Schaffhauser Nachrichten: Der US-Steuerdeal nimmt die erste Hürde

Der Ständerat hat das Gesetz abgesegnet, das den Steuerstreit mit den USA beilegen soll. Nach langer Debattemit zahlreichen und äusserst kontroversen Wortmeldungen nahm somit die Gesetzesvorlage die erste Hürde und geht an den Nationalrat. Dort dürfte der Widerstand aber ungleich grösser sein.

Von Eveline Rutz

Äusserst widerwillig hat der Ständerat die Kröte geschluckt: Er sagt Ja zum Steuerdeal mit den USA. Er sei «die beste aller schlechten Lösungen», fand gestern eine Mehrheit von 24 Ratsmitgliedern. 15 lehnten das Bundesgesetz ab, 2 enthielten sich der Stimme. Die kleine Kammer hat den Entwurf des Bundesrates allerdings in einigen Punkten ergänzt.

So hat sie unter anderem den Rechtsschutz der Anwälte, Treuhänder und Vermögensverwalter verbessert. Sie sollen von den Banken vorgängig informiert werden, wenn ihre Daten den US-Behörden geliefert werden. Sie sollen sich zudem mit einer Klage zur Wehr setzen können. Neu ist auch der Passus, dass Banken andere Institute innerhalb von zehn Tagen warnen müssen, wenn diese auf Abschleicherlisten auftauchen. Auf Antrag der Linken soll die Finanzmarktaufsicht (Finma) zudem untersuchen, welche Geschäfte Banken seit Anfang 2001 mit ausländischen Kunden getätigt haben und ob diese rechtmässig waren.

Berufsverbot wird später Thema

Keine Chance hatte hingegen die Idee, fehlbaren Managern ein Jahr lang die Bewilligung zu entziehen, eine Bank zu führen. Vergeblich appellierte Anita Fetz (SP/BS) an den Ständerat, die Spitzen der fehlbaren Banken endlich zur Verantwortung zu ziehen. Eine Mehrheit pochte darauf, über ein Berufsverbot gesondert zu befinden, und hiess eine entsprechende Motion der Wirtschaftskommission (WAK) gut. Dass der Rat gestern überhaupt auf das Geschäft eintrat, war sieben Abweichlern zu verdanken. Felix Gutzwiller (FDP/ZH) und Paul Rechsteiner (SP/SG) hatten bereits im Vorfeld klargemacht, dass sie in die Diskussion einsteigen würden. Gegen ihre Fraktionen für Eintreten stimmten zudem: Christine Egerszegi (FDP/AG), Pascal Bruderer (SP/AG), Anita Fetz (SP/BS), Hans Stöckli (SP/BE) und This Jenny (SVP/GL).

Über den Schatten gesprungen

«Ich habe dafür einen gewaltigen Sprung über meinen Schatten machen müssen», räumte Fetz ein. Immerhin sei sie ja nicht gerade als «grosse Freundin von staatlichen Bankenhilfsübungen» bekannt – schon gar nicht, wenn diese bedingungslos seien. Sie warnte davor, dass Banken einander unter Rechtsbruch gegenseitig verpfeifen könnten. Das wäre volkswirtschaftlich und staatspolitisch verheerend. Jenny verwies auf das klare Bekenntnis der Bankenvertreter. «Das sind nicht alles Anfänger, Zombies und Abzocker.» Letztlich gehe es auch um Arbeitsplätze, um Unternehmen und Familienexistenzen. Es nütze herzlich wenig, wenn einzelne Banker ins Gefängnis müssten. Erwartungsgemäss für den Deal setzten sich CVP-, BDP- und GLP-Vertreter ein. «Jede Bank kann selber wählen und selber zahlen», sagte Pirmin Bischof (CVP/SO) zum US-Programm. Damit könne man unter die Vergangenheit endlich einen Schlussstrich ziehen. Komme das Gesetz nicht zustande, drohe eine massive Eskalation. Darunter hätten nicht nur die betroffenen Finanzinstitute, sondern auch die Volkswirtschaft zu leiden. Drei Viertel der Banken würden mit dem Gesetz von den Problemen mit der US-Justiz befreit, gab Isidor Baumann (CVP/UR) zu bedenken. Ihnen dies wegen des einen Viertels mit einer gewissen Schuld zu verunmöglichen, sei nicht angemessen. Heftige Opposition kam in erster Linie aus den Reihen der FDP und der SVP. Sie fühle sich wie eine Fussballspielerin, die aufs Feld geschickt werde, der jedoch die Spielregeln verschwiegen würden, kritisierte Karin Keller-Sutter (FDP/SG). Allein der Bundesrat kenne den Inhalt des US-Angebots, monierte ebenso Hannes Germann (SVP/SH). Er müsse das Heft daher selbst in die Hand nehmen. «Es steht nicht weniger als die Glaub- würdigkeit des Rechtsstaates auf dem Spiel.» Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf wies den Vorwurf zurück. «Wenn wir in der Lage gewesen wären, das Problem zu lösen, hätten wir es gemacht.» Mit Einzelbewilligungen sei es den Banken jedoch nicht möglich, allen Forderungen der USA nachzukommen. Sie aufzufordern, Schweizer Recht zu brechen, sei schon gar kein gangbarer Weg. Nach der mehr als sechsstündigen Debatte konnte Widmer-Schlumpf schliesslich einen ersten Erfolg verbuchen. Ihr steht allerdings eine weitere Zitterpartie bevor. Im Nationalrat kommen SP, FDP und SVP, die nicht auf das Geschäft eintreten wollen, zusammen auf 156 von 246 Stimmen. Das Nein-Lager ist damit grösser als in der kleinen Kammer; Abweichler werden weniger stark ins Gewicht fallen. Bleiben die Parteien bei ihren Haltungen, sieht es für den Deal schlecht aus. Ein erstes Stimmungsbild wird die heutige Sitzung der nationalrätlichen Wirtschaftskommission geben. Angesichts der rund 100 Fragen, die im Vorfeld eingegangen sind, dürfte sie intensiv werden.

«Wenn wir in der Lage gewesen wären, das Problem zu lösen, hätten wir es gemacht»

Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf sitzt mit verschränkten Armen und ausdrucksloser Miene an ihrem Pültchen, während aufgebrachte Ständeräte «Kriegserklärung, Erpressung, Kapitulation!» in den Saal rufen. Gerade poltert der parteilose Schaffhauser Thomas Minder, er hätte nie gedacht, dass sich die Schweiz so erniedrigen lassen würde. Einen Augenblick lang spannt die Finanzministerin ihren asketischen Körper, dann beugt sie sich über ihre Blätter aus grauem Recyclingpapier und notiert. Drei, vier Seiten füllt sie während der mehrstündigen Debatte an diesem Mittwochvormittag mit ihrer engen Schrift; einzelne Passagen blitzen unter gelbem und rosarotem Leuchtstift hervor. Nur einmal kommt Leben in die Bundesrätin: Widmer-Schlumpf verzieht das Gesicht zu einem Lachen und nickt heftig, als der Glarner SVP-Ständerat This Jenny entgegen der Linie der Partei den Steuerdeal in Schutz nimmt. Dann sitzt Widmer-Schlumpf wieder konzentriert da. Greift ab und zu zum Glas mit dem Fruchtsaft. Notiert.

Von kämpferisch bis beherrscht

Über 20 Rednerinnen und Redner haben ihre Argumente vorgebracht, jetzt ist die Bundesrätin am Zuge. Das Plädoyer der Bündnerin für das Spezialgesetz zur Lösung des Steuerstreits kommt kämpferisch und wie aus einem Guss. Im gewohnt monotonen Tonfall, aber ohne ein Zögern arbeitet sie beharrlich die Fragen der Kritiker ab und stösst zum finalen Satz vor: «Ja, die Banken sollen Verantwortung tragen. Dann lassen Sie sie das jetzt tun.» Es ist ein Uhr mittags, als der Rat sie erlöst und mit 24 zu 20 Stimmen Eintreten auf das Geschäft beschliesst. Widmer-Schlumpf ordnet ihre Papiere, erhebt sich und gestattet sich ein knappes Lächeln, wechselt einige Worte mit Parlamentariern der SP, der CVP und der Grünen, dann drängt sie ohne Kommentar an den TV-Kameras im Ständeratsvorzimmer vorbei, ihre Dossiers fest an die Brust gedrückt. Das Tempo ist hoch: Nach einer halben Stunde Pause geht es weiter mit der Detailberatung. Nachdem SP und Grüne mit Hilfe der CVP eine Reihe von Änderungen angebracht haben, bestätigt sich für Widmer-Schlumpf am Nachmittag der Etappensieg: Der Ständerat sagt Ja zum Gesetz, erneut stimmen 24 Mitglieder dafür. Widmer-Schlumpf muss ein Stein vom Herzen gefallen sein, anmerken lässt sie sich aber kaum etwas. Sie sei froh über das Ergebnis, sagt sie in einen Wald aus Mikrofonen, doch sie rechne damit, dass die Hürde im Nationalrat noch höher sei. Dann schreitet sie rasch an der Seite ihrer Sprecherin davon: Ihre Minipartei, die BDP, erwartet sie am nachmittäglichen Fraktionsausflug. Während sich Widmer-Schlumpf Richtung Spiez aufmacht, sagt CVP-Fraktionschef Urs Schwaller bei einem Gespräch im Bundeshaus, der Steuerdeal sei längst ein «Anti-Widmer-Schlumpf-Dossier». Will heissen: ein Angriff auf den Bundesratssitz der BDP. Schwaller sagt, für die FDP sei das eine Personalfrage. Und für die CVP etwa nicht? Schwaller winkt ab, das sei nicht CVP-Stil. «Schreiben Sie das.»

In letzter Minute aufs Schiff

Fünf Minuten vor dem Ablegen des Schiffs hat es Widmer-Schlumpf nach Spiez geschafft. Auf dem Thunersee entspannt sie sich und geniesst die Sonne und den herzlichen Empfang durch die BDP: So erzählt es BDP-Geschäftsführerin Nina Zosso am Telefon. «Wir unterstützen sie, wir freuen uns. Wir sind wie eine Familie.» (dla)