Zum Wahlauftakt trafen gestern Abend erstmals die vier Kandidaten für die Ständeratssitze aufeinander. Es überraschte, wie unbestimmt die Politiker in gewissen Positionen blieben. Überhaupt herrschte oft Einigkeit, gerade in Gesundheits- und Umweltfragen.
Andrea Tedeschi
Um es gleich vorwegzunehmen: Auf den grossen Schlagabtausch am gestrigen Wahlauftakt der Schaffhauser Ständeratskandidaten in der Gesellschaftsstube «Zum Kaufleuten» in der Schaffhauser Altstadt hoffte der volle Saal gestern Abend vergebens. Zu wenig kontrovers, zu wenig überraschend waren die Inhalte. Selbst die beiden Herausforderer blieben überraschend zurückhaltend und zeigten sich wenig angriffig. Dabei ist die Ausgangslage durchaus interessant.
Da sind die beiden amtierenden Ständeräte Hannes Germann (SVP) und Thomas Minder (parteilos). Germann, 63, ist seit siebzehn Jahren in Bern, er sitzt unter anderem in der wichtigen Aussenpolitischen Kommission und in jener für Wirtschaft und Abgaben (WAK). Minder sitzt etwa in der Staatspolitischen und Sicherheitspolitischen Kommission. Welche Bilanz ziehen die beiden aus der letzten Legislatur, wollte Robin Blanck, Chefredaktor der «Schaffhauser Nachrichten» und Moderator der Runde, wissen und fragte beide nach den eingereichten Vorstössen. Beide waren sich einig, dass in den Kommissionen die wirkliche politische Arbeit liegt. «Als Parteiloser hat man es schwieriger mit den Vorstössen», sagte Minder. Und Germann hob die Kompromisse hervor, wie sie typisch seien für die Kommissionen und im Ständerat. Minder trat 2011 gegen die FDP an und schaffte es ohne Partei im Rücken ins Stöckli. Die FDP war damals die grosse Verliererin.
Dass ihn FDP-Regierungsrat Christian Amsler, 55, nach acht Jahren herausfordert, könnte darum Zündstoff bieten. Die erste Frage an Amsler war dann auch, welchen Sitz er anstrebe. «Die Bevölkerung kann wählen», sagt Amsler. Sagen wollte er es nicht. Doch eigentlich spielt es keine Rolle. Zuerst muss er die Wähler überzeugen und das angesichts der Turbulenzen rund um die Entlassung des BBZ-Rektors Ernst Schläpfer. «Man kann vieles von verschiedenen Seiten sehen», sagte Amsler darauf angesprochen. Kritik gehöre dazu, und er habe einen breiten Rücken.
Neben Amsler steigt auch der SP-Mann Patrick Portmann, 30, in den Kampf um einen Sitz im Stöckli. Bereits vor vier Jahren versuchte es die Partei, die es bis jetzt als einzige schaffte, eine Frau in den Ständerat zu schicken. Portmann ist seit zwei Jahren für die SP im Kantonsrat. Vorher wechselte er von der jungen CVP zu den Jungsozialisten. Im Ständerat möchte er einen Generationenwechsel herbeiführen. «Ein wichtiges Anliegen ist auch, dass die Berufsgruppen im Parlament besser vertreten sind.» Er selbst ist Pfleger. Vielleicht auch darum will er sich für eine gesunde Gesundheitspolitik stark machen.
Nach dieser Vorstellungsrunde ging es um die grossen Themen, welche die politische Schweiz aktuell umtreiben und es noch weiter werden. Zum Beispiel das Rahmenabkommen. Minder hielt an seiner Haltung fest: «Wir wollen das Rahmenabkommen in seiner jetzigen Form nicht.» Selbst wenn die Schweiz Nein zu Beschlüssen der EU sagen könne, müsste sie sie trotzdem übernehmen. Bundesrat Cassis habe sich dazu aber noch gar nicht klar geäussert. Amsler nahm dagegen seinen FDP-Bundesrat in Schutz. Es sei richtig, dass man nachbessern und nachverhandeln müsste. Dann sage er Ja zum Rahmenabkommen. Germann dagegen sieht sich in erster Linie dem Volk verpflichtet, und auch er will verhandeln. «Wenn die Schweiz jetzt sagt, sie sei dafür, dann wird sich die EU erst recht nicht bewegen.» Portmann sagte Ja, aber: «Die SP steht ein für die bilateralen Verträge, aber es gibt eine rote Linie.» Ohne Nachverhandlungen sei er dagegen. Er sei schliesslich auch Gewerkschafter. Auf den Hinweis, dass er damit von der Parteilinie abweiche, sagte er, die Partei lebe davon. Und bekam Unterstützung von Hannes Germann: «Der Bundesrat braucht Druck. Darum sind wir froh um die Gewerkschaften.»
Joker bei «Ehe für alle»
Und dann ging die Runde weg von den harten Politfragen hin zu den nicht weniger komplizierten Gesellschaftsfragen. «Ich ziehe den Joker», sagt Minder auf die Frage, wie die Runde es denn mit der Ehe für alle halte. Germann schloss sich ihm gleich an. «Ich weiss gar nicht, was es da noch zu verhandeln gibt.» Jeder kann mit jedem, oder wie? Und dann könne bald jeder fünf Frauen haben. Lautes Raunen im Saal. Gemässigter reagierten die beiden Herausforderer. «Ich würde Ehe für alle mit einem Jein beantworten», sagte Amsler. Jeder solle sein Leben selbst wählen, aber er sei eben auch Christ mit Überzeugung. Ganz anders sah es Portmann. «Ich habe auch einen christlichen Hintergrund, aber ich glaube auch, dass diese Menschen mehr Rechte bräuchten.» Der grosse und einzige Applaus in dieser Runde gehört ihm.
Die Kandidaten mussten sich auch zur Krebstherapie äussern und ob jede Krankenkasse sie bezahlen sollte. «Ich bin im Grundsatz für das Leben und das kostet auch etwas», sagte Germann. Auch Minder und Amsler bejahten klar. Portmann packte die Gelegenheit, um die Bürgerlichen zu kritisieren. «Mir fehlt ihr klarer Wille.» Gegen Ende kam die Stimmung auf, die man zu Beginn der Debatte etwas vermisst hatte. Obwohl sich alle vier Kandidaten in der Frage über die CO2-Abgabe auf Flugtickets alle einig waren.
Vor der Wahl 2019: Ausgangslage in Schaffhausen
In 64 Tagen von heute an gerechnet wählt die Schweiz ein neues Parlament. Schaffhausen ist bereit für die National- und Ständeratswahl am 20. Oktober 2019. Den beiden bisherigen Ständeräten Hannes Germann (SVP) und Thomas Minder (parteilos) stehen zwei Herausforderer gegenüber. Regierungsrat Christian Amsler will den 2011 an Minder verlorenen FDP-Ständeratssitz wiedererobern. Die SP tritt ebenfalls wieder mit einem eigenen Kandidaten an, dem Kantonsrat Patrick Portmann.
Um die beiden von Thomas Hurter (SVP) und Martina Munz (SP) zu verteidigenden Nationalratssitze bewerben sich dieses Jahr 26 Kandidierende. Vor vier und acht Jahren waren es jeweils fünf weniger gewesen. Keine Kandidatur im Vergleich zu vor vier Jahren lanciert etwa die Junge SVP, ebenfalls gibt es keine Listen SP-International und SVP-International mehr. Dafür treten im Gegensatz zu 2015 die drei Mitteparteien CVP, EVP und GLP an, bei der GLP zusätzlich ihre Jungpartei sowie auch die Jungen Grünen. Die EVP macht sogar erstmals seit 1979 wieder bei einer Nationalratswahl mit.
Die Frist zur Einreichung der Nationalratswahllisten endet am kommenden Montag, 19. August. Beim Ständerat gibt es keine Frist.
Im Jahr des schweizweiten Frauenstreiks hat sich auch der Frauenanteil im Kandidatenfeld erhöht. Zumindest bei den Nationalratskandidierenden. Waren 2015 noch vier von 21 Kandidaten (19 Prozent) weiblichen Geschlechts, so finden sich heuer sieben Frauen unter den 26 Kandidierenden, also knapp 27 Prozent. Die meisten Nationalratslisten sind mit je einer Frau und einem Mann besetzt. Ausnahmen hiervon sind die Juso, die GLP, die Junge GLP, die CVP, der Jungfreisinn und die SVP, die je mit zwei Männern antreten.
Ob und welche Listenverbindungen die kandidierenden Parteien eingehen werden ist zurzeit noch weitgehend unklar. Listenverbindungen haben in erster Linie taktische Nutzen: Da kleine Parteien kaum mit den nötigen Stimmen zur Wahl ihrer Kandidaten rechnen können, sorgen Listenverbindungen dafür, dass die Stimmen wenigstens helfen, den Sitz im «richtigen» Lager zu sichern.
Entscheidungen stehen zum Teil noch aus. Eine Verbindung auf der linken Seite (SP, Juso, AL, Grüne, Junge Grüne) kommt offiziell zustande. Zuletzt war fraglich, ob FDP und SVP zusammenspannen. Vor allem die Angriffe aus der SVP auf Ständeratskandidat Christian Amsler in der Affäre BBZ hatten viele Freisinnige verstimmt. Dass die beiden Parteien ihre kantonalpolitischen Kriegsbeile hinsichtlich der nationalen Wahl begraben und als Bürgerblock geeint auftreten werden, haben die Parteipräsidenten zwar als wahrscheinlich eingestuft. Unterschrieben ist jedoch noch nichts. Entscheiden müssen dies die Parteiversammlungen. Die EDU wiederum hat ihren Wunsch nach einer Listenverbindung mit FDP und SVP bereits kundgetan.
Interessant wird auch sein, was die Mitteparteien GLP, CVP und EVP machen. Denkbar ist ein eigene Liste oder ein Zusammengehen mit links oder rechts – gemeinsam oder einzeln. (lbb)