Schaffhauser Nachrichten: Der Post-Liberalisierung droht Fiasko

Der Ständerat spricht sich zwar für die vollständige Liberalisierung des Postmarktes aus. Aber die Diskussion zeigt auch, wie referendumsgefährdet die Vorlage ist. Linke und Bewohner von Randregionen wehren sich gegen die Marktöffnung.

von Michael Brunner

Der Solothurner FDP-Ständerat Rolf Büttiker mochte sich gestern während der Ratsdebatte keinen Illusionen hingeben. «Der Berg der Postmarktliberalisierung ist hoch, sehr hoch, und der Weg auf diesen Berg ist lang und beschwerlich.» Tatsächlich zeigte die Debatte im Ständerat, wie umstritten die vollständige Liberalisierung des Postmarktes ist. Konkret soll das Gesetz das verbliebene Post-Monopol auf Briefen bis zu 50 Gramm zum Verschwinden bringen. Damit würden gleich lange Spiesse zwischen den Postanbietern entstehen. Den Grundversorgungsauftrag soll die Post künftig nicht mehr durch Monopolgewinne finanzieren, sondern mittels eines Fonds, den alle Postanbieter speisen müssten. Nächste Woche wird der Ständerat das Post-Organisationsgesetz beraten, das aus der Post eine Aktiengesellschaft machen will.

Behutsame Öffnung
Nun weiss natürlich auch der Bundesrat, dass die Postmarktliberalisierung umstritten ist. Deshalb schlug er dem Ständerat ein behutsames Vorgehen vor. Demnach soll das Restmonopol auf Briefen von bis zu 50 Gramm erst ein Jahr nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes fallen – und dann soll nochmals ein Referendum möglich sein. Der Hintergedanke: Wenn nur gegen das Restmonopol das Referendum ergriffen wird, fällt nicht das ganze Gesetz. Nur eine kleine Minderheit im Ständerat sprach sich gegen diese Strategie aus. Mit 9 zu 31 Stimmen scheiterte der Antrag, die sofortige Marktöffnung ins Gesetz zu schreiben. Bedeutend aussichtsreicher war der Versuch, die Aufhebung des Restmonopols ganz zu verhindern. Mit 19 zu 20 Stimmen unterlag ein entsprechender Anlauf. Der grosse Widerstand resultiert aus einer ungewöhnlichen, aber schlagkräftigen Koalition der Gegner. Auf der einen Seite stehen Linke und Gewerkschaften. Sie glauben, dass mehr Markt zu schlechte- ren Arbeitsbedingun-gen führt. «Leider heisst Wettbewerb oft, dass nicht bessere Ideen obsiegen, sondern der Anbieter gewinnt, der zehn Prozent tiefere Löhne zahlt», sagt die Thurgauer SP-Nationalrätin Edith Graf-Litscher. Auf der anderen Seite stehen Bürgerliche aus ländlichen Gebieten. Sie befürchten, dass die Liberalisierung zu einem Abbau bei den Poststellen führt. Mit mehreren Minderheitsanträgen, unter anderem von den SVP-Ständeräten Hannes Germann (SH) und Hermann Bürgi (TG), versuchten sie dieser Tendenz entgegenzuwirken. «Die Konkurrenz wird der Post zusetzen», sagt der Bündner CVP-Ständerat Theo Maissen. «Um Kosten zu sparen, wird sie dann ihren an sich praktisch unveränderten Grundversorgungsauftrag schlechter erfüllen.»

SP droht mit Referendum
Auch Bürgi, der durch die Aufregung um Poststellenschliessungen im Thurgau sensibilisiert wurde, macht sich Sorgen um die Grundversorgung. Obwohl er mit seinem Antrag, dass die Kantone bei der Ausgestaltung der Kriterien fürs Poststellennetz stärker einbezogen werden müssten, ganz knapp scheiterte, ist er aber nicht gegen das neue Gesetz. «Im Grundsatz ist es schon richtig, wenn die Post fit für den Markt wird.» Zudem sei es ihm gelungen zu sensibilisieren. «Der Bundesrat weiss auch, dass er bei den Kriterien fürs Poststellennetz behutsam vorgehen muss und die Kantone nicht vor den Kopf stossen kann.» Bürgi räumt aber ein, dass das Gesetz in ländlichen Gegenden wie im Thurgau viele Gegner haben werde. Das weiss auch die SP, die bereits die Messer wetzt. «Ich gehe davon aus, dass vonseiten der Gewerkschaften und von uns das Referendum gegen das ganze Gesetz kommt», sagt SP-Generalsekretär Thomas Christen. Im Abstimmungskampf dürften die Liberalisierer keinen einfachen Stand haben. Zwar versprechen sie, dass mehr Markt tiefere Preise für die Konsumenten bringt. Die Gegner bestreiten dies aber und verweisen auf steigende Strompreise.