gibt sich noch nicht geschlagen. Er hofft, dass der Ständerat den Entscheid der Kommission korrigieren wird. Bis zur Debatte in der kleinen Kammer werde er noch Gespräche mit gewichtigen Akteuren im Ständerat führen, sagt Grüter. Ob das den Umschwung bringen wird, ist aber fraglich. Dies umso mehr, weil die ständerätliche Wirtschaftskommission klar bürgerlich dominiert ist – und das Anliegen trotzdem in Bausch und Bogen verworfen hat. Ausschlaggebend waren dem Vernehmen nach die Vertreter von FDP und Mitte, die – anders als ihre Parteikollegen im Nationalrat – mit der Idee nichts anfangen konnten.
Nur ein schwacher Trost dürfte für Grüter sein, dass ihn seine Parteikollegen nicht im Stich gelassen haben. SVP-Vertreter Hannes Germann hat den Vorstoss gutgeheissen, Parteikollege und Kommissionspräsident Alex Kuprecht hat sich dem Vernehmen nach der Stimme enthalten. In der SVP ärgert man sich nun mächtig über die FDP und Die Mitte – diese hätten sich als nicht verlässliche Partner erwiesen.
Ganz anders ist die Gemütslage im linken Lager. Der Populismus der SVP verfange offensichtlich nicht, sagt Kilian Baumann (Grüne), der im Nationalrat noch vergeblich davor gewarnt hat, Grüters Initiative gutzuheissen. Fossile Treibstoffe zu verbilligen, führe einzig zu einem erhöhten CO₂-Ausstoss und befeuere damit die Klimakrise weiter, so Baumann. «Statt fossile Brennstoffe noch attraktiver zu machen, müssen diese endlich ersetzt werden.»
Wie bei der Billag?
Sollte der Ständerat Grüters Vorstoss ablehnen, ist das Thema fürs Erste vom Tisch, zumindest auf der politischen Schiene. Möglicherweise geht es danach auf juristischem Weg weiter. Franz Grüter verweist auf ein Urteil des Bundesgerichts. 2015 entschieden die Richter in Lausanne, die damalige Erhebungsstelle Billag (heute: Serafe) habe auf den Radio- und Fernsehgebühren während Jahren zu Unrecht eine Mehrwertsteuer von 2,5 Prozent verrechnet. Es handle sich nicht um ein mehrwertsteuerpflichtiges «Entgelt», sondern um eine «hoheitlich erhobene Abgabe», die grundsätzlich nicht mehrwertsteuerpflichtig sei. Am Ende erhielten alle Haushalte, welche die Radio- und Fernsehgebühren bezahlen, eine Gutschrift von 50 Franken.
Bei einem Nein des Ständerats, sagt Grüter, werde er die Option Rechtsweg prüfen.