Einen Rückblick auf 150 Jahre politische Berichterstattung und eine Stellungnahme lieferte SN-Redaktor Karl Hotz auf Einladung der Neuen Helvetischen Gesellschaft. Fazit: Vieles hat sich geändert, die Grundsätze sind geblieben.
von Robin Blanck
«Wie ist es um die Demokratie in der Schweiz bestellt?», fragte Raphaël Rohner, Präsident der Neuen Helvetischen Gesellschaft Schaffhausen (NHG), gestern zum Auftakt in die 40-köpfige Runde, die sich im Zunftsaal an der Vordergasse 58 eingefunden hatte. Zumindest im Kanton Schaffhausen – das eine der Erkenntnisse des Abends – lebt und funktioniert die Demokratie, die «ohne umfassende Unterrichtung des Bürgers durch die Medien nicht möglich ist», wie Norbert Neininger, Chefredaktor und Verleger der SN, in seiner Begrüssung erklärte. SN-Redaktor Karl Hotz berichtete anschliessend während rund einer, sehr kurzweiligen Stunde aus seiner umfassenden Recherchearbeit: Er hat untersucht, wie 110 nationale Abstimmungen ihren Niederschlag in den SN gefunden haben und vor allem wie sich die Redaktion dazu äusserte.
Grundsätze haben Bestand
Zum Einstieg berichtete Hotz von der ersten Abstimmung von 1866, als die Stimmberechtigten sich zu nicht weniger als neun Vorlagen äussern mussten – «heute würde man von Überforderung des Bürgers sprechen, damals gab es das offenbar noch nicht», schlug Hotz den Bogen zur Gegenwart, wie er es im Rahmen seiner Ausführungen immer wieder tat. 1866 empfahl also der erste SN-Redaktor Johann Uehlinger, alle Vorlagen abzulehnen – dies nicht aus inhaltlichen, sondern aus prinzipiellen Gründen: «Keine Revision der Bundesverfassung ohne Erweiterung der Volksrechte», zitierte Hotz aus dem damaligen Kommentar und ergänzte, «eine Betonung der Volksrechte, auf die sich die SN bei Abstimmungen in der Vergangenheit und heute noch in ähnlicher Weise berufen».
Das Volk hat gesprochen
Daneben erfuhren die Zuhörer aber auch, wie aufgrund des Schaffhauser Ständerats Hermann Freuler – später Redaktor bei den SN – im Jahr 1879 die Möglichkeit zur Wiedereinführung der Todesstrafe geschaffen wurde. Trotz ablehnender Haltung der SN stimmten die Schaffhauser zu. Der Volksentscheid wurde am Tag nach der Abstimmung nicht weiter kommentiert, erst einige Tage später wurde erklärt, das Volk habe nun gesprochen, damit sei die Sache erledigt. Hotz: «Auch das würden meine Redaktionskollegen heute noch so schreiben.»
Stildiskussion nicht neu
Aufschlussreich für die auch heute wieder aktuelle Stildiskussion in der Politik waren auch die Zitate aus früheren Stellungnahmen und Leser- briefen: Der Ton in der Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner war damals noch deutlich härter als heute. Aber Hotz ist bei seiner Untersuchung auch auf Unterschiede in der SN-Haltung gestossen: Während sich die SN im 19. Jahrhundert auch für mehr Bundeskompetenzen einsetzten, habe sich das inzwischen «um 180 Grad gedreht».
Kampf um Rheinau
Interessant auch: Schaffhauser Politik-Urgestein Gerold Meier – selber am Dienstag im Saal anwesend – tauchte erstmals 1948 in den SN auf, eine wichtigere Rolle spielte er aber im Zusammenhang mit der Abstimmung zum Kraftwerk Rheinau sechs Jahre später. Anfang der 50er-Jahre sollte mit dem Höherstau mehr Strom produziert werden, was Widerstand auf den Plan rief. Es war gemäss Hotz das erste Mal, dass sich gegen ein technisches Vorhaben naturschützerischer Widerstand formierte. 1951 machte SN-Redaktor Kurt Bächtold in einem Artikel auf das Problem aufmerksam, in der Folge lieferten sich Gegner und Befürworter einen Kampf, und es kam auch zu Volksversammlungen mit bis zu 15 000 Teilnehmern – was den SN ein Foto auf der Frontseite wert war. Ebenfalls deutlich wurde beim Referat von Hotz, dass es die Auseinandersetzung in den Leserbriefspalten, die Debatte um die Gültigkeit einer Initiative, heftige Diskussionen um Schulvorlagen und Forderungen von Gerold Meier, die Regierung nicht wiederzuwählen, schon vor Jahrzehnten gab. Rege genutzt wurde zum Schluss die Gelegenheit, dem Referenten Fragen zu stellen, bevor man zum Apéro überging.