Nachgefragt Hannes Germann, Präsident des Verbandes Schweizerischer Gemüseproduzenten und Ständerat (SVP/SH)
von Eveline Rutz
Herr Germann, die Gemüseproduzenten der EU leiden wegen des EHEC-Erregers unter massiven Verkaufseinbussen. Wie sieht die Situation der Schweizer Gemüseproduzenten aus?
Hannes Germann: Sie sieht ähnlich dramatisch aus. Auch die Schweizer Gemüseproduzenten leiden unter der EHEC-Krise, die Einbussen betragen bis zu 80 Prozent. Besonders stark betroffen sind Genf sowie die traditionell grossen Anbaugebiete im Berner Seeland, im Thurgau und im Kanton Zürich.
Können Sie den Schaden beziffern?
Germann: Der Schaden nimmt mit jeder weiteren Woche zu und geht in die Hunderttausende. Wenn aus Deutschland fast im Tagesrhythmus ein anderes Gemüse als mögliche Erregerquelle genannt wird, hat das natürlich verheerende Auswirkungen. Bislang sind wir von Einbussen von insgesamt ein bis zwei Millionen Franken ausgegangen. Ich denke, dass wir damit richtig liegen. Externe Experten sind derzeit aber daran, genaue Abklärungen zu treffen.
Die Behörden gehen davon aus, dass Schweizer Gemüse bedenkenlos konsumiert werden kann. Dennoch bleiben derzeit insbesondere Gurken in den Regalen liegen. Wie erklären Sie sich das?
Germann: Das ist auf die Verunsicherung zurückzuführen, die durch die Meldungen aus Deutschland entstanden sind. Wenn zum Beispiel die Gastronomie entscheidet, auf Nummer sicher zu gehen und den Salat ohne Gurken anzubieten, dann merkt man das. Die Grossverteiler wiederum können keine neue Ware bestellen, wenn die Regale noch voll sind. Das ist nachvollziehbar. Dass viele Konsumenten verunsichert sind, ist zwar nicht rational, aber verständlich.
Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang die Informationspolitik der Schweizer Behörden?
Germann: In der Schweiz hat man meiner Meinung nach sehr gut reagiert und informiert. Das Bundesamt für Gesundheit hat wiederholt Entwarnung gegeben. Es finden laufend Laboranalysen statt. Das Resultat war bislang immer das gleiche: Das Schweizer Gemüse ist einwandfrei.
Wäre es nicht ein Zeichen von Solidarität, gerade jetzt Schweizer Gemüse zu konsumieren?
Germann: Für eine Solidaritätsaktion wäre nun sicher der beste Zeitpunkt. Ich bin diesbezüglich mit verschiedenen Grossverteilern im Gespräch. Coop etwa hat beschlossen, Gurken mit einer nationalen Aktion gezielt an die Konsumenten zu bringen. Migros wird folgen.
Gurken waren ja bereits in den letzten Tagen zu einem Tiefpreis zu haben.
Germann: Damit muss man nun halt leben. Wenn ein Überangebot herrscht, ist das nicht anders zu erwarten. Noch mehr schmerzt es jedoch, wenn man hochwertige Lebensmittel vernichten muss.
Was wird mit den Gurken gemacht, die nicht verkauft werden können?
Germann: Man kann sie nur kurz lagern. Danach muss man sie vernichten. Sie werden wie die übrigen natürlichen Abfälle einer Biogasanlage zugeführt.
Die Europäische Union will ihre Gemüseproduzenten für die Ausfälle mit 210 Millionen Euro entschädigen. Was fordern die Schweizer Produzenten?
Germann: Zuerst klären Fachleute der Hagelversicherung nun ab, wie hoch die Schäden tatsächlich sind. Diese externen Experten sind seit gestern im Einsatz. Sie erheben das Ausmass der Ausfälle bei Gurken, Tomaten und grünen Salaten. Sobald die Schäden erhoben sind, werden wir eine konkrete Forderung stellen. Ich bin dazu auch mit dem Bundesamt für Landwirtschaft im Gespräch, wir werden gemeinsam weiter vorgehen.
Welche Signale haben Sie vom Bundesamt für Landwirtschaft erhalten?
Germann: Ermunternde. Die heutige Krise ist mit jener nach Tschernobyl oder der Zeit der BSE-Fälle vergleichbar, als finanzielle Entschädigungen geleistet wurden. Eine Voraussetzung für Entschädigungen ist, dass eine Krise nicht selbst verschuldet ist. Es muss zudem eine ausserordentliche Situation vorliegen, und eine Krise muss substanzielle Folgen für einzelne Betriebe haben. Die Branche muss einen Teil der Ausfälle zudem selbst tragen. Die Bereitschaft dazu ist zweifellos da. Gemäss dem Art. 13 des Landwirtschaftsgesetzes spricht also nichts gegen Entschädigungen.
Wie zuversichtlich sind Sie, dass die Forderungen der Gemüseproduzenten erfüllt werden?
Germann: Ich bin sehr zuversichtlich. In der EU hat man sich im analogen Fall entschieden zu handeln.