[die grüne] Ständerat will Moratoriums-Ausnahme für gentechnisch veränderte Organismen GVO

Der Ständerat will gentechnisch veränderte Organismen GVO von der Verlängerung des Gentech-Moratoriums bis Ende 2025 ausklammern. Der Entscheid fiel bei 21 zu 21 Stimmen mit dem Stichentscheid des Ständeratspräsidenten äusserst knapp. Das Geschäft geht nun zurück an den Nationalrat, der eine Ausnahme für die Genom-Editierung noch im September 2022 sehr klar abgelehnt hatte.

Der Ständerat will gentechnisch veränderte Organismen GVO von der Verlängerung des Gentech-Moratoriums bis Ende 2025 ausklammern. Damit wäre die sogenannte Gentech-Schere zum Beispiel an Getreide und Mais möglich. (Bild: «die grüne» / Jürg Vollmer)

Von Jürg Vollmer

Gentechnisch veränderte Organismen GVO, denen kein transgenes Erbmaterial eingefügt wurde, sollen von der Verlängerung des Gentech-Moratoriums bis Ende 2025 ausgenommen werden. Das beschloss der Ständerat äusserst knapp nach einem Unentschieden von 21 zu 21 Stimmen bei zwei Enthaltungen mit dem Stichentscheid von Ständeratspräsident Thomas Hefti (FDP/GL).

Das Gentech-Moratorium in der Landwirtschaft besteht seit 2005 nach dem Ja zur Volksinitiative «für Lebensmittel aus gentechnikfreier Landwirtschaft», damals stimmten 56 Prozent der Stimmbürger für ein solches Moratorium. Das Gentech-Moratorium wurde seither bereits drei Mal verlängert. Gentechnisch veränderte Organismen GVO dürfen in der Schweiz deshalb nur zu Forschungszwecken angebaut werden.

Das Gentech-Moratorium von 2005
Das sogenannte Gentech-Moratorium verlangt in Art. 197 Ziff. 2 der Bundesverfassung:
Die Schweizer Landwirtschaft bleibt für die Dauer von fünf Jahren [[ die jeweils vom Parlament um weitere Jahre verlängert werden können ]] gentechnikfrei. Insbesondere dürfen weder eingeführt noch in Verkehr gebracht werden:
– gentechnisch veränderte vermehrungsfähige Pflanzen, Pflanzenteile und Saatgut, welche für die landwirtschaftliche, gartenbauliche oder forstwirtschaftliche Anwendung in der Umwelt bestimmt sind;
– gentechnisch veränderte Tiere, welche für die Produktion von Lebensmitteln und anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen bestimmt sind.

Weil sich Nationalrat und Ständerat nicht einig sind, entsteht eine Moratoriums-Lücke
Der Ständerats-Entscheid fiel so knapp, wie es nur möglich ist: Schon die Wissenschaftskommission des Ständerats WBK-S entschied sich nur mit dem Stichentscheid von Kommissionspräsident Hannes Germann (SVP/SH) für die Ausnahme der Genom-Editierung durch die neuen CRISPR/Cas-Methoden im Gentech-Moratorium.
Das Geschäft geht nun zurück an den Nationalrat, der im September 2022 der vierten Verlängerung des Gentech-Moratoriums ohne (!) Ausnahmen mit 144 zu 27 Stimmen bei 19 Enthaltungen klar und deutlich zugestimmt hatte. Bei diesem klaren Resultat ist es eher unwahrscheinlich, dass sich die Nationalräte plötzlich anders besinnen und auf die Ausnahme der Genom-Editierung umschwenken.
Diese sogenannte Differenzbereinigung in den Räten wird erst in der Frühlingssession vom 27. Februar bis 17. März stattfinden. Weil das geltende Moratorium Ende 2022 ausläuft, entsteht also eine «Lücke». Diese wird von der Verwaltung pragmatisch überbrückt, indem einfach keine Versuchsprojekte bewilligt werden, solange das Gesetz nicht bereinigt ist.

Die Ständeräte sind sich zum Gentech-Moratorium nicht einig
Die sogenannte Genschere Crispr/Cas  – mit der Gene zum Beispiel in Getreide oder Mais gezielt eingefügt, entfernt oder ausgeschaltet werden können – sorgte im Ständerat für heisse Köpfe.
Auf der einen Seite verstanden vor allem Ständeräte der FDP und der Mitte nicht, dass mit dem Gentech-Moratorium eine mit dem Nobelpreis ausgezeichnete Technik wie die Genschere Crispr/Cas mit einem Verbot belegt werde. Die Abschaffung des Moratoriums nach zwei Jahrzehnten Denkverbot wäre ein wichtiges Signal an den Forschungsstandort Schweiz.
Auf der anderen Seite warnten Ständeräte vor allem der Grünen, SP und SVP davor, einen Schnellschuss zu fabrizieren und das sogenannte Erfolgsmodell der gentechfreien Schweiz aufs Spiel zu setzen. Zudem würden wichtige Daten aus Freisetzungs-Versuchen von gentechnisch veränderten Organismen fehlen und Patentfragen seien noch ungelöst.

Umweltministerin Sommaruga ist klar gegen eine Ausnahme für die Genschere CRISPR/Cas
Umweltministerin Simonetta Sommaruga stellte sich in der Diskussion klar gegen eine Ausnahme für die Genschere CRISPR/Cas. Unbeabsichtigte Folgen und Risiken der Methoden seien noch zu wenig bekannt.
Zudem habe das Parlament im zugehörigen nationalen Forschungsprogramm diese neuen Gentechnik-Verfahren nicht berücksichtigt. «Und jetzt wollen sie Ausnahmen ausgerechnet dort machen, wo am wenigsten Informationen vorhanden sind?», fragte Sommaruga.

Der Verein «Sorten für morgen» bereitet das Terrain für die Genschere CRISP/Cas
Ausserhalb des Parlaments verlieren Umweltministerin Simoneta Sommaruga und die Gegner von gentechnisch veränderten Organismen GVO aber immer mehr Terrain. So bezeichnet etwa der Ende 2021 gegründete Verein «Sorten für morgen» eine weitere Verlängerung des Moratoriums um vier Jahre als «keine Zukunftsstrategie».
Im Verein «Sorten für morgen» sind die relevanten Produzenten, der Handel und die Konsumenten vertreten:

  • Fenaco und Delley Samen (Vor- und nachgelagerte Branchen)
  • Coop, Migros und Denner (Detailhandel)
  • IP-Suisse (Label-Organisation)
  • Blueberry Schweiz, Schweizer Obstverband, Swisscofel, Schweizer Kartoffelproduzenten und  Verband Schweizer Gemüseproduzenten (Anbau-Organisationen)
  • Schweizerisches Konsumentenforum kf

Die im doppelten Sinne grossen Abwesenden sind beiden Dachorganisationen Bio Suisse und  der Schweizer Bauernverband SBV:

  • Der Schweizer Bauernverband SBV sieht derzeit von einer eigenen Mitgliedschaft ab, um seine Position unabhängig festzulegen.
  • Bio Suisse lehnt Gentech kategorisch ab.