Rund 700 Gäste feierten gestern Abend das 100-Jahr-Jubiläum des Landwirtschaftlichen Genossenschaftsverbandes Schaffhausen. Natürlich ging es dabei auch um Landwirtschaftspolitik.
von Karl Hotz
«Es gibt wenig Frauenberufe in der Schweiz: Hebammen, Kindergärtnerinnen und neuerdings auch Bundesrat.» Mit diesen und ähnlich träfen Sprüchen eroberte Bundesrat Ueli Maurer rasch die Herzen der rund 700 Gäste, die gestern Abend in der Stahlgiesserei das 100-jährige Bestehen des Landwirtschaftlichen Genossenschaftsverbandes Schaffhausen (GVS) feierten. Maurer war Überraschungsgast am grossen Fest der Schaffhauser Bauernsame. «Ich habe vor 45 Jahren als Stift in einer landwirtschaftlichen Genossenschaft begonnen und bin seither der Landwirtschaft verbunden», so Maurer.
Gehaltvolle Gesprächsrunde
Im Zentrum der Feier stand neben der Rede von Bundesrat Maurer, der sich überzeugt zeigte, dass die Landwirtschaft angesichts der rasant wachsenden Weltbevölkerung in Zukunft eine ungemein wichtige Rolle spielen wird, eine von Stefan Balduzzi moderierte Gesprächsrunde. Die Bauern hätten in Bern überproportionales Gewicht, weil sie sich stark engagierten und glaubwürdig seien, meinte dabei Ständerat Hannes Germann: «Jemand, der für die eigene Sache einsteht, hat mehr Gewicht als ein bezahlter Lobbyist.» Die Bauern, so Bundesrat Maurer, profitierten auch von einer gewissen Sehnsucht nach Heimat: «Sie sind, auch in der Politik, gewissermassen die Stellvertreter dieser Heimat und werden darum auch in den Städten gut gewählt.» Zudem hätten sie während ihrer Arbeit auch immer wieder einmal Zeit, um eine Stunde nachzudenken: «Das merkt man», fügte Maurer an. Und schliesslich sei jeder Bauer auch ein Unternehmer, der gelernt habe, dass ein Entscheid immer auch Folgen habe: «Das macht viele Bauernpolitiker unabhängig und resistent gegenüber Lobbyisten aller Art.» Urs Schneider, stellvertretender Direktor des Schweizerischen Bauernverbandes, mahnte, die Zahl der Bauern dürfe nicht mehr stark fallen. «Ich bin überzeugt, dass die Analyse von Bundesrat Maurer stimmt und die Ernährungsfrage in Zukunft an Stellenwert stark gewinnen wird. Wenn unser Land dafür gerüstet sein will, muss es die notwendigen Fachleute bereit haben.» Ernst Landolt, der auf Anfang Jahr vom Bauernstand in den Regierungsrat gewechselt hat, gestand, manchmal spüre er noch eine gewisse Wehmut, auch wenn ihm die neue Aufgabe sehr gut gefalle. Der langjährige Bauernsekretär mahnte die zu Hunderten anwesenden Bauern aber auch, die Arbeit ihrer Funktionäre und Politiker nicht zu unterschätzen: «Diese Leute tun sehr viel, und ich kann Ihnen aus Erfahrung versichern, dass die Lobbyarbeit nicht immer nur einfach ist.» Kurt Müller, Präsident des GVS, war wie Geschäftsleiter Ugo Tosoni überzeugt, dass der GVS mit seiner Konzentration auf drei Sparten ausgezeichnet aufgestellt sei. Der Bauernstand könne seine Interessen nur gut und glaubhaft vertreten, wenn sich jeder an seiner Stelle engagiere: «Das gilt ausgesprochen auch in der Politik. ‹Gang du› ist eine schlechte Politik, der ‹Du› nimmt dann vielleicht nur seine Interessen wahr.»
Den Berufsstand pflegen
Wie man denn den Beruf des Bauern aufwerten könne, wollte Balduzzi noch wissen. «Den Bauernberuf muss man nicht aufwerten, es ist schon ein ausgezeichneter Beruf», meinte Ernst Landolt schlagfertig und erntete damit den Beifall der rund 700 Gäste – in der ganz grossen Mehrzahl Genossenschaftsmitglieder und damit selber Bauern. Aber man müsse dafür kämpfen, dass die Bauern mit anständigen Preisen anständig leben könnten. Wichtig sei es aber auch, so Hannes Germann, den Managern der beiden grossen Ladenketten den Wert der Schweizer Produktion immer wieder vor Augen zu führen: «Da sind wir auf einem guten Weg – diese Einsicht wächst. Glücklicherweise auch bei den Konsumenten.» Bundesrat Maurer meinte in seinem kurzen Schlusswort, das die Gesprächsrunde abschloss, er ärgere sich immer wieder, wenn Landwirtschaftspolitik als Einsatz für eine kleine Gruppe angeschaut werde: «Landwirtschaftspolitik ist Landespolitik, nicht nur im Interesse der Bauern, sondern auch im Interesse aller Einwohner und deren Ernährungssicherheit.» Aufgelockert wurde der Abend durch die Artistengruppe Coloro. Auf die Leinwand projizierte Bilder aus 100 Jahren GVS-Geschichte sorgten zudem unter den Gästen immer wieder für ein «Weisch no».