Interview Jürg Spahn, scheidender Verwaltungsratspräsident Ersparniskasse Schaffhausen
Von Philipp Lenherr
Jürg Spahn war während über 30 Jahren Mitglied des Verwaltungsrates der Ersparniskasse Schaffhausen, die letzten fünf Jahre als Präsident. Nun übernimmt Nachfolger Hannes Germann die oberste Verantwortung für die älteste Schaffhauser Bank.
Als Sie 2007 Verwaltungsratspräsident der Ersparniskasse wurden, begann die Wirtschafts- und Finanzkrise, es folgten turbulente Jahre, nicht nur, aber auch für die Banken. Wie beurteilen Sie die Situation der Ersparniskasse Schaffhausen heute?
Jürg Spahn: Es waren tatsächlich anspruchsvolle, aber sehr spannende Jahre, gerade in der Zeit, in der ich die Bank führen durfte. Dank ihrem traditionell verantwortungsvollen Umgang mit Risiken, dank Augenmass und Bodenhaftung ist die Ersparniskasse in einem hervorragenden Zustand. Das ist das Resultat unserer langfristig ausgerichteten Geschäftspolitik und lässt sich auch am ausgezeichneten Jahresergebnis 2011 ablesen. Wir haben gute Leute auf allen Stufen, die bereit sind, Leistung zu erbringen und Herausforderungen anzunehmen. Wir legen Wert darauf, unsere jungen Mitarbeitenden nicht nur zu fordern, sondern auch zu fördern und frühzeitig in die Verantwortung einzubinden.
Wie haben sich die Turbulenzen in der Wirtschaft in den letzten Jahren ausgewirkt?
Spahn: Auch im schwierigen Umfeld der letzten Jahre ist die Bank kräftig gewachsen. Sie hat sich nicht nur in den vergangenen Jahren, sondern seit ich 1982 in den Verwaltungsrat gewählt wurde, kontinuierlich entwickelt. Aus einer lokalen Hypothekarbank ist eine regionale Universalbank geworden. Die wichtigsten Kennzahlen wie Bilanzsumme, Kundengelder, Ausleihungen und Gewinn haben sich seither vervielfacht. Und wie ich bei einem Blick in den Geschäftsbericht von 1982 festgestellt habe, wurden damals praktisch dieselben Themen wie heute heiss diskutiert, nämlich die gewaltige Staatsverschuldung, die schwierige wirtschaftliche Lage und das Bankgeheimnis!
Der Finanzplatz Schweiz ist im Umbruch. Das Vermögensverwaltungsgeschäft mit ausländischen Kunden, die zu Hause nicht immer alles ehrlich versteuern, ist seit Jahren unter Beschuss, und das Image der Banken, insbesondere der Grossbanken, hat in der Bevölkerung gelitten. Was bedeutet das für die Ersparniskasse?
Spahn: Wir konnten ein Stück weit sogar etwas profitieren von diesen Veränderungen. Im Jahr 2008, das bereits von der Krise geprägt war, verzeichneten wir beispielsweise einen markanten Kundenzuwachs und einen starken Zufluss von Kundengeldern. Erfreulicherweise ist dieser Zustrom auch in den folgenden Jahren nicht abgebrochen. Die Finanzkrise ist aber auch eine Vertrauenskrise, die noch nicht ausgestanden ist. Auch die politischen Kontroversen um das Bankgeheimnis sind Folge eines Vertrauensschwundes. Dieser führt zu einer immer engmaschigeren Regulierung der Finanzinstitute. Die regulatorischen Daumenschrauben wurden in den letzten Jahren angezogen. Das betrifft natürlich auch kleinere Banken wie die Ersparniskasse. Führung, Überwachung und Verhaltensregeln haben enorm an Bedeutung gewonnen. Corporate Governance und Compliance sind zu prominenten Disziplinen geworden.
Kann eine kleine, unabhängige Bank wie die Ersparniskasse die steigenden Anforderungen in diesen Bereichen überhaupt bewältigen?
Spahn: Ja, und wir wollen auch an der Eigenständigkeit festhalten. Ganz allein sind wir ja trotzdem nicht. Die Ersparniskasse gehört zur RBA-Holding, welche Dienstleistungen für die schweizerischen Regionalbanken erbringt. Vor 30 Jahren haben wir noch alles selber gemacht. Im Verlaufe der Zeit wurden verschiedene Bereiche an eine RBA-Gesellschaft ausgelagert, zum Beispiel das Rechnungswesen und der Zahlungsverkehr. Dadurch haben wir Kapazität an der Front gewonnen, namentlich für die immer anspruchsvollere Kundenbetreuung. Bezüglich Compliance, also der Einhaltung aller anwendbaren Normen, haben wir ebenfalls eine professionelle externe Begleitung.
Welches sind die wichtigsten aktuellen Herausforderungen, die auf Ihren Nachfolger Hannes Germann zukommen?
Spahn: Das heutige Bankgeschäft bringt etliche Herausforderungen mit sich, und es kommen laufend neue dazu. Eine aktuelle Herausforderung liegt im Bereich der Eigenmittel. Wir sind in den letzten Jahren ja kräftig gewachsen und müssen dafür sorgen, dass die Eigenmittel mit diesem Wachstum Schritt halten. Bereits heute erfüllen wir die strengen Anforderungen der Eigenmittelverordnung bei Weitem. Darauf wird man aber auch in Zukunft ein besonderes Augenmerk richten müssen. Wir haben daher frühzeitig eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die sich mit der längerfristigen Kapitalplanung befasst.
Sie sind – noch bis Ende Jahr – Ver-waltungsratspräsident der Brauerei Falken. Eine Bank und eine Brauerei haben auf den ersten Blick ja nicht viel miteinander zu tun – gibt es trotzdem Gemeinsamkeiten?
Spahn: Die grösste Gemeinsamkeit ist wohl, dass es zwei traditionelle Firmen mit einer langen und erfolgreichen Geschichte sind. Beide leisten mit vielfältigem Engagement einen massgeblichen Beitrag zur Entwicklung und Attraktivierung der Region, in der sie stark verankert sind. Bei der Ersparniskasse hat der Bereich Veranstaltungen und Sponsoring in den letzten zehn Jahren an Bedeutung gewonnen. Auch bei der Brauerei Falken ist das so. Und beide Unternehmen haben ihre Marktpräsenz ausgebaut, die Ersparniskasse im Zürcher Weinland mit eigener Geschäftsstelle, die Brauerei Falken im Raum Zürich. Die eigentliche Geschäftstätigkeit unterscheidet sich natürlich stark, das Bankgeschäft ist ein ganz anderes als dasjenige eines industriellen Betriebes. Es freut mich natürlich und macht mich auch etwas stolz, dass beide Unternehmen heute in einem jeweils schwierigen Umfeld nach wie vor eigenständig, solid und gut aufgestellt sind.
Sie werden Ende Jahr 70 Jahre alt. Bis anhin waren Sie in den vergangenen Jahren beruflich immer noch stark engagiert. Werden Sie zukünftig etwas kürzertreten?
Spahn: Die Tätigkeit als Rechtsanwalt habe ich bereits in den vergangenen Jahren stark reduziert. Als selbständiger Anwalt hat man den Vorteil, dass man sein Pensum schrittweise abbauen kann. Die Verwaltungsratsmandate waren übrigens immer eine ideale Ergänzung zur Anwaltstätigkeit und haben mir beruflich und menschlich viel gegeben. Das Präsidium der vor allem kulturell tätigen Stiftung Werner Amsler und einige weniger aufwendige Verwaltungsratsmandate werde ich vorläufig noch behalten.
Unter dem Strich werden Sie sicher etwas mehr Freizeit haben. Wie werden Sie diese verbringen?
Spahn: Ich muss zugeben, dass die Familie neben der Arbeit bisweilen etwas zu kurz gekommen ist. Ich freue mich darauf, ihr künftig mehr Zeit zu widmen. Grosse Freude habe ich beispielsweise an meinen drei Enkelkindern. Meine Frau und ich werden wohl auch etwas mehr Zeit in unserer Ferienwohnung in den Bergen verbringen. Dann habe ich ja auch zwei Hobbys: die Modelleisenbahn und meinen Oldtimer. Überdies habe ich mir vorgenommen, mich etwas häufiger sportlich zu betätigen.
Generalversammlung Gewinnverwendung, Abschiede und Wahlen
Schaffhausen An der kürzlich durchgeführten ordentlichen Generalversammlung der Ersparniskasse Schaffhausen AG wurden unter der Leitung von Verwaltungsratspräsident Dr. Jürg P. Spahn sämtliche Anträge des Verwaltungsrates einstimmig angenommen. Die älteste Schaffhauser Bank kann auf ein erfolgreiches Geschäftsjahr zurückblicken, insbesondere ist das Institut am Münsterplatz in allen Bereichen überdurchschnittlich gewachsen. Auch die Filiale Weinland in Kleinandelfingen hat sich erfreulich entwickelt.
Nach der Genehmigung des Jahresberichtes und der Jahresrechnung 2011 wurde die Verwendung des Jahresgewinns von 2 259 213.80 Fr. wie folgt beschlossen:
704 000 Fr. für 22 Prozent Dividende an die Stiftung EK 1 450 000 Fr. Zuweisung an die Reserven 100 000 Fr. Vergabung an die Hülfsgesellschaft in Schaffhausen 5 213.80 Fr. Vortrag auf die neue Rechnung
Die Hülfsgesellschaft, die im Jahr 1817 die Ersparniskasse gegründet hat, wird diesen Beitrag für gemeinnützige Zwecke in der Region Schaffhausen einsetzen.
Nach äusserst erfolgreichem Wirken sind VR-Präsident Dr. Jürg P. Spahn nach 30 Jahren sowie VR-Mitglied Susanne Günter (Bild) nach 19 Jahren Zugehörigkeit altershalber aus dem Verwaltungsrat zurückgetreten.
Anstelle des abtretenden Präsidenten Dr. Jürg P. Spahn wurde wie angekündigt Hannes Germann, bisher Vizepräsident, zum neuen Verwaltungsratspräsidenten gewählt. Das Amt des Vizepräsidenten wird neu von Dr. Peter Müller ausgeübt. Der neue Präsident Hannes Germann und Direktor Dieter Sommer dankten den zurückgetretenen VR-Mitgliedern im Namen des Verwaltungsrates und der Mitarbeitenden für ihr langjähriges hervorragendes Engagement zum Nutzen und Wohle der Ersparniskasse Schaffhausen sowie für die ausgezeichnete Zusammenarbeit. Als neue Mitglieder in den Verwaltungsrat der Ersparniskasse Schaffhausen wurden einstimmig gewählt: Dr. Urs Krebser, Direktor der Cilag AG, Schaffhausen, und Andreas Stamm, CEO der Stamm AG, Hallau. (Mitg.)