Mit neuen Empfangszentren soll das Asylverfahren beschleunigt werden.
Von Fritz Dinkelmann
Die ordentlichen Asylverfahren sollen künftig von der Einreise bis zur allfälligen Ausreise auf 100 Tage verkürzt und in Bundeszentren durch- geführt werden. Um diese Beschleunigungsmassnahmen umzusetzen, braucht der Bund 6000 Plätze für Asylsuchende. Heute zählt der Bund 1400 Plätze in den fünf bestehenden Empfangs- und Verfahrenszentren (EVZ) in Vallorbe VD, Basel, Kreuzlingen TG, Altstätten SG und Chiasso TI. Da in der kleinräumigen Schweiz ein Grosszentrum nicht durchsetzbar ist, sollen fünf Regionen mit mehreren kleineren Zentren gebildet werden, wie die Arbeitsgruppe von Bund und Kantonen zur Neustrukturierung des Asylbereichs vorschlägt.
Neue Zentren mit je 400 Plätzen
Die Zentren sollten idealerweise je 400 Plätze aufweisen, denn erst ab dieser Grösse könnten Abläufe optimal organisiert werden. «Nur wenn die Akteure, also die Asylsuchenden, das Bundesamt für Migration (BFM) und die Rechtsvertreter, nahe beieinander sind, kann die Verfahrensdauer verkürzt werden», sagte der bernische Polizeidirektor und Präsident der Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD), Hans-Jürg Käser, gestern in Bern. Im Auge hat die Arbeitsgruppe die Regionen um die fünf bestehenden EVZ. Laut Käser könnten aber auch andere Regionen mit dezentralen Zentren geschaffen werden. Sie könnten als Verfahrens-, Warte- oder Ausreisezentren geführt werden. Zentren für renitente Asylsuchende könnten «abgelegener» liegen.
Kantone entmachten
Die Arbeitsgruppe will den Kantonen für solche dauerhaften Bundeszentren ein Plangenehmigungsverfahren des Bundes vorschlagen, also die Einführung eines abschliessenden Verfahrens auf Bundesebene. Damit würden Kantone und Gemeinden im Bewilligungsverfahren um solche Bundeszentren entmachtet. Zur Beschleunigung der Asylverfahren sollen auch klar definierte Fristen für die verschiedenen Phasen des Asylverfahrens eingeführt werden. So sollen künftig ein ordentliches Verfahren maximal 100 und ein Verfahren im Rahmen des Dublinabkommens 140 Kalendertage dauern. Erweiterte Verfahren mit zusätzlichen Abklärungen würden auf ein Jahr beschränkt. Die Verkürzung der Bearbeitungsfristen soll mit einer unentgeltlichen Rechtsberatung für die Asylsuchenden kompensiert werden. Die Vorschläge sollen im Januar an einer nationalen Asylkonferenz von den Kantonen diskutiert und verabschiedet werden. Danach soll das Asylgesetz entsprechend angepasst werden. (sda)
Schäuble war im Bundesrat chancenlos
Das Steuerabkommen zwischen der Schweiz und Deutschland hatte im deutschen Bundesrat wie erwartet keine Chance. Die sozialdemokratisch und grün geführten Bundesländer hatten sich schon vor langer Zeit darauf festgelegt, das von der schwarz-gelben Regierung unter Federführung von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ausgehandelte Abkommen letztlich scheitern zu lassen. In den letzten Monaten kümmerten sich Sozialdemokraten und Grüne gar nicht mehr um eine differenzierte Kritik an dem Vertragswerk, sondern der Vorwurf lautete pauschal so, wie ihn der «Sprecher» der Vertragskritikerfront, Norbert Walter-Borjans (SPD), immer wieder rezitierte: Bezogen auf Altvermögen in der Schweiz sagte er kurz vor der Abstimmung in der Länderkammer: «Ich kann nicht einen Steuerrabatt gewähren, der den ehrlichen Steuerzahler zum Trottel macht.» Und er sagte auch: «Das ist doch kein Abkommen, das dazu dient, die Steuerschlupflöcher in Zukunft zu stopfen.»
Bevölkerung auch dagegen
In einem Artikel ihrer Online-Ausgabe schreibt die «Frankfurter Allgemeine Zeitung»: «Vielen Bürgern ballt sich die Faust in der Tasche, wenn nun ausgerechnet jene mit einem gnädigen Schlussstrich belohnt werden sollen, die besonders hartnäckig und systematisch ihr Vermögen am Fiskus vorbeigeschleust haben.» Insofern stimmte der deutsche Bundesrat gestern so ab, wie das eine Mehrheit der Bevölkerung auch richtig findet. Vergeblich trug Schäuble noch einmal vor, was für das Steuerabkommen spricht, und appellierte an die Bundesländer zuzustimmen. Anders als die Opposition behaupte, hätten die Amerikaner mit der Schweiz auch kein besseres Abkommen erreicht, im Gegenteil: Für die Vergangenheit gebe es dort überhaupt keine Regelung. Bezüglich Vergangenheit sagte Schäuble: «Sie werden für die Vergangenheit keine bessere Regelung erzielen, weil die Schweiz ihr Bankgeheimnis nicht rückwirkend ausser Kraft setzen kann.» Dieses Bankgeheimnis sei in der Schweiz seit 70 Jahren ein Teil der rechtlichen Ordnung, da würde Deutschland – bezogen auf die Vergangenheit – etwas verlangen, «was für die Schweiz unmöglich ist». Auch den Vorhalt der Opposition, das bilaterale Abkommen würde europäische Lösungen boykottieren, wies Schäuble zurück. Schliesslich besteure die europäische Zinsbesteuerung nur einen Teil der Kapitalerträge. Ausserdem würden sich zwei Mitgliedsländer nicht beteiligen, eben weil Deutschland kein Abkommen mit der Schweiz habe. Und schliesslich gäbe es für die Behauptung, dass massenhaft Geld aus der Schweiz von Abschleichern abgezogen worden sei, «keinerlei reale Zahlen». Schäuble schloss mit den Worten, das Abkommen beende für die Zukunft einen unbefriedigenden Zustand, und für die Vergangenheit gebe es eine faire und angemessene Regelung. Gäbe, war kurz darauf sprachlich korrekt, weil der Bundestag Minuten nach Schäubles Rede dem Abkommen den Garaus machte. Bis zum Schluss hatte sich namentlich Norbert Walter-Borjans als härtester Gegner eines Abkommens profiliert, dem SPD und Grüne auch nicht glauben wollten, dass es wirklich so viel Geld bringe wie die schwarz-gelbe Regierung ausgerechnet hatte: «Diese Milliarden sind aufgeblasene Hoffnungswerte», so Walter-Borjans gestern. Und andererseits würde «vertuscht», dass man mit dem Vertrag nicht mehr ermitteln könne und «dass wieder freie Fahrt dafür besteht, Schwarzgeld in der Schweiz anzulegen». Geklaute CDs zu kaufen, sei zwar «nicht die optimale Lösung», aber … Aber was nun? Nach dem jahrelangen Steuerstreit zwischen den beiden Ländern hat Schäuble am Freitag angekündigt, den Vermittlungsausschuss zu bemühen – was die Regierung Merkel so noch beschliessen muss. Angeblich will Schäuble den Ländern Milliarden Euro anbieten, sollten sie einlenken. Doch dafür spricht gar nichts. Für ein «Linsengericht» würden sie sich nicht kaufen lassen, sagte Walter-Borjans schon vor Tagen, und gestern doppelte etwa der baden-württembergische Bundesratsminister Peter Friedrich (SPD) nach: «Für uns sind Steuergerechtigkeit und Steuermoral nicht verhandelbar.» Das Vertragswerk selbst aber kann substanziell nicht mehr verhandelt werden.