Das gibt zu reden
Dominik Feusi
Die ausserordentliche Session hat mit einem Paukenschlag geendet. Der Nationalrat hat die Garantien für die Nationalbank und die UBS abgelehnt. Weder die SVP noch die SP haben bekommen, was sie sich von Bundesrätin Karin Keller-Sutter erhofft haben. Die einen wollten ein Verbot von systemrelevanten Banken. Die anderen mehr als nur die Prüfung von Boni-Verbot und Eigenkapitalvorschriften, die über die internationale Regulierung hinaus geht. Beide Seiten wollen, dass eine solche Rettung «nie wieder» nötig wird. Das Ziel ist ehrenwert, doch es ist in der realexistierenden Papiergeldwirtschaft nicht zu erreichen. Die «Gesellschaft auf Kredit» (Martin Rhonheimer) ist der Ursprung der Krisenanfälligkeit. Es bleibt die Einsicht des Schaffhauser SVP-Ständerates Hannes Germann (Quelle):
«Wir haben einfach das Klumpenrisiko noch verstärkt, indem wir aus zwei Klumpen einen gemacht und erst noch die lahmende oder angeschlagene Bank an die gut laufende Bank gepappt haben.»
Was die Ablehnung genau bedeutet, ist weiterhin offen. Der Bund ist (und bleibt) bei der Meinung, dass es keine Auswirkung auf den Deal habe. Staatsrechtler Andreas Kley sieht das anders. Mit einigem Recht, wie ein Blick in die Materialien zum «Bundesgesetz über die Wahrung von Demokratie, Rechtsstaat und Handlungsfähigkeit in ausserordentlichen Lagen» nahelegt. Im Bericht der Kommission zum Gesetz steht nämlich, dass der Sinn der nachträglichen Genehmigung darin bestehe, dass «vorläufig freigegebene, aber noch nicht ausgeführte Zahlungen gegebenenfalls noch gestoppt werden können.» So werde das Parlament nicht mehr vor ein «fait accompli» gestellt (S. 1579). Der Einwand kommt jedoch reichlich spät. Trotzdem: Nach der Anwendung von Notrecht steht nun eine Debatte über dessen Umsetzung ins Haus, welche dem Bundesrat (und der UBS) nicht gefallen kann.
Das Parlament nimmt wieder die übliche Kommissionsarbeit auf. Die Sozial- und Gesundheitskommission des Ständerates beugt sich zum zweiten Mal über einen indirekten Gegenvorschlag zur Prämienentlastungsinitiative der SP. In der Wintersession trat der Ständerat gar nicht auf die Vorlage ein, weil sieben Ständeräte der Mitte gegen den Deal ihres Präsidenten mit der SP stimmten. Die «NZZ» erklärte Daniel Fässler (Appenzell Innerrhoden), Andrea Gmür (Luzern), Peter Hegglin (Zug), Othmar Reichmuth (Schwyz), Beat Rieder (Wallis), Benedikt Würth (St. Gallen) und Heidi Z’Graggen (Uri) sogleich zum «Sonderbund» innerhalb der Partei. Es ist gut möglich, dass der Ständerat hart bleibt, denn die Kosten des Gegenvorschlages – 1,3 Milliarden bei der Bundeskasse, 900 Millionen bei den Kantonen pro Jahr – sind nicht kleiner geworden.
Was nächste Woche aktuell wird
Auch die Aussenpolitische Kommission des Nationalrates trifft sich am Montag wieder. Nachdem der Bundesrat trotz Fehlen von echten Zugeständnissen beschlossen hat, «Eckwerte» für ein neues Verhandlungsmandat mit der Europäischen Union auszuarbeiten, wird sich der (dominierende) europhile Teil der Kommission überlegen, wie sie darauf Einfluss nehmen kann. Gleichzeitig wird eine Parlamentarische Initiative von SP-Nationalrat Eric Nussbaumer besprochen, um den Einfluss des Parlamentes auf die EU-Politik zu vergrössern. Der Hintergrund: Nussbaumer ist Präsident der Europäischen Bewegung Schweiz und verzweifelt fast daran, dass der Bundesrat die Teilnahme der Schweiz an Programmen der EU jeweils in seine Legislaturziele schreibt, dann aber wenig bis nichts geschieht. Ansonsten bespricht die Kommission sieben (sic!) Berichte von Delegationen bei interparlamen-tarischen Treffen – die Delegationen sind im Bundeshaus auch als «Reisegruppen» bekannt – und äusserst beliebt. Für die Gespräche im Ausland gibt es das übliche Taggeld. Die Verkehrskommission des Nationalrates nimmt sich nach den Anhörungen nun endgültig dem Ausbau der Nationalstrassen und den Agglomerationsprogrammen an. Von Links gibt es beim Ausbau der Strasseninfastruktur Rückweisungsanträge inklusive Drohung mit direktdemokratischen Mitteln. Die vom Bundesrat zur Besänftigung versuchte indirekte Verknüpfung der 1,6 Milliarden in den Agglomerationsprogrammen (für den öffentlichen Verkehr, die Fussgänger und Velofahrer) mit dem Ausbau bei den Nationalstrassen scheitert bis jetzt an der Ideologie von links-grün in der Verkehrspolitik. Das Geld für die Agglomerationspogramme nimmt man gern, aber am Nein zum Ausbau der Nationalstrassen ändert das nichts. Die Staatspolitische Kommission des Nationalrates debattiert das Stimm- und Wahlrecht für 16jährige. Der Nationalrat hat dem Anliegen 2020 zugestimmt und einen Antrag, das Geschäft nach drei Jahren Arbeit abzuschreiben, im März abgelehnt. Damit ist der Weg frei für eine Vernehmlassung. Angesichts der Ablehnung in verschiedenen kantonalen Abstimmungen dürfte es das Anliegen schwer haben – auch wenn sich nur eine Minderheit des Parlamentes in einem Wahljahr getraut, auf Umsetzungsprobleme (Mündigkeit, Steuerpflicht, etc.) hinzuweisen.
Zu achten ist auf:
- Bundesrätin Karin Keller-Sutter: Auch nächste Woche steht die Finanzministerin unter Beobachtung. Geht sie auf die Ablehnung der Nachtragskredite ein oder bleibt sie beim Standpunkt des Bundesrates, dass der Entscheid des Nationalrates keine Folgen habe?
- Die Aussenpolitiker: Die Mehrheit der Mitglieder des Aussenpolitischen Kommission des Nationalrates werden sich weiter für ein Einlenken der Schweiz in der EU-Politik einsetzen. Was sind ihre nächsten Schritte?
- Die Mitte-Ständeräte in der Gesundheitskommission: Stehen Sie hinter Parteipräsident Gerhard Pfister oder hinter gesunden Bundesfinanzen?
Was sonst noch läuft
Nach den Osterferien geht es der Bundesrat gemäss heutigem Stand eher gemächlich an. Die Wirtschaftskommission des Ständerates wird die Standortförderung 2024-2027 vorberaten. Das Budget von knapp 650 Millionen Franken dürfte unbestritten sein. Weniger weil klar wäre, was damit tatsächlich bewirkt wird, sondern eher, weil die Standortförderung schon seit es sie gibt, beliebte Spielwiese für Interessen von Parlamentariern darstellt. So ist es auch jetzt: Die Bürgerlichen bekommen vom Bundesrat die Zusicherung, man werde die Rahmenbedingungen für das Gewerbe verbessern, links-grün freut sich auf die Verankerung der Nachhaltigkeit in das Programm. Die Wissenschaftskommission des Nationalrates wird sich mit dem Gendern an Hochschulen und Forschungseinrichtungen des Bundes befassen. Ein Vorstoss von Therese Schläpfer (SVP, ZH) will das verbieten.