Schaffhauser Nachrichten: Deiss-Nachfolge

Viele Ansprüche an das Wirtschaftsministerium

Wie auch immer die Bundesratswahlen vom kommenden Mittwoch ausgehen werden, eines ist sicher: Das Volkswirtschaftsdepartement (EVD) wird nach dem Rücktritt von Bundesrat Joseph Deiss einen neuen Chef erhalten. Doch was erwarten Ostschweizer Wirtschaftspolitiker von der neuen Wirtschaftsministerin – oder dem neuen Wirtschaftsminister? «Ich werde mit jedem Wirtschaftsminister zurechtkommen müssen. Mir ist daher eigentlich egal, wer kommt.» Hansjörg Walter, Präsident des Schweizerischen Bauernverbandes und Thurgauer SVP-Nationalrat, gibt sich gelassen – oder lässt sich zumindest nicht in die Karten blicken. Aber selbstverständlich hat er seine Vorstellungen, wie der neue Chef oder die neue Chefin des EVD politisieren sollte: Walter wünscht sich vor allem, dass die Öffnung des Landwirtschaftsmarktes nicht zu zügig vor sich geht.

Ganz andere Vorstellungen hat der Schaffhauser FDP-Nationalrat Gerold Bührer. Der Wirtschaftsvertreter fordert offenere Märkte und eine konsequente Fortsetzung des Bilateralismus mit der EU. «Und mit verschiedenen aussereuropäischen Ländern sind Freihandelsabkommen anzustreben.» Der Schaffhauser SVP-Ständerat und Präsident der Kommission für Wirtschaft und Abgaben, Hannes Germann, wünscht sich wiederum mehr Reformwille zu Gunsten der KMU. SP-Präsident Hans-Jürg Fehr fordert rasche Reformen im Landwirtschaftsbereich. «Zudem darf der Wirtschaftsminister eine Arbeitslosigkeit von 3,5 Prozent nicht einfach hinnehmen.» Doch bereits da macht Fehr Einschränkungen. Da in der Schweiz die Wirtschaftspolitik sehr stark von einem bürgerlich-liberalen Laissez-faire geprägt sei, sei ein aktiveres Einschreiten gegen die Arbeitslosigkeit wohl unrealistisch. «Daher bin ich ganz froh, dass keiner unserer Bundesräte das Amt bekleiden wird. Die würden ständig auflaufen.»

Tatsächlich stellt sich die Frage, was ein Wirtschaftsminister angesichts des dominanten liberalen Wirtschaftsverständnisses überhaupt gestalten kann. «Der Staat ist für gute Rahmenbedingungen verantwortlich und sollte sich möglichst nicht dirigistisch verhalten», fasst der Thurgauer SVP-Nationalrat und Unternehmer Peter Spuhler das liberale Credo zusammen. Entsprechend wenig begeistert wäre er, wenn ein SVP-Bundesrat das Volkswirtschaftsdepartement führen würde. «Das wäre zwar gut. Die wichtigen politischen Fragen bezüglich Liberalisierung und Privatisierung betreffen aber vor allem das Uvek.»

Etwas anders beurteilt das Germann, obwohl auch er sagt, das EVD sei nicht das wichtigste Departement. «Leider, muss ich sagen.» Aber der Wirtschaftsminister könne sich vermehrt in die Geschäfte des Finanzdepartementes einmischen, etwa bei der Mehrwertsteuerreform, meint Germann. «Finanzminister Hans-Rudolf Merz hat naturgemäss zunächst die Staatsfinanzen im Sinn. Das ist keine Kritik an Merz.» Aber der Wirtschaftsminister müsse seine andere Optik verstärkt einbringen. Auch Bührer sieht für einen liberalen Wirtschaftsminister durchaus Handlungsspielraum: «Es gibt noch viele Bereiche, wo er sich für mehr Wettbewerb und offenere Märkte einsetzen kann.» Doch was heisst das alles nun bezogen auf CVP-Präsidentin und Bundesratskandidatin Doris Leuthard? Schliesslich ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass alle Bundesräte in ihren Departementen bleiben und Leuthard somit ins EVD kommt. Die Wirtschaftspolitiker Bührer und Spuhler können sie sich gut als Wirtschaftsministerin vorstellen. In der Wirtschaftskommission politisiere sie meist wirtschaftsfreundlich. «Nur bei sozialpolitischen Fragen schlägt das CVP-Herz meist durch. Und dann passieren die finanz- und wirtschaftspolitischen Sündenfälle», relativiert Spuhler. Umgekehrt spielt es für SP-Präsident Fehr keine grosse Rolle, welcher bürgerliche Politiker das Wirtschaftsministerium übernimmt. «Allerdings wäre es noch interessant, wie einem SVP-Bundesrat der Spagat zwischen Landwirtschaftsprotektionismus und wirtschaftsliberalem Dogma der Partei gelingen würde.» (mbr)