Alle, die sich Wunder im Gesundheitswesen erhoffen, seien gewarnt: Der neue Gesundheitsartikel ist nicht das Ei des Kolumbus. In seinen Grundzügen nimmt er das auf, was die SVP in ihrer Gesundheits-Initiative gefordert hat. Allerdings geht der Kompromissvorschlag des Parlaments nicht so weit wie das Volksbegehren. Der Gesundheitsartikel ist nicht mehr und nicht weniger als ein Schritt in Richtung von mehr Transparenz, Wahlmöglichkeiten für Patienten, einer glaubwürdigen Qualitätssicherung und mehr Kosteneffizienz.
Nun wird man einwenden, dass ein gutes Gesundheitswesen auch seinen Preis hat. Dem kann man im Grundsatz beipflichten. Wir haben ein gutes Gesundheitswesen, auf das wir zu Recht stolz sind. Aber stolz ist auch der Preis dafür. Die Schweiz hat weltweit das zweitteuerste Gesundheitswesen – also müssten wir auch das zweitbeste haben. Wie wir wissen, gibt es in Europa durchaus Staaten mit vergleichbar guten Gesundheitssystemen, aber mit deutlich weniger hohen Kosten. Würde die Losung je teurer, desto besser uneingeschränkt stimmen, müssten die USA das weltweit beste Gesundheitswesen haben …
Wie auch immer, Verbesserungspotential gibt es überall – auch im Gesundheitswesen. Wo es um das höchste Gut des Menschen geht, muss Qualität oberste Priorität haben. Umso erstaun- licher ist es, dass in der Schweiz eine systematische Qualitätssicherung bisher nicht existiert hat. Der neue Verfassungsartikel stellt die optimale Betreuung unserer Patienten ins Zentrum und erklärt die Qualität zum wichtigsten Grundsatz unseres Gesundheitswesens. Qualitätsprojekte von Leistungserbringern, Versicherern und Behörden haben Vorrang. Damit soll garantiert werden, dass den Patienten für jeden bezahl- ten Prämienfranken ein Optimum an Qualität geboten wird. Die hohen Qualitätszielsetzungen lassen sich nur mit mehr Transparenz und einem Mindestmass an Wettbewerb erreichen. Das heisst, dass beispielsweise die in einem Spital erbrachte Leistung mit der gleichen Leistung in einem anderen Spital vergleichbar sein muss. Das sorgt bei manchen kantonalen Gesundheitsdirektoren für Bauchweh. Doch nur Transparenz und mehr Wahlmöglichkeiten sorgen für Wettbewerb – und dieser wiederum fördert gute Leistungen.
Die im Parlament verschiedentlich geforderte volle Vertragsfreiheit bringt die offen formulierte Verfassungsänderung freilich nicht. Insofern sind die Bauchschmerzen im gegnerischen Lager verfrüht. Die beiden politisch heikelsten Punkte – der Monismus und die Vertragsfreiheit – müssten in einem separaten Gesetz geregelt werden, das wiederum referendumspflichtig wäre. Doch machen wir mit einem Ja zuerst einen moderaten Schritt in die richtige Richtung.