Blick: Revidiertes Asylgesetz – Enteignungs-Paragraph sorgt für Aufruhr

Notfalls kann für Bundesasylzentren, hier der Standort Giffers FR, auch Land enteignet werden. (Archiv) (Keystone)
Notfalls kann für Bundesasylzentren, hier der Standort Giffers FR, auch Land enteignet werden. (Archiv) (Keystone)

BERN – Mit dem revidierten Asylgesetz sind Enteignungen von Privaten und Gemeinden möglich. Nun regt sich auch beim Schweizerischen Gemeindeverband der Widerstand.

Von Carmen Schirm

Notfalls kann für Bundesasylzentren, hier der Standort Giffers FR, auch Land enteignet werden. (Archiv) (Keystone)
Notfalls kann für Bundesasylzentren, hier der Standort Giffers FR, auch Land enteignet werden. (Archiv) (Keystone)

Vor rund zwei Wochen wurde das revidierte Asylgesetz verabschiedet. Gestern kündigte die SVP das Referendum dagegen an. Einer der Gründe dafür sei das Plangenehmigungsverfahren, hiess es. Dieses ermöglicht es dem Bund, ohne Zustimmung von Kantonen oder Gemeinden, Bundesasylzentren zu erstellen.

Zudem wird das Eidgenössische Justiz- und Polizei Departement (EJPD) ermächtigt, so steht es im Paragraph 95b, «nötigenfalls Enteignungen durchzuführen». Bereits 2014 stand dieser Paragraph in der Vorlage. Doch findet scheinbar erst jetzt Beachtung. Und geht für viele zu weit.

«Enteignungen von Privaten oder Gemeinden für den Bau von Asylzentren widersprechen dem Schweizerischen Rechtsverständnis», sagt SVP-Präsident Toni Brunner.  Er ist überzeugt: «Wenn Enteignungen neu im Gesetz festgehalten werden, wird man auch Enteignungen machen. Sonst müsste man es nicht ins Gesetz schreiben.»

Gemeindeverband reagiert

Auch beim Schweizerischen Gemeindeverband (SGV) regt sich Widerstand – obwohl dieser ursprünglich der Revision zugestimmt hatte. «Enteignungen sind für die Schweiz ein unverhältnismässiges Instrument», sagt Präsident Hannes Germann. «Bei allem Verständnis dafür, dass es rasche Verfahren und Lösungen geben muss». Zudem sei in der ursprünglichen Gesetzesversion von Enteignungen nicht die Rede gewesen, als der Verband zugestimmt hatte.

Die rechtliche Lage mit dem neuen Asylgesetz ist eindeutig. «Besteht ein nachgewiesenes öffentliches Interesse, darf der Staat als letztes Mittel enteignen», sagt Arnold Marti, Titularprofessor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Zürich. Bislang werde es vorwiegend beim Strassenbau-, Eisenbahnbau oder der Energieversorgung verwendet.

Doch auch im Falle eines Asylzentrums sei ein öffentliches Interesse gegeben. Er gibt aber auch zu bedenken:«Enteignungen sind politisch natürlich immer heikel. Es werde vorallem gegen die Bauprojekte rechtliche Widerstände geben, was zu erheblichen Verzögerungen führen könne.»

SEM will nicht von Enteignungen sprechen

Und wie steht man beim Staatssekretariat für Migration (SEM) dazu? Das Wort Enteignung nimmt man sicherheitshalber nicht in den Mund. «Wir evaluieren jeden Standort in Zusammenarbeit mit den Kantonen und Gemeinden», sagt Martin Reichlin, stellvertretender Chef Kommunikation.

«Es werden sowohl Optionen des Bundes diskutiert als auch Standorte, welche die Kantone oder Private vorschlagen. Wir nehmen die Anliegen der Gemeinden ernst und streben in jedem Fall den Abschluss einer gemeinsamen Vereinbarung mit Kanton und Gemeinden an».

Die Zeit drängt. Immerhin wurde für die rund 15 Bundesasylzentren, die geplant sind, erst sechs Standorte gefunden. Zwei in der Ostschweiz, zwei im Kanton Zürich, einer im Kanton Solothurn, einer in Freiburg. Weitere 9 Standorte will das SEM in den kommenden Monaten festlegen.

Mit den neuen Standorten, die 5000 Plätze bieten werden, sollen bis zu 29’000 Asylsuchende untergebracht werden können. Berechnungen, die bald obsolet werden könnten. Denn allein für 2015 rechnet das SEM mit 29’000 Asylgesuchen. Klar ist nur: Das letzte Wort um den Enteignungs-Artikel ist noch nicht gesprochen.