
Eine Motion zur Stärkung der Hausarztmedizin hat im Parlament eine Mehrheit gefunden. Ob sie im Wortlaut umgesetzt wird, bleibt fraglich.
Claude Chatelain, 19. März 2025

Will der Ständerat tatsächlich das KVG anpassen, so dass künftig der Bundesrat den Einzelleistungstarif für Hausärztinnen und Hausärzte festlegt und nicht mehr die Tarifpartner? Man könnte es meinen. Am Mittwoch stimmte der Ständerat mit 35 zu 10 Stimmen einer entsprechenden Motion von SVP-Nationalrat Jacques Nicolet zu – so wie zuvor bereits der Nationalrat in der Sommersession 2024.
Problem: Hausarztmangel
Obschon beide Kammern dem Bundesrat einen entsprechenden Auftrag erteilten, wird es kaum so weit kommen. Die Räte nutzen Motionen oft als Mittel, um ihren Unmut kundzutun. Im vorliegenden Fall äussserten sie ihre Sorge um den permanenten Mangel an Ärztinnen und Ärzten in der Grundversorgung – insbesondere in ländlichen Regionen.
Für die Mehrheit der Kommission ist dabei die Aufwertung der Hausarztmedizin bei den Tarifen von zentraler Bedeutung. So sagte SVP-Ständerat Hannes Germann, die Kommission erachte die Hausarztmedizin und die medizinische Grundversorgung als Grundlage des Gesundheitssystems. «Hier braucht es Massnahmen, um diesen Ärztemangel zu beheben.» Warum eine Anpassung des KVG dabei die richtige Massnahme sein soll, sagte er nicht.
Falscher Weg
Für den Zuger Mitte-Ständerat Peter Hegglin ist eine Gesetzesänderung der falsche Weg. Er verwies auf den Titel der Motion: «KVG. Stärkung der Grundversorgung dank eines besseren Angebots an Hausärztinnen und Hausärzten». Mit dieser Zielsetzung seien auch die Minderheit und der Bundesrat einverstanden. Es mache aber keinen Sinn, mit einer gesetzlichen Sonderbehandlung einen Tarif nur für Hausärzte herauszubrechen. Es gäbe sicher auch andere Tarifpartner, die sich eine gesetzliche Sonderregelung wünschen würden.
Hegglin zitiert Oggier
Für Peter Hegglin gibt es aber noch weitere Argumente, die gegen eine Annahme der Motion sprechen. Er zitierte dabei mehr oder weniger wörtlich den Gesundheitsökonomen Willy Oggier, ohne ihn namentlich zu nennen: Zu lesen waren die genannten Argumente am Montag auf Medinside. Mit der deutlichen Zustimmung zur Motion wollten die Ständeräte nicht nur ihren Unmut kundtun – sie wollen auch die Tarifpartner unter Druck setzen. Fraglich ist, ob der Zeitpunkt dazu der richtige ist. Peter Hegglin verwies auf den neuen ambulanten Arzttarif Tardoc sowie auf die geplanten ambulanten Pauschalen, die eine bessere Vergütung der ärztlichen Grundversorgung vorsehen.
Prio.Swiss: neuer Kurs
Als Jacques Nicolet seine Motion im Dezember 2012 einreichte, leisteten sich zwei Krankenkassenverbände peinliche Streitereien, was Tarifverhandlungen erschwerten. Doch seit Anfang Jahr ziehen die Krankenversicherer mit dem neuen Verband Prio.Swiss an einem Strang. Dass sich ein neuer Kurs abzeichnet, bewies der neue Verband noch vor seinem offiziellen Start: Bereits am 20. Dezember 2024 verkündete er, mit der FMH «im konstruktiven Dialog eine pragmatische Lösung zur Anwendung der Notfall- und Inkonvenienzpauschalen erzielt zu haben.» Damit sind wir bei der Motion von Mauro Poggia: «Notfallpauschalen beibehalten zur Rettung des Netzes an ambulanten Angeboten für medizinische Notfällen». Sie war am gestrigen Mittwoch im Ständerat traktandiert. Doch Poggia, der frühere Genfer Staatsrat, zog die Motion zurück. Das Problem hat sich erledigt.