Der Ständerat stimmt der schrittweisen Öffnung des Arbeitsmarktes für alle neuen EU-Staaten oppositionslos zu.
bern – Die Ausdehnung der Personenfreizügigkeit hat die erste Hürde im Parlament genommen. Die Ständeräte waren sich einig, dass die schrittweise Öffnung des Arbeitsmarktes für Arbeitskräfte aus den 15 neuen EU-Mitgliedstaaten bis 2011, mit Schutzklausel bis 2014, ein Muss sei. Sie verabschiedeten das Zusatzprotokoll zur Ausdehnung der Personenfreizügigkeit mit 30 zu 0 Stimmen. Die Öffnung der Grenzen bringe klare Vorteile für die Exportwirtschaft, sagte Joseph Deiss, Bundespräsident und Vorsteher des Volkswirtschaftsdepartements. Verschiedene Redner befürchteten zudem, dass ein Nein die Verträge mit den alten EU-Staaten gefährden könnte.
Blocher: «Löhne sinken»
Unterschiedlich gewichtet wurden negative Auswirkungen auf den Schweizer Arbeitsmarkt, welche die Öffnung haben könnte. Am deutlichsten wurde der Vorsteher des Justiz- und Polizeidepartements, Christoph Blocher. Der Druck auf die Löhne werde steigen, prophezeite er. Die Arbeitslosigkeit werde steigen und sich den Verhältnissen im Ausland annähern. Mit seinem Votum rief Blocher heftige Reaktionen hervor. Sowohl der Präsident der Aussenpolitischen Kommission, Peter Briner (FDP/SH), als auch Deiss widersprachen heftig. Das Gegenteil sei der Fall, sagte Deiss: Ohne Freizügigkeit würden mehr Firmen ihre Produktion ins Ausland verlagern.
Um Tieflöhne zu verhindern, segnete der Ständerat mit 31 zu 0 Stimmen bei zwei Enthaltungen eine Verschärfung der flankierenden Massnahmen ab. Einige arbeitgeberfreundliche Lockerungsanträge wurden abgelehnt. So sollen im Falle eines Missbrauchs Firmen leichter Gesamtarbeitsverträgen (GAV) unterstellt werden können. Bisher konnte der GAV allgemein verbindlich erklärt werden, falls 30 Prozent der Arbeitgeber und 30 Prozent der Arbeitnehmer im GAV organisiert sind. Auf Vorschlag des Bundesrats hob der Ständerat das Quorum der Arbeitgeber auf und setzte jenes der Arbeitnehmer auf 50 Prozent. Das reiche, um annehmen zu können, dass die GAV-Löhne branchenüblich seien, sagte Kommissionssprecherin Christiane Brunner (SP/GE). Hannes Germann (SVP/SH) gewann allerdings den Eindruck, man wolle die Tür, die man mit der Erweiterung des Freizügigkeitsabkommens öffnet, mit flankierenden Massnahmen gleich wieder möglichst schliessen.
Bund zahlt die Hälfte
Einstimmig beschloss der Ständerat zudem, dass der Bund die Kosten für die rund 150 zusätzlichen Inspektoren, die den Arbeitsmarkt kontrollieren, zu 50 Prozent übernimmt. Der Bundesrat hatte den Beitrag auf höchstens 30 Prozent festsetzen wollen. Mit diesen Massnahmen verteuern wir den Standort Schweiz einseitig weiter.
Germann wandte dagegen ein: «Wir reden zwar dauernd vom Kampf gegen die Hochpreisinsel Schweiz. Doch immer, wenn wir konkret handeln könnten, beschliessen wir Massnahmen, die just das Gegenteil bewirken.» Als Ergebnis fürchtet er, dass zu teure Arbeitsplätze noch rascher als bisher an billigere Standorte verlagert werden. Abgelehnt wurde ein Antrag, das Inkrafttreten der verschärften flankierenden Massnahmen auf 2011 hinauszuschieben, bis die arbeitsmarktlichen Beschränkungen des Zusatzprotokolls aufgehoben werden. Der Rat beschloss, die Massnahmen gemeinsam mit der Ausdehnung des Freizügigkeitsabkommens in Kraft zu setzen. (sda/wic)