Dschihadisten wie der in Schaffhausen lebende Osamah M. sollen ausgeschafft werden, auch wenn ihnen Folter oder die Todesstrafe droht. Dies verlangt das Parlament, nun ist der Bundesrat gefordert.
BERN/SCHAFFHAUSEN. Derzeit verbieten die Bundesverfassung und das zwingende Völkerrecht die Ausschaffung von Menschen, falls sie in deren Heimatland gefoltert werden könnten. Das Parlament will nun eine Ausnahme für Terroristen. Nach dem Nationalrat hat gestern auch der Ständerat die Motion von Nationalrat Fabio Regazzi (CVP/TI) mit 22 zu 18 Stimmen bei einer Enthaltung angenommen. Regazzi verlangt, dass «Dschihadistinnen und Dschihadisten, die für Taten in Zusammenhang mit dem IS verurteilt wurden, in ihr jeweiliges Land ausgewiesen werden, auch wenn diese Länder als ‹unsichere Länder› gelten.»
Die Kommission hatte sich mehrheitlich gegen den Vorstoss ausgesprochen. Kommissionssprecherin Pascale Bruderer (SP/AG) sprach von einem Dilemma. Verurteilte Terroristen, die nach Verbüssung ihrer Strafe in der Schweiz blieben, stellten eine potenzielle Gefahr für die Öffentlichkeit dar. Würde die Schweiz sie ausschaffen, würde sie aber gegen das sogenannte Non-Refoulement-Prinzip verstossen und sich selber zum Folterknecht machen.
Situation für Kantone untragbar
Kommissionsmitglied Thomas Minder (parteilos/SH) bezeichnete die aktuelle Situation als «absurd und total unbefriedigend». Er stellte einen Einzelantrag. Die Gefährder würden Millionen von Franken kosten und in den Kantonen, beim Bund und in der Bevölkerung Frust und Unverständnis verursachen. Minder führte den Schaffhauser Fall des irakischen Terrorhelfers Osamah M. an. Dieser könne sich nach Verbüssung seiner Haftstrafe wieder frei in Schaffhausen bewegen und beschäftige seither unentwegt die Behörden. Für die betroffenen Kantone sei die Situation untragbar. «In Schaffhausen jedenfalls liegt die Regierung uns Ständeräten regelmässig in den Ohren, wir sollten doch endlich Dampf machen und nach Lösungen suchen, wie man diese Querschläger ausschaffen kann.»
Auch Martin Schmid (FDP/GR) sprach sich für den Vorstoss aus. Er plädierte allerdings dafür, diesen innerhalb der Schranken der Bundesverfassung umzusetzen. Der Bundesrat sieht hierfür indes keinen Spielraum.
Rechtsstaat nicht verraten
Die Gegner äusserten ein gewisses Verständnis. Andrea Caroni (RL, AR) erklärte jedoch: Mit einer Ausweisung in Folterstaaten würde die Schweiz den Rechtsstaat verraten. Caroni wies auch darauf hin, dass in der Motion einzig von Dschihadisten die Rede ist. «Dass Massenmord und Terrorismus nicht an eine Religion gebunden sind und sich auch gegen alle Religionen richten können, das sieht nur schon, wer nach Christchurch blickt.» Justizministerin Karin Keller-Sutter empfahl dem Rat ebenfalls, die Motion abzulehnen. Die Sicherheit der Bevölkerung habe Priorität, sagte sie. «Wir müssen uns aber auch an die Grenzen des Rechtsstaates halten.» Den fünf Irakern, die in den Medien immer wieder als Beispiel genannt würden, drohe die Todesstrafe, je nachdem auch Folter. Daher sei es im Moment nicht möglich, diese Personen auszuschaffen.
Hausarrest für Gefährder
Keller-Sutter wies ausserdem auf die geplanten präventiv-polizeilichen Massnahmen zur Terrorismusbekämpfung hin. Dabei geht es um Personen, die wegen terroristischer Straftaten verurteilt worden sind und nach der Verbüssung ihrer Haftstrafe weiterhin ein Sicherheitsrisiko darstellen, aber nicht ausgeschafft werden können. Der Bundesrat schlägt vor, dass die Polizei solche Personen ohne Strafverfahren unter Hausarrest stellen oder ihnen den Zugang zu einem bestimmten Gebiet verbieten darf. Keller-Sutter liess durchblicken, dass die Vorlage nach der Vernehmlassung noch verschärft werden könnte.
Schaffhauser Parlamentarier uneins
Nach der Annahme der Motion zeigte sich Thomas Minder erfreut. Mit dem Ergebnis habe er nicht unbedingt gerechnet. «Aber anscheinend bewegt das Thema.» Es gehe nicht an, Völkerrecht über Landesrecht zu stellen. Auch die geplanten präventiv-polizeilichen Massnahmen für Personen, die weiterhin ein Sicherheitsrisiko darstellen, hält er für richtig. Fussfesseln oder ein Rayon-Verbot würden in solchen Fällen aber nicht ausreichen.
Drei der vier Schaffhauser Vertreter in Bern stimmten der Motion zu. Einzig Nationalrätin Martina Munz (SP) lehnte diese ab. «Eine solche Forderung schiesst weit über das Ziel hinaus. Die Schweiz ist menschenrechtlich dazu verpflichtet, niemand in ein Land zurückzuschieben, in welchem eine unmenschliche Behandlung droht.» Mit einer Ausweisung in einen Folterstaat verhalte sich die Schweiz selbst unmenschlich, so Munz. Dies sei eines Rechtsstaats unwürdig.
Der Schaffhauser Regierungsrat begrüsst hingegen die Stossrichtung der Motion. Regierungspräsident Ernst Landolt (SVP) erklärt, dass man sich im letzten Jahr bereits schriftlich an die damalige Justizministerin Simonetta Sommaruga gewandt und um eine Änderung bei der Ausschaffung von Terroristen gebeten hatte. «Das kann man der Bevölkerung auch nicht erklären: dass Leute geschützt werden sollen, die selbst Terror und Gewalt ausüben», so Landolt. Das sei ein Widerspruch. Man könne nicht den Schutz eines Osamah M. über den Schutz der Schweizer Bevölkerung stellen. (sda/sba)