Schaffhauser Nachrichten: «Die Kuh vom Eis kriegen»

Die Schweiz wird mit den USA kaum über ein Freihandelsabkommen verhandeln – so sehen es die Ostschweizer Politiker.

von Michael Brunner

Bern – Wenn Bundesrat Joseph Deiss heute ans Weltwirtschaftsforum reist, dürfte er kaum bester Laune sein. Denn neben den üblichen Treffen muss er eine Strafaufgabe erfüllen, welche ihm der Gesamtbundesrat letzten Mittwoch aufgegeben hat. Obwohl die Schweiz bereits seit drei Monaten explorative Gespräche über ein Freihandelsabkommen mit den USA führt, soll Deiss heute Abend mit US-Verhandlungsführer Robert Portman nochmals ausloten, ob die USA kompromissbereit sind. Es geht dabei vor allem darum, ob die USA in der Landwirtschaft Ausnahmen vom Prinzip des Freihandels zulassen.

Kein Bauernopfer bringen
Bleibt Deiss erfolglos, werden formale Verhandlungen gar nicht erst aufgenommen. Und dieses Szenario ist wahrscheinlich, zumindest wenn es nach der Einschätzung von Ostschweizer Bundesparlamentariern geht. «Es wird schwierig, die Kuh noch vom Eis zu kriegen», sagt Peter Spuhler, Thurgauer SVP-Nationalrat und Unternehmer. Er würde ein Abkommen mit den USA begrüssen. «Allerdings dürfen wir dabei kein Bauernopfer bringen.»
Der Schaffhauser FDP-Ständerat und Promotor eines Freihandelsabkommens mit den USA, Peter Briner, sieht die Chancen für Verhandlungen bei höchstens 50 Prozent. Bei einem Scheitern bliebe nur, mit typisch «helvetischer Pflästerlipolitik» Einzelheiten zu verbessern und damit den Schaden für die Wirtschaft zu minimieren. Hannes Germann, Schaffhauser SVP-Ständerat und Präsident der Kommission für Wirtschaft und Abgaben, verweist sichtlich enttäuscht darauf, dass der Bundesrat in seinen strategischen Zielen Freihandelsabkommen explizit erwähne. «Und nun scheint schon der erste Tatbeweis zu misslingen.» Germann wie Briner betonen, dass die USA erst 2010 und 2011 wieder die Möglichkeit haben werden, in einem innenpolitisch verkürzten Verfahren ein Freihandelsabkommen abzuschliessen. Und dann könnte auch die EU interessiert sein. «Kommt es zu einem Abschluss USA-EU, sieht die Schweiz steinalt aus», warnt Germann.
Briner und Germann wünschten sich, dass zumindest formell verhandelt wird. Erst dann zeige sich, ob die USA zu Zugeständnissen bereit seien, wie sie sie gegenüber anderen Ländern gemacht haben. Der Thurgauer CVP-Ständerat und Präsident der Aussenpolitischen Kommission, Philipp Stähelin, sieht das anders: «Zeigen sich die USA jetzt nicht flexibel, ist die Übung besser abzubrechen.» Scheiterten nämlich formale Verhandlungen, führe dies zu einem Gesichtsverlust.
«Jetzt hängt alles davon ab, ob US-Vertreter Portman trotzdem weiterverhandeln will», sagt auch der Bauernpräsident und Thurgauer SVP-Nationalrat Hansjörg Walter. Der Gegner eines Abkommens glaubt nicht so recht daran: «Die Schweiz kennt in vielen Bereichen, nicht nur in der Landwirtschaft, EU-Spielregeln.» Das passe mit den USA nicht wirklich zusammen.
Von Anfang an sehr skeptisch gegenüber einem Freihandelsabkommen mit den USA war die SP. Entsprechend zufrieden zeigt sich SP-Präsident Hans-Jürg Fehr über die aktuelle Situation: «Ich glaube, jetzt sucht Bundesrat Deiss nur noch einen eleganten Ausweg.»

Taktiert der Bundesrat?
Dass das Abkommen nun wohl sehr früh scheitert, damit konnte Fehr nicht unbedingt rechnen. Denn bis vor wenigen Tagen zeigten sich neben dem linken Lager nur die Bauern ablehnend. «Offenbar will die SVP die Bauern anderthalb Jahre vor den nächsten Wahlen nicht unnötig verärgern und ist daher umgeschwenkt.» Das bestreitet Germann energisch. «Die Grundstimmung gegenüber einem Freihandelsabkommen ist in der Partei weiterhin positiv.» Für Germann bleibt daher vorerst unklar, warum im Bundesrat die Stimmung gekippt ist. «Ich hätte dafür nur Verständnis, wenn der Bundesrat taktiert und durch sein Verhalten die Amerikaner zu Zugeständnissen bewegen will. Das wäre aber ein sehr riskantes Spiel.»