Um den Zustrom aus der EU zu begrenzen, befürworten bürgerliche und Mitte-Parteien eine Verlängerung der Ventilklausel. Die CVP verlangt nun sogar, sie im Gesetz zu verankern. «Völlig unrealistisch», sagt ein Europa-Experte.
Von Eveline Rutz
Bern Morgen Mittwoch dürfte der Bundesrat bekannt geben, ob er die Zuwanderung aus den acht osteuropäischen EU-Staaten weiterhin beschränkt. Bis Ende Mai muss er zudem entscheiden, ob er die Ventilklausel auf die übrigen 17 EU-Staaten ausdehnt. Voraussetzung dafür ist, dass die erteilten B- und L-Aufenthaltsbewilligungen einen gewissen Wert übersteigen. Das ist noch nicht in allen Kategorien der Fall; die Zahlen für den März stehen aber auch noch aus.
«Schweiz ist zu attraktiv»
Geht es nach der CVP, soll das Steuerungsinstrument dauerhaft im Gesetz verankert werden. «Wir wollen keine Höchstzahlen oder Kontingente», sagte Ständerat Pirmin Bischof (CVP/SO) gestern vor den Medien. Auch die bilateralen Verträge stelle man nicht in Frage. Übersteige die Zuwanderung aus der EU jedoch ein gewisses Mass, müsse die Schweiz das Recht haben, die Ventilklausel anzurufen. Die Schweiz sei zu attraktiv und dürfe dafür nicht bestraft werden, sagte Parteipräsident Christophe Darbellay am Wochenende am Parteitag in Heiden. «Sonst soll die EU unsere Infrastruktur mitfinanzieren.» Bei Hannes Germann (SVP/SH), Präsident der Aussenpolitische Kommission des Ständerats, kommt die Forderung gut an: «Wir sollten die Steuerung nicht aus der Hand geben.» Die Wirtschaft übernehme diese nicht. Eine dauerhafte Lösung habe den Vorteil, dass alle EU-Staaten gleich behandelt würden. «Wenigstens setzt die CVP ein Signal», sagt Luzi Stamm (SVP/AG). Nur leider nütze die Ventilklausel nichts. Die Zuwanderung sei immer noch extrem hoch. «Das ist nicht mehr akzeptabel.» Die SVP will daher weiter gehen: Sie fordert mit ihrer Initiative «Gegen Masseneinwanderung» jährliche Höchstzahlen und Kontingente. Ebenfalls zur Abstimmung gelangen wird eine Initiative von Ecopop, welche die Zuwanderung auf 0,2 Prozent der Bevölkerung limitieren will.
FDP und SP dagegen
Um diesen beiden Begehren den Wind aus den Segeln zu nehmen, plädiert auch die FDP dafür, die Ventilklausel erneut anzurufen. «Auf Dauer kann ich mich damit aber nicht anfreunden», sagt Joachim Eder (FDP/ZG) mit Blick auf das Verhältnis zur EU. «Das würde die Fronten verhärten.» Die EU werde Gegenforderungen stellen, warnt SP-Parteipräsident Christian Levrat und erwähnt eine Lockerung der flankierenden Massnahmen. «Am Schluss werden wir mit diesem Weg schlechter dastehen als heute.»
«Selbstbewusster auftreten»
Die EU werde nicht begeistert sein, räumt CVP-Ständerat Bischof ein. Doch sie trete auch mit Anliegen an die Schweiz. «Da könnten wir ruhig selbstbewusster auftreten.» Irgendwann werde das Volk ein Zeichen setzen, ist sich SVP-Nationalrat Stamm sicher. «Es wäre von der EU geschickt, auf die Schweiz zuzukommen.» Dass die EU eine dauerhafte Ventilklausel akzeptieren würde, sei völlig illu- sorisch, sagt Dieter Freiburghaus, emeritierter Professor für Politikwissenschaften. Die CVP betreibe bloss Symbolpolitik: «Das ist Populismus pur.» Die Wirtschaft profitiere von der Zuwanderung aus der EU. Diese wegen hoher Mieten in Ballungszentren oder überfüllter Züge infrage zu stellen, sei völlig übertrieben. «Man muss die negativen Effekte, die es zweifellos gibt, im Inland lösen.» Die wirtschaftsfreundlichen Parteien seien in der Pflicht, die Bevölkerung über die Vorteile der Personenfreizügigkeit aufzuklären. Stattdessen suchten sie mit kurzfristigen Forderungen die Schlagzeilen. Freiburghaus vermisst in der Europapolitik «eine langfristige und mutige Linie». Die Schweiz schlingere dahin. Mal gebe sie klein bei, mal trete sie zu selbstbewusst auf: «Es braucht ein Umdenken.»