NZZ: Hauseigentümer stellen heilige Kuh in Frage

Flexibilisierung statt Verbote: Auf diesen Nenner lassen sich die Perspektiven zur Raumplanung bringen, die der Hauseigentümerverband der Schweiz (HEV) am Dienstag vorgestellt hat. Brisantester Vorschlag ist die Abschaffung des bäuerlichen Bodenrechts und seines Preisschutzes, wodurch dem Strukturwandel auf dem Land entsprochen werden soll.

Positionsbezüge zur Raumplanung in der Schweiz haben Konjunktur. Anlass dafür bietet zweierlei: zum einen die jüngst lancierte Landschaftsinitiative, die mehr Kompetenzen für den Bund und ein Bauzonen-Moratorium fordert. Zum anderen die Diskussion darüber, wie die vom Bundesrat beabsichtigte Aufhebung der Lex Koller abgefedert werden könnte, jenes Erlasses, der den Verkauf von Grundeigentum an Ausländer beschränkt.

Grundlegende Trennung beibehalten Am Dienstag hat der Hauseigentümerverband der Schweiz (HEV) einen ganzen Wagen mit Vorschlägen über die künftige Nutzung des knappen Bodens auf dem politischen Marktplatz parkiert. HEV-Präsident und FDP-Nationalrat Rudolf Steiner betonte dabei den grundsätzlichen Charakter des von einer Expertengruppe unter HEV-Vizepräsidentin Elisabeth Simonius ausgearbeiteten Papiers «Lebensraum Schweiz – vom Stöckli zum Stadtloft». Dieses soll bewusst über die gegenwärtig diskutierten raumplanerischen Fragen hinausweisen. – Indessen wiederholt der HEV in dem Grundsatzpapier nicht nur seine Position zur Abschaffung der Lex Koller; er wendet sich dabei gegen einen Zwang, diese mittels flankierender Massnahmen abzufedern. Auch lassen sich seine Vorschläge durchaus als Gegenposition zu den Lösungsansätzen gegen die grassierende Zersiedelung lesen, die in der von Umweltorganisationen sowie Politikern der Linken und der Mitte lancierten Landschaftsinitiative ihren Niederschlag finden. Der im Volksbegehren verlangten Verschiebung von Kompetenzen zum Bund hält die Lobby der Hauseigentümer die freiwillige Kooperation und Koordination von Kantonen und Gemeinden entgegen. Und statt auf die befristete Plafonierung setzt sie auf die Flexibilisierung innerhalb der Bauzonen. Damit liegt der HEV auf einer Linie mit der von Wirtschaftsverbänden getragenen Schweizerischen Kommission für Immobilien (SKI), die vor gut zwei Monaten ähnliche Postulate erhoben hatte. Wie die SKI redet auch der HEV einer (möglichst freiwillig zu erfolgenden) Harmonisierung des Baurechts, verdichtetem Bauen und entsprechend auch Zonenordnungen das Wort, die eine möglichst weit reichende Ausnützung des Bodens gestatten.

An der grundlegenden raumplanerischen Trennung von Baugebiet und Nichtbaugebiet will der Hauseigentümerverband nicht rütteln. Allerdings möchte er mit der Schaffung von sechs verschiedenen Zonentypen für die nicht bebauten Flächen den mannigfaltigen Ansprüchen an das unbebaute Land besser gerecht werden. Neben effektiv ausschliesslich der landwirtschaftlichen Nutzung vorbehaltenen Agrarzonen schlägt er spezifische Schutzzonen, Abbauzonen, Waldzonen, Infrastrukturzonen sowie Erholungszonen vor, wobei sich je nach Nutzung auf einem bestimmten Territorium mehrere dieser vorgegebenen Funktionen überschneiden könnten. Ein Terrain, auf dem im Winter Ski gefahren und im Sommer Gras gemäht wird, figurierte demnach sowohl als Erholungs- wie auch als Agrarzone. Brisant an diesem Vorschlag ist, dass er einen Verzicht auf das heute geltende, mit einem Preisschutz verbundene bäuerliche Bodenrecht mit sich brächte, durch das die Umnutzung von Landwirtschaftsland und -bauten praktisch verunmöglicht wird.

Politisch noch in weiter Ferne
HEV-Präsident Steiner betonte am Dienstag, dass damit keineswegs einer fortschreitenden Umwidmung von Landwirtschaftsland in Bauland Vorschub geleistet werden soll – einem solchen planerischen Umbau der Landschaft stünden nur schon die Hürden im Weg, die im Verlaufe von Umzonungen zu überwinden seien. Die «Normalisierung» des Umgangs mit den nicht bebauten Flächen dürfe daher nicht als Angriff auf den Bauernstand interpretiert werden. Vielmehr wolle der HEV damit der absehbaren weiteren Reduktion der Anzahl Bauernbetriebe Rechnung tragen und entsprechend neue, nicht direkt mit der Landwirtschaft zusammenhängende Nutzungen beispielsweise der Bauernhäuser und ihrer Annexbauten ermöglichen. Der Verband sei sich bewusst, dass er damit eine heilige Kuh in Frage stelle, die vorläufig politisch noch gut geschützt sei, sagte sinngemäss der Schaffhauser SVP-Ständerat Hannes Germann, der zu den Mitautoren des HEV-Grundsatzpapiers gehört. Erst in der Sommersession hatte sich der Nationalrat gegen eine Aufweichung des bäuerlichen Bodenrechts ausgesprochen.

P. S. Bern, 7. August