Ständerat Hannes Germann (SVP) präsidiert ein Jahr lang die kleine Kammer. Dort will der ehemalige Primarlehrer für Ordnung sorgen, aber nicht schulmeistern.
Von Sidonia Küpfer
Hannes Germann, herzliche Gratulation zur Wahl zum Ständeratspräsidenten. Was haben Sie sich für dieses Jahr vorgenommen?
Hannes Germann: Besten Dank, ich freue mich über die Wahl. Danach muss man unverzüglich die Sitzungsleitung übernehmen. Es ist sicherlich ein Ziel, den Ratsbetrieb straff und einwandfrei über die Bühne gehen zu lassen, damit wir faire Diskussionen haben, so, wie es im Ständerat üblich ist.
Eine der Aufgaben des Ständeratspräsidenten ist es, für Ordnung im Rat zu sorgen. Kehren Sie gewissermassen zu Ihren Wurzeln als Primarlehrer zurück?
Germann: Schulmeistern muss man Ständerätinnen und Ständeräte in der Regel nicht mehr, aber für Ordnung sorgen sehr wohl. Es sind doch 46 Personen im Rat, und es ist wichtig, dass der Lärmpegel nahe bei null bleibt. Da gibt es tatsächlich Parallelen zum Schulbetrieb: Entweder es herrscht Ruhe und die Leute sind konzentriert, sodass man arbeiten kann, oder man hat ein Dauergeläuf, Geschwätz und einen höheren Lärmpegel. Es muss ja nicht gerade zu- und hergehen wie im Nationalrat.
Was bedeutet dieses Amt für Sie?
Germann: Für mich ist es primär eine grosse Ehre. Das ist es aber auch für den Kanton Schaffhausen, und das Amt ist eine gute Plattform, Anliegen und Botschaften zu platzieren, Lobbying in positivem Sinn zu betreiben. Ich verstehe mich auch als Botschafter für den Stand Schaffhausen und die Region.
Wie profitiert Schaffhausen von diesem Präsidium? Das ist doch wenig fassbar.
Germann: Man ist im Rat mit Ausnahme des Stichentscheids zwar nicht mehr stimmberechtigt. Hingegen kann man seine Stimme in den vorberatenden Kommissionen weiterhin einbringen, und die Kommissionsentscheide sind vorentscheidend, denn im Ständerat werden Kommissionsmehrheiten nur selten gekippt. Sehr viel Einfluss geht für den Kanton also nicht verloren. Dafür bieten sich einige Gelegenheiten, bei repräsentativen Aufgaben auf die Vorzüge unserer schönen Region hinzuweisen und für Schweizer Werte einzustehen.
Gibt es in den kommenden Sessionen ein Geschäft, das Ihnen besonders wichtig ist und bei dem Sie gerne den Stichentscheid fällen würden?
Germann: Da fällt mir spontan keines ein. Aber es gibt die ungeschriebene Regel, dass man in einer solchen Situation für die Kommissionsmehrheit oder für den Antrag des Bundesrates stimmt. Ohne Not würde ich diese Regel sicher nicht brechen, es sei denn, es würde meiner Überzeugung oder den Interessen unseres Standes komplett entgegenlaufen.
Ständeratspräsidenten sind in der Regel nicht so stark im Fokus der Öffentlichkeit. In den letzten Wochen häuften sich aber die Berichte über die vielen Reisen des Filippo Lombardi, Ihres Amtsvorgängers. Haben die vielen Diskussionen und die vielen Reisen dem Amt Schaden zugefügt?
Germann: Dass man über solche Dinge diskutiert, gehört zur Demokratie, das finde ich grundsätzlich richtig. Filippo Lombardi hat das verkörpert, was er ist: ein weltoffener Mensch, weit gereist, sprachgewandt – insofern ist er ein guter Botschafter für die Schweiz, und ich glaube, dieses bisschen Italianità tut dem Land auch gut.
Aber Sie werden selbst nicht so viel reisen?
Germann: Nein. Ich besuche zwar gerne andere Länder, aber ich hatte schon im Rahmen meiner Tätigkeit für die Aussenpolitische Kommission viele Möglichkeiten zu reisen und nahm diese auch wahr. Ich werde auf jeden Fall nach Berlin fahren. Dort mache ich einen Antrittsbesuch beim Bundesratspräsidenten. Letztes Jahr starteten wir diese neue Tradition, als Winfried Kretschmann in die Schweiz kam. Jetzt bin ich mit dem Gegenbesuch bei seinem Nachfolger Stephan Weil an der Reihe.
Filippo Lombardi sagte, er sei in diesem Jahr keinen Samstag und keinen Sonntag zu Hause gewesen. Haben Sie sich von Ihrer Familie bereits verabschiedet?
Germann: Nein. Das hängt natürlich mit Lombardis über 20 Auslandreisen zusammen. Zudem empfing und besuchte er etwa 70 Botschafter. Das ist ein sehr ambitioniertes Programm, und daneben hat er auch als Präsident des Eishockeyclubs Ambri Piotta und mit seinen Aktivitäten im Medienbereich noch viele Verpflichtungen. Ich bin sicher weniger stark eingebunden. Zudem konnte ich meine freien Mandate so organisieren, dass es nächstes Jahr auch läuft, wenn ich nicht immer und überall dabei bin.
Sie sind 57 Jahre alt und bereits elf Jahre im Ständerat: Wie sieht Ihre weitere Karriereplanung aus?
Germann: Solange ich gesund bin und in Bern etwas für Schaffhausen bewirken kann, werde ich mich dort weiter engagieren. Darüber mache ich mir noch nicht allzu viele Gedanken.
Wenn man bei Ihnen von der Karriere spricht, muss man auch auf das Thema Bundesrat kommen. Sie standen ja bereits einmal zur Diskussion. Ist das für Sie noch ein Ziel?
Germann: Vorerst freue ich mich auf mein Jahr als Ständeratspräsident. Ich werde mich immer dafür engagieren, dass es irgendwann einen Schaffhauser Bundesrat gibt. Aber das muss nun wirklich nicht ich sein.
Bevor Sie sich als Ständeratspräsident etwas zurücknehmen müssen, möchten wir von Ihnen noch drei Positionen zu aktuellen Fragen. Vor Kurzem schlug Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf am Rande der BDP-Delegiertenversammlung vor, die Banken sollten ihre gewichtete Eigenkapitalquote auf sechs oder gar zehn Prozent anheben. Haben Sie Verständnis für diese Äusserung?
Germann: Nein, das irritierte mich. Wir haben ja unsere Gesetzgebung durch die Räte gebracht. Als Parlamentarier sieht man es nicht gerne, wenn die Exekutive danach dem Parlament in den Rücken schiesst. Insofern fand ich das schlecht, und solche Sololäufe sogen für zusätzliche Verunsicherung.
Hat die Bundesrätin inhaltlich recht?
Germann: Inhaltlich kann sie diese Meinung haben. Aber es ist höchste Zeit, dass man auch darauf hinweist, dass, wenn man diese Eigenkapitalanforderungen nach oben schraubt, dies zum Schluss der Kunde, also die Schweizer Bevölkerung, bezahlt. Ich kann mir eine Erhöhung in den sehr riskanten oder systemrelevanten Geschäftsbereichen vorstellen. Aber das Grundübel ist, dass es uns mit der «Too big to fail»-Vorlage nicht gelungen ist, das Problem der Systemrelevanz der Banken zu lösen. Leidtragende sind alle Banken bis hin zur Kantonal- und zur Regionalbank. Was sich im Moment abspielt, ist den kleineren lokal oder regional tätigen Banken gegenüber höchst unfair.
Letzte Woche entschied der Bundesrat, einen Teil der Durchsetzungs-Initiative für ungültig zu erklären, weil sie im Widerspruch zu geltendem Völkerrecht steht. Wie stehen Sie dazu?
Germann: Der Bundesrat begibt sich auf dünnes Eis, wenn er sich als Verfassungsgericht aufspielt. Aber es ist sein gutes Recht und seine Pflicht, heikle Punkte aufs Tapet zu bringen. Das Parlament wird darüber sicher diskutieren und entscheiden. Ich finde es einfach schade, wenn man anfängt, Volksentscheide im Nachhinein nicht richtig umzusetzen. Das ist bei der Verwahrungs- wie auch bei der Ausschaffungs-Initiative so geschehen. Und da hat der Bundesrat, vor allem aber auch das Parlament versagt.
Der dritte Punkt ist die Masseneinwanderungs-Initiative Ihrer Partei, über die wir im Februar abstimmen. Werden Sie sich dafür engagieren?
Germann: Mein Engagement als Ratspräsident wird eher defensiv sein. Aber wir müssen das Thema Zuwanderung und Wachstum einmal grundsätzlich diskutieren. Es gibt Personen in diesem Land, die nicht wollen, dass die Bevölkerung weiter wächst, oder die um ihren Arbeitsplatz bangen. Nur schon diese beiden Punkte gepaart bergen viel Zündstoff. Wir sollten uns als Land wieder die Freiheit nehmen, die Hoheit darüber zu haben, wer in unserem Land sein darf und wer nicht. Das ist legitim. Das unkontrollierte Wachstum macht Angst, wie die Ecopop-Initiative zeigt. Korrekturen sind möglich und bei der Personenfreizügigkeit notwendig, ohne dass die Schweiz sich von ihrer Weltoffenheit verabschiedet. Auch persönlich stehe ich zu einer weltoffenen Schweiz, aber für mich steht das nicht im Widerspruch zu schärferen Zuwanderungsregeln.
Auch nicht mit der Personenfreizügigkeit?
Germann: Dann müssen wir halt gewisse Eckwerte mit der EU nachverhandeln. Aber es ist doch nicht normal, dass ein Ausländer in die Schweiz kommen kann, nie etwas für die Volkswirtschaft getan hat und nach einem Tag Arbeit bereits ins soziale Netz einsteigen kann. Solche Dinge müssen wir abstellen. Das verstehen die Leute auch nicht. Denn von den Schweizern verlangt man auch, dass sie zuerst etwas für den Staat leisten, bevor sie von den Sozialversicherungen profitieren können.