Schaffhauser Bock: Wirtschaftsimpulse Schaffhausen ’07

Hochkarätige Referenten sorgten am vergangenen Freitag im Stadttheater für einen spannenden Diskurs zum Thema „Wirtschaftsbeziehungen Schweiz-Europa unter Druck“.

von Claudia Rudischhauser

Am Wirtschaftsforum in Schaffhausen: Raphael Rohner (Grossstadtrat), Madeleine Hartmann (Geschäftsstellenleiterin Industrie-Vereinigung SH), Jeanette Storrer (Kantonsrätin) und Ständerat Hannes Germann.  (Aufnahme: U. Litmanowitsch)
Am Wirtschaftsforum in Schaffhausen: Raphael Rohner (Grossstadtrat), Madeleine Hartmann (Geschäftsstellenleiterin Industrie-Vereinigung SH), Jeanette Storrer (Kantonsrätin) und Ständerat Hannes Germann. (Aufnahme: U. Litmanowitsch)

Eigentlich sei der Titel der Veranstaltung nicht ganz korrekt, stellte Thomas Holenstein, Delegierter für Wirtschaftsförderung im Kanton Schaffhausen, zu Beginn der Veranstaltung fest. Referent Hans Eichel, ehemaliger Finanzminister der Bundesrepublik Deutschland und heute Bundestagsabgeordneter, habe ihn vor der Veranstaltung gefragt, ob denn die Schweiz nicht zu Europa gehöre. «Natürlich tut sie das. Und deshalb müsste die Veranstaltung eigentlich ‹Wirtschaftsbeziehungen Schweiz-EU unter Druck› heissen», so Holenstein. Dass am Veranstaltungstag neben anderen eine EU-Fahne beim Stadttheater hängen soll, war hingegen schon lange beschlossene Sache. Nur fand sich in ganz Schaffhausen keine solche und so wurde speziell eine angeschafft.

Regierungspräsident Erhard Meister begrüsste die rund 600 Teilnehmenden – von denen auch zahlreiche aus dem süddeutschen Raum angereist waren – und lobte die freundschaftliche Beziehung zum Nachbarland. Gute Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Schweiz und Deutschland seien insbesondere für die Region Schaffhausen von grosser Bedeutung. Er erwarte deshalb, dass Spannungen abgebaut und die jeweiligen Stärken unterstützt und nicht behindert würden, so Meister.

Anforderungen der Wirtschaft «Die Schweizer Wirtschaft erwartet, dass die Politik attraktive Rahmenbedingungen in Bezug auf Verkehrsnetz, Arbeitsmarkt, Steuern und Finanzplatz schafft», stellte Thomas Holenstein fest. Diese Bereiche betreffen allerdings nicht nur den Binnenmarkt. Sie sind auch Reibungspunkte, die das Verhältnis zu den angrenzenden Nachbarstaaten immer wieder trüben. Etwas provokativ wollte Holenstein von den Referenten denn auch wissen, wieso der Zürcher Flughafen gegenüber den deutschen Flughäfen ungleich behandelt werde. Warum es zu so langen Wartezeiten an der Grenze komme und weshalb die EU die über 50 Jahre alte Steuerpraxis der Schweiz angreife.

Verkehr gemeinsam diskutieren «Die Schweiz liegt im Herzen Europas und das hat Konsequenzen, beispielsweise für die Verkehrspolitik», stellte Karel van Miert, ehemaliger EU-Kommissar für Wettbewerbs- und Verkehrsfragen, fest. Dieser Tatsache könne man sich nicht verschliessen: «Die Schweiz und die EU müssen deshalb aufeinander zugehen und Fragen wie den Alpenverkehr gemeinsam diskutieren und lösen», ist van Miert überzeugt. Über den Verkehr in der Luft referierte Josef Felder, CEO Unique Airport. «Die Bewegungen im Luftverkehr sind der Spiegel der Weltwirtschaft», erklärte er. Die Zentren der Luftfahrt liegen heute in Europa, Nordamerika und Asien. Felder: „Die Frage ist, wie diese Regionen und die aufstrebenden Golfstaaten in Zukunft den Weltwirtschaftskuchen unter sich aufteilen. Obwohl im Zuge der Globalisierung und durch die bilateralen Verträge die nationalen Grenzen an Bedeutung verloren haben, ist der Flughafen Zürich mit regionalen Spannungsfeldern konfrontiert, die im Überflugsverbot von Deutschland gipfelten.» Dabei kämen acht Prozent der Fluggäste aus dem süddeutschen Raum und ein leistungsfähiger Flughafen in der Nähe sei für ein gesundes Wirtschaftswachstum – auch von Baden Würtemberg – essentiell. «Die Luftfahrt ist kein Selbstzweck», betonte Felder. «Globales Denken ist gefragt. Asien und die Golfstaaten werden sich nicht durch Schrebergartendenken unsererseits aufhalten lassen.»

Stephan Kuhn, Steuerexperte bei Ernst&Young, legte dar, welche Schweizer Steuerprivilegien von der EU kritisiert werden. Die EU beruft sich in ihrer Kritik auf das Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und der EG aus dem Jahre 1972 und wirft der Schweiz vor, die Privilegien für gemischte Gesellschaften, Holding- und Verwaltungsgesellschaften würden den Wettbewerb im Warenverkehr mit der EU verfälschen. Laut Kuhn dürfen die Privilegien jedoch nur dann in Anspruch genommen werden, wenn sie keinen Einfluss auf den Warenverkehr haben. Die Schweiz halte sich also nach wie vor an das Freihandelsabkommen und es finde keine Wettbewerbsverzerrung statt, so sein Fazit. «Wettbewerb in Bezug auf Steuersätze in Europa wird es immer geben», räumte Hans Eichel ein. «Aber wir brauchen harmonisierte steuerliche Regelungen. Null-Steuersätze sind unfair. Sie ziehen dem einen das Steuersubstrat weg, ohne dass jemand etwas gewinnt», ist er überzeugt. Seiner Meinung nach erfüllt die Schweiz die OECD-Regel nach Informationsaustausch nicht. Eichel wünscht sich, dass die Schweiz und die EU in Systemfragen künftig näher zusammenrücken und sich absprechen. Ausserdem würde es Eichel gerne sehen, wenn die Schweiz volles EU-Mitglied würde. Eichel: «Ein Beitritt der Schweiz würde die Beziehungen intensivieren sowie von störenden Elementen befreien und die Schweiz wäre meiner Meinung nach immer noch ein interessanter Bankenplatz.»

Ein sauberer Finanzplatz Ganz anders sieht das Bundesrätin Doris Leuthard: «Für uns ist der bilaterale Weg gut. Die Schweiz hält sich an ihre Abkommen und verletzt dasjenige von 1972 nicht. Und wenn ein Deutscher in der Schweiz Geld anlegt, geht das Deutschland nichts an. Daran werden wir festhalten, ob es Deutschland passt oder nicht“, betonte sie. Es sei das ureigenste Interesse der Schweiz, ein sicherer, sauberer Finanzplatz zu bleiben. Als Beispiel führte Leuthard an, dass die Schweiz bislang als einziges Land Gelder von Potentaten zurückführe. Leuthard wünscht sich, dass man mit der Schweiz wie mit einem guten Partner umgeht und führte aus, dass Schweizer Unternehmen in jüngster Zeit rund 200 Milliarden Schweizer Franken im EU-Raum investiert haben und damit 850’000 Arbeitsplätze geschaffen haben. Abschliessend sagte Leuthard, dass die Schweiz nicht mehr und nicht weniger unter Druck stehe als andere auch. Die Schweiz werde alles daran setzen, auch weiterhin im globalen Wettbewerb an der Spitze mitzuhalten. Und sie forderte Brüssel auf, sich nicht gegen die Schweiz, sondern mit ihr im globalen Wettstreit zu behaupten. Aus Termingründen konnte Doris Leuthard bei der anschliessenden Podiumsdiskussion, die der Chefredaktor des Tages Anzeiger Peter Hartmeier leitete, nicht dabei sein. Zahlreiche Teilnehmer hätten sie sicher gerne in der Diskussion erlebt, nachdem sie ihre Meinung in ihrem Referat so dezidiert vertreten hatte. Economiesuisse-Präsident Gerold Bührer nahm an ihrer Stelle teil. Hans Eichel stellte in der Diskussion klar, dass Steuerhinterziehung von der EU nicht weiter hingenommen werde. Ob die Steuerpraxis der Schweiz noch unter gute Nachbarschaft laufe, sei die Frage, sagte er weiter. Josef Felder vertrat die Ansicht, dass Personen, die in die Schweiz kommen, dies auf Grund des guten Namens der Schweiz als Finanzplatz tun. «Wie sollen wir überleben, wenn wir uns in diesem Bereich nicht mehr abheben? Dass wir einen Selbsterhaltungstrieb haben, muss auch die EU akzeptieren.» In 30 Jahren habe sich viel verändert, fand Karel van Miert. Die Schweiz könne sich nicht weiterhin hinter dem Freihandelsabkommen verstecken. Für Stephan Kuhn ist klar, dass man in der Schweiz nicht einen Ausländer für etwas bestrafen kann, für das ein Schweizer nicht zur Rechenschaft gezogen wird. Bezüglich der abschliessenden Frage von Peter Hartmeier, was eine Wirtschaft im globalen Wettbewerb auszeichne, waren dann aber alle mit Gerold Bührer einer Meinung: «Technologieführerschaft und damit die Bildung werden auch künftig von zentraler Bedeutung sein.»