Schaffhauser Nachrichten: Deutsche sollen Steuerloch stopfen

Schweizer Einkäufer lassen sich in Deutschland -hier in Konstanz- die Mehrwertsteuer zurückerstatten. Bild Keystone

Schweizer Einkaufstouristen reissen ein grosses Loch in die Mehrwertsteuerkasse des Bundes. Geht es nach Ständerat Peter Hegglin, überweisen die Nachbarländer die Rückerstattungen nicht mehr den Konsumenten, sondern direkt dem Bund.

Von Alexa Scherrer

SCHAFFHAUSEN/BERN Es sind mehr als 500 Millionen Franken, die dem Bund an Mehrwertsteuern durch die Lappen gehen – weil Schweizer jährlich für gegen elf Milliarden im Ausland auf Einkaufstour gehen. Der Einkaufstourismus beschäftigt nicht nur die Grenzregionen, sondern auch Bundesbern schon lange. Der Glarner SVP-Ständerat Werner Hösli hat vergangene Woche einen neuen Anlauf genommen. Er forderte, die Wertfreigrenze von heute 300 auf künftig 50 Franken herabzusetzen. Der Vorstoss wurde allerdings nicht an den Bundesrat, sondern an die Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK) zur Vorprüfung weitergeleitet. Vorläufig ändert sich also erstmals nichts an der gängigen Praxis.

Gestern jetzt hat der Zuger CVP-Ständerat Peter Hegglin eine unorthodoxere Motion eingereicht. Hinter dem Titel «Stopp der Zoll- und Steuerfreizone rund um die Schweiz!» versteckt sich der Vorschlag, die Deutschen für das Millionenloch in der Mehrwertsteuerkasse des Bundes bezahlen zu lassen. Hegglin und sieben Mitunterzeichner – darunter auch Werner Hösli – wollen den Bundesrat beauftragen, die bestehenden Einnahmelücken «im grenzüberschreitenden Einkaufsverkehr» zu schliessen. Dafür seien mit den Nachbarstaaten entsprechende Regelungen zu definieren.

«Gleich lange Spiesse»

Eine davon: Die Mehrwertsteuer wird nicht mehr dem Schweizer, der etwa in Deutschland einkauft, zurückerstattet, sondern direkt «dem Nachbarstaat» – also dem Schweizer Bund – überwiesen. «Zwischen den EU-Staaten bestehen bereits solche Abkommen», sagt Hegglin den «Schaffhauser Nachrichten». Wer als Schweizer in der Schweiz einkaufe, könne die Mehrwertsteuer dort auch nicht zurückfordern. «Es geht darum, gleich lange Spiesse zu schaffen», sagt Hegglin. Wer etwa in Deutschland einkaufe, profitiere weiterhin von den tieferen Preisen – nur könne er sich nicht auch noch die Mehrwertsteuer zurückzahlen lassen.

Welche Chancen rechnet er seinem Vorstoss aus? «Bis jetzt ist die Resonanz durchaus positiv», sagt Hegglin. Es sei ihm klar, dass eine solche Lösung das Problem des Einkaufstourismus nicht eliminiere, aber sie helfe zumindest mit, das durch fehlende Steuern und Gebühren entstehende Loch in der Bundeskasse zu stopfen. «

Denn das wird immer grösser», sagt der Zuger. Wie positiv die deutsche Politik Hegglins Vorschlag gegenübersteht, ist allerdings fraglich.

Auch der Schaffhauser SVP-Ständerat Hannes Germann spricht von ungleich langen Spiessen. Denn: «Wer in der Schweiz einkauft, wird diskriminiert.» Dennoch zeigt er ein gewisses Verständnis für die Einkaufstouristen: «Sie verhalten sich durchaus rational und ökonomisch.» Niemand wolle die Leute bevormunden. «Sie sollen die Vorteile, die eine Grenzregion bringt, auch nutzen können. Da denke ich pro Grenzregion», sagt Germann.

Germanns neue Lobbygruppe

Vielmehr will sich der Schaffhauser darauf konzentrieren, die Nachteile für diejenigen, die in der Schweiz einkaufen, auszumerzen. Dafür sollen «auf unserer Seite der Grenze positive Anreize geschaffen werden» – zusammen mit dem Netzwerk Grenzgemeinden. Wie der «Tages-Anzeiger» gestern schrieb, fand vergangene Woche beim Schweizerischen Gemeindeverband – den Germann präsidiert – das erste Treffen statt. Ziel sei es, als eigenständige Lobbygruppe aufzutreten. Germann gehe es vor allem darum, die Betroffenen zu vernetzen und «Beispiele für Massnahmen aufzuzeigen, die besonders wirksam sind».

Die Motion Hösli zur Herabsetzung der Freigrenze habe er nicht unterzeichnet. «Sie würde einen enormen administrativen Mehraufwand bedeuten», sagt Germann. Dennoch sei es eine Möglichkeit, die jetzt eingehend geprüft werden müsse. Als Mitglied der WAK hat Germann jetzt auch Zeit dazu. Die Kommission sieht sich aber auch mit dem Vorwurf konfrontiert, sie trödle beim Thema Einkaufstourismus. «Wir sehen vom Wirtschaftsdepartement her keinen erkennbaren Willen, das Thema weiter voranzutreiben», sagt etwa die Luzerner SP-Konsumentenschützerin Prisca Birrer-Heimo (SP/LU) in der«Aargauer Zeitung». Man sei der Meinung, der Markt regle alles.

Dass es Vertreter dieser Meinung gibt, streitet Germann nicht ab. Aber dass ein beträchtlicher Teil der Kaufkraft abfliesst, sei nicht zu negieren. «Um ein Bündel von Massnahmen zu präsentieren, die für Gerechtigkeit sorgen könnten, braucht es jetzt aber noch etwas Denkarbeit», sagt Germann.