Neue Zürcher Zeitung: Das Parlament neben der Rolle

Steuerstreit Schweiz – USA

Welche Rolle soll das Parlament in der Aussenpolitik spielen? Die Frage ist schon im Lehrbuch einigermassen kompliziert. In der Praxis stellt sie zurzeit auch langjährige Kenner der Materie auf die Probe. Hannes Germann, Präsident der Aussenpolitischen Kommission (APK) des Ständerats, spricht im Zusammenhang mit dem dringlichen Bundesgesetz zum US-Steuerstreit von einer «absoluten Premiere».

Nicht nur, dass die Parlamentarier über den Inhalt des amerikanischen «Programms» und über die gescheiterte Vereinbarung mit den US-Behörden im Ungewissen gelassen würden. Er sei im Steuerstreit mit den USA bisher noch nie konsultiert oder über den Stand der Verhandlungen informiert worden, sagt der SVP-Politiker. Während der Geiselaffäre in Libyen hingegen seien die APK-Präsidenten regelmässig streng vertraulich über die Aktivitäten der Diplomatie ins Bild gesetzt worden. So im Dunkeln getappt wie bei diesem Steuerstreit sei er nicht einmal bei militärischen oder nachrichtendienstlichen Geschäften, über die er als Parlamentarier entschieden habe, sagt Germann.

Die Debatte über die Rolle des Parlaments in der Aussenpolitik geht bis ins 19. Jahrhundert zurück. Dabei beklagte sich in der Regel die Legislative über mangelnde Mitwirkungsmöglichkeiten, während die Exekutive ihre Autonomie zu behaupten versuchte. Voraussichtlich am Montag behandelt der Nationalrat eine parlamentarische Initiative, die den Entscheid über eine Einsitznahme im Uno-Sicherheitsrat dem Parlament bzw. dem Volk übertragen möchte. Der Rat wird den Konflikt vermutlich lösen, indem er vom Bundesrat einen weiteren Bericht bestellt und damit seine Konsultationsrechte bekräftigt.

Niemand bestreitet, dass eine Kandidatur für den Uno-Sicherheitsrat nach geltendem Recht in der Kompetenz des Bundesrats liegt. Beim Steuerstreit mit den USA liegt die Kompetenzvermutung beim Parlament. Für völkerrechtliche Verträge «mit wichtigen rechtsetzenden Bestimmungen» ist das fakultative Referendum vorgesehen, inklusive der innerstaatlichen Umsetzung im Gesetz. Im Steuerstreit sind nun sowohl der Staatsvertrag wie auch die Referendumsmöglichkeit für die innerstaatliche Umsetzung weggefallen.

Es handelt sich so gesehen nicht mehr um Aussenpolitik und nicht um normale Gesetzgebung, sondern um die Frage, welche staatliche Gewalt in den sauren Apfel beisst. Für den Bundesrat spricht, dass er die Details der Affäre besser kennt. Für das Parlament spricht, dass Notrecht vermieden werden kann, und sei es nur zum Schein.