Eigentlich hat der Abstimmungskampf um die AHV-Reform schon längst begonnen. Im September letzten Jahres zogen nach Angaben der Gewerkschaft Unia 15’000 Menschen durch Bern. Ihre Botschaft: «Hände weg von unseren Renten.» Gegen die «Abbauvorlage» gingen Frauen und feministische Kreise auch am 14. Juni, zum Frauenstreik, auf die Strasse. «Frauenrenten, die zum Leben reichen», forderten sie. Das Rentenalter solle nicht erhöht werden. Das Gegenteil hatte das Parlament aber beschlossen, weshalb am Montag nun Bundesrat Alain Berset die Argumente für die Vorlage präsentierte.
Reto Zanettin
Eigentlich hat der Abstimmungskampf um die AHV-Reform schon längst begonnen. Im September letzten Jahres zogen nach Angaben der Gewerkschaft Unia 15’000 Menschen durch Bern. Ihre Botschaft: «Hände weg von unseren Renten.» Gegen die «Abbauvorlage» gingen Frauen und feministische Kreise auch am 14. Juni, zum Frauenstreik, auf die Strasse. «Frauenrenten, die zum Leben reichen», forderten sie. Das Rentenalter solle nicht erhöht werden. Das Gegenteil hatte das Parlament aber beschlossen, weshalb am Montag nun Bundesrat Alain Berset die Argumente für die Vorlage präsentierte.
Sie besteht aus zwei Teilen: einer Änderung des AHV-Gesetzes und einer Mehrwertsteuererhöhung. Abgestimmt wird am 25. September.
Anlass ist die sich abzeichnende Schieflage der ersten Säule. In diese zahlen die Verdienenden und Arbeitgeber die Renten der schon Pensionierten ein. Die Rechnung geht je länger desto weniger auf, die Renten seien nicht mehr gesichert, erklärt der Bundesrat. Denn: «Die Zahl der Pensionierten, die AHV beziehen, nimmt schneller zu als die Zahl der Erwerbstätigen, die in die AHV einzahlen.» Zudem müssten mit der steigenden Lebenserwartung die Renten immer länger ausbezahlt werden. In den nächsten 10 Jahren benötige die AHV daher zusätzliche 18,5 Milliarden Franken. Die laufende Reform solle die Renten so-mit stabilisieren. Von einer Lösung auf Zeit spricht allerdings Ständerat Hannes Germann (SVP/SH): «Die Reform ist nicht für die Ewigkeit.»
Gelingen soll die Stabilisierung der AHV jedenfalls mit einem höheren Rentenalter für Frauen, sie sollen statt bis 64 neu bis 65 arbeiten. Den «grossen Einschnitt in die Lebensplanung» möchten Bundesrat und Parlament entschärfen, indem sie für neun Jahrgänge einen Ausgleich in Form von Rentenzuschlägen oder günstigerem Vorbezug vorschlagen. «Die Ausgleichsmassnahmen sorgen für eine sozial ausgestaltete Abfederung der Rentenaltererhöhung.» Diese sei gerechtfertigt. «Frauen sind heute besser ausgebildet als früher, sind zunehmend berufstätig und leben länger als die Männer.»
Dies ganz anders sieht die Schaffhauser Nationalrätin Martina Munz (SP). Sie sagt: «Diese Rentenreform findet auf dem Buckel der Frauen statt.» Frauen erhielten für die gleiche Arbeit am selben Ort weniger Lohn und arbeiteten öfter als Männer in Teilzeitjobs. «Sie haben deshalb 40 Prozent weniger Rente.» Diese Aussage deckt sich mit einer Analyse des Bundesamtes für Sozialversicherungen, das ein Rentengefälle von insgesamt 37 Prozent fand. In der AHV beträgt es weniger als 3 Prozent, dafür in der beruflichen Vorsorge über 60 Prozent.
Für Munz wirkt die AHV-Reform ähnlich, «wie wenn das Generalabonnement nur noch 11 statt 12 Monate gültig wäre». Die Einbussen der Frauen würden «nie und nimmer ausgeglichen». Und das, obschon die AHV nicht mehr existenzsichernd sei. Die Schaffhauser Sozialdemokratin weiss: «Jede zweite Frau bekommt weniger als 1770 Franken Rente pro Monat. Jede vierte Frau erhält nur die AHV, hat also keine Pensionskasse. Jede zehnte Frau bezieht Ergänzungsleistungen schon am ersten Tag der Altersrente.» Für jemand, der lebenslang gearbeitet hat, sei das entwürdigend.
Höhere Mehrwertsteuer
Neben der Änderung des AHV-Gesetzes wird im Herbst über eine Mehrwertsteuererhöhung abgestimmt. Die beiden Teile der AHV-Reform sind verknüpft. Wenn einer abgelehnt wird, scheitert das ganze Paket. In den Augen der Landesregierung ist die Zusatzfinanzierung der AHV über die Mehrwertsteuer indes notwendig. Sie bezeichnet sie als minim. Konkret: Der Normalsatz steigt um 0,4 Prozentpunkte auf 8,1 Prozent. Für Güter des täglichen Bedarfs erhöht sich der Satz von 2,5 auf 2,6 Prozent. Der Sondersatz für Beherbergungen soll neu 3,8 statt 3,7 Prozent betragen.