
Eine Niederlage für die reichen Kantone: Der Vorschlag, sie im Finanzausgleich zu entlasten, bleibt im Ständerat nach einer hitzigen Diskussion chancenlos.
Von Jürg Ackermann

Die Nehmerkantone setzen sich durch
Bern Dem Ständerat wird gerne nachgesagt, er sei eine «Chambre de réflexion». Eine Kammer also, die besonnen diskutiert und den Blick aufs Ganze nie verliert. Wer gestern die vierstündige Debatte im Bundeshaus verfolgte, konnte jedoch auch zu einem anderen Schluss kommen. Die Ständeräte entpuppten sich für einmal als stramme Interessenvertreter. Was allein zählte, war das Wohl des eigenen Kantons.
Neun Monate vor den Wahlen hätte es für viele Parlamentarier auch an politischen Selbstmord gegrenzt, wenn sie freiwillig auf Millionen aus dem Honigtopf Finanzausgleich verzichtet hätten. Auch wenn der eine oder andere – im stillen Kämmerlein – den Vorschlag des Bundesrates vielleicht gar nicht so schlecht fand: Weil es selbst der finanzschwächste Kanton (Uri) zuletzt über die Zielgrösse von 85 Prozent des Schweizer Durchschnitts geschafft hatte, wollte die Regierung die Geberkantone, zu denen auch Schaffhausen zählt, um 134 Millionen jährlich entlasten. Es hätte ein kleiner Reformschritt werden sollen. Doch das Unterfangen scheiterte grandios. Nachdem bereits die vorberatende Kommission für den Status quo plädiert hatte, versenkte gestern auch die Mehrheit im Rat den Vorschlag der Regierung – mit 28 zu 16 Stimmen. Das Ergebnis widerspiegelte genau das Verhältnis zwischen den 17 Nehmer- und den 9 Geberkantonen.
«Das wird langsam unerträglich»
Die Wortwahl in der Debatte sagte einiges über die Gefühlslage in den Geberkantonen aus. Der Frust sitzt tief, insbesondere in Zug und Schwyz, die pro Kopf am meisten Geld in den Ausgleichstopf zahlen und deren Belastung in den letzten Jahren zum Teil stark gestiegen ist. So zahlt Zug rund 70 Prozent mehr ein als noch 2008. Für die Tatsache, dass sich die Nehmerkantone «auf Kosten der Geberkantone über das gesetzliche Ziel hinaus mit Eigenmitteln ausstatten», brachte der Zuger Ständerat Peter Bieri denn auch wenig Verständnis auf. «Das verstösst gegen Treu und Glauben. Das kann ich meiner Bevölkerung nicht mehr erklären.» Sein Kollege Joachim Eder (FDP/ZG) erklärte, die Verweigerung jedes Entgegenkommens werde langsam unerträglich. Von gelebter Solidarität könne schon lange keine Rede mehr sein. Am weitesten ging Alex Kuprecht. Zwischen den Sätzen platzierte der Schwyzer SVP-Ständerat auch ein paar Boykottdrohungen. Er sprach von «Teilzahlungen und Sperrkonten», falls die Politik die Anliegen der Geberkantone weiter ignoriere. Sauer stösst den Geberkantonen beispielsweise auf, dass Stände wie das Wallis, das 560 Millionen Franken jährlich aus dem Finanzausgleich bezieht, seine Kantonsangestellten mit 62 in Rente schickt. «Das könnten wir uns nie leisten», sagten die Schwyzer Standesvertreter. Anita Fetz aus dem ressourcenstarken Halbkanton Basel-Stadt schliesslich sprach von einem «Kartell der Nehmerkantone».
Starke Kantone noch stärker
Die Kritisierten liessen sich allen markigen Voten zum Trotz nicht aus der Ruhe bringen. Sie zweifelten vor allem daran, dass die derzeit gute Ausstattung des Ressourcenausgleichs nachhaltig sei und eine Senkung der Beiträge gerechtfertigt wäre. Zwar stellte niemand in Abrede, dass die Geberkantone grosse Leistungen für den Zusammenhalt des Landes erbringen. Viele Redner wiesen aber darauf hin, dass die starken Kantone in den letzten Jahren trotz höherer Zahlungen in den Finanzausgleich noch stärker geworden sind – dank tiefen Steuern, Ansiedlung von Unternehmen, hervorragender Infrastruktur oder guter Anbindung an die Wirtschaftsmetropole Zürich. «Wenn wir jetzt den Finanzausgleich mit weniger Geld ausstatten, werden die Kantone immer weniger in der Lage sein, ihre Aufgaben wahrzunehmen», warnte Urs Schwaller (CVP/FR). Dies schwäche den Föderalismus und könne letztlich auch zu einer Steuerharmonisierung führen.
Zu früh für Anpassungen
«Der Finanzausgleich, wie wir ihn jetzt kennen, ist erst seit sechs Jahren in Kraft. Es ist noch zu früh, jetzt schon Anpassungen vorzunehmen», sagte auch der Innerrhoder Ständerat Ivo Bischofberger (CVP) nach der hitzigen Debatte. Für Änderungen seien zudem die Kantone und nicht der Bundesrat zuständig.