In 16 Tagen haben die Stimmberechtigten zu entscheiden, wer den Kanton Schaffhausen neben Peter Briner in Zukunft im Ständerat vertritt: Hannes Germann< oder Hermann Keller? Um die unterschiedlichen Standpunkte aufzuzeigen, haben wir den beiden Kandidaten einige heisse Fragen gestellt. Nachdem wir am Dienstag eine erste Serie der Antworten publiziert haben, folgt heute der zweite Teil der Stellungnahmen.
Hat der bilaterale Weg gegen-über der Europäischen Union Zukunft, oder ist die logische Folge einer vernünftigen Aussenpolitik ein Vollbeitritt?
Hannes Germann: Ein Vollbeitritt zur EU kommt unter den bestehenden Voraussetzungen nicht in Frage. Der Preis für unser Land wäre – politisch und finanziell – derzeit viel zu hoch. Der bilaterale Weg ist darum der vorgegebene Weg für massgeschneiderte Lösungen. Denn eine gute und einvernehmliche Zusammenarbeit mit der Schweiz liegt auch im Interesse der EU.
Hermann Keller: Das Schweizervolk hat sich für den bilateralen Weg entschieden. Bevor damit nicht genügend Erfahrungen gesammelt worden sind, ist die EU-Frage nicht neu zu beurteilen. Das Volk hat eine sofortige Aufnahme von Beitrittsverhandlungen abgelehnt.
Wie sind die bei der Nationalbank überflüssig gewordenen Goldreserven zu verwenden?
Germann: Der Streit darüber, ob das Gold nun dem Bund oder den Kantonen gehört, ist für mich müssig. Letztlich gehört es doch, wie alles Staatsvermögen, dem Schweizervolk. Das Volk soll darum auch darüber entscheiden, wie die Goldreserven zu verwenden sind. Dabei ist der von der Goldinitiative der SVP aufgezeigte Weg zugunsten der AHV eine allen dienende und darum valable Lösung.
Keller: Nach geltendem Recht gehören zwei Drittel der verfügbaren Goldreserven den Kantonen. Die Goldinitiative der SVP ist unklar in ihren Auswirkungen. Wird sie weit ausgelegt, schmälert sie die Kantonskassen massiv. Steuererhöhungen auf Kantons- und Gemeindeebene müssten die markanten Einnahmenausfälle kompensieren. Beim Gegenvorschlag des National- und Ständerates wird nicht die Substanz des Nationalbankgoldes verkauft, sondern der Ertrag langfristig sinnvoll genutzt.
Ist eine Anschubfinanzierung für Kinderkrippen im vorgesehenen Rahmen eine Aufgabe des Bundes?
Germann: Die Schaffung von staatlichen Kinderkrippen muss – falls überhaupt – bedarfsorientiert erfolgen. Das heisst, sie ist primär Sache der Gemeinden, allenfalls der Kantone. Diese müssen die Folgekosten aber auch tragen können. Will der Bund seine Finanzen im Griff behalten und endlich den notwendigen Schuldenabbau realisieren, muss er sich auf die Kernaufgaben konzentrieren.
Keller: Ja.
Wie stellen Sie sich zur Avanti-Initiative, die einen Ausbau von wichtigen Autobahnabschnitten auf sechs Spuren und eine zweite Gotthardröhre verlangt?
Germann: Eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur ist Voraussetzung für einen prosperierenden Wirtschaftsstandort. Die Angebote von öffentlichem und privatem Verkehr müssen sich auch in Zukunft sinnvoll ergänzen. Die Engpässe des Autobahnnetzes im Mittelland sind zu beheben (auch Andelfingen-Schaffhausen). Der alpenquerende Verkehr gehört aber vorrangig auf die Schiene. Eine zweite Gotthardröhre wäre jedoch vor allem aus Sicherheitsgründen zu begrüssen. Zur Finanzierung müsste auch bei der EU angeklopft werden.
Keller: In Übereinstimmung mit dem Bundesrat lehnt die Schaffhauser Regierung einen zweiten Gotthard-Strassentunnel ab. Gemäss Verkehrsmodellberechnungen ist aus Kapazitätsgründen ein Ausbau nicht vordringlich. Massnahmen auf Schiene und Strasse in den Agglomerationen und in den Kantonen sind wichtiger. Die Schaffhauser Infrastruktur-Begehren würden wohl weiter verzögert. Zudem wäre ein Gotthardausbau ein falsches Signal betreffend Verlagerung der Güter auf die Schiene und widerspräche den bisher gefassten Volksbeschlüssen.
Wird die Schweiz dauerhaft abseits der Währungsunion stehen können, oder sollte der Euro möglichst rasch auch bei uns Einzug halten?
Germann: Der Schweizer Franken spielt im internationalen Währungssystem nach wie vor eine bedeutende Rolle. Schon oft hat er sich wegen seiner Stabilität als rettender Währungshafen erwiesen. Wa-rum sollten wir also eine unserer Stärken aufgeben? Beim Euro hoffe ich, dass er sich mindestens auf dem jetzigen Niveau halten kann. Im Zuge der Osterweiterung der EU droht aber neue Gefahr.
Keller: Die Schweiz steht in ihrer Währungspolitik keineswegs abseits, sondern gestaltet die globale Finanzpolitik sehr aktiv mit. Der Schweizer Franken geniesst weltweit einen ausgezeichneten Ruf. Die in Währungsfragen unabhängige Nationalbank beurteilt eine Übernahme des Euros zum jetzigen Zeitpunkt negativ.
Der Bund hat heute mehr als 106 Milliarden Franken Schulden. Die Budgetdisziplin scheint den eidgenössischen Räten schwer zu fallen. Wie sieht der Weg aus der Schuldenwirtschaft aus?
Germann: Die vom Volk mit grossem Mehr gutgeheissene Schuldenbremse muss strikte eingehalten werden. Das ist – mit Blick auf den langen Forderungskatalog der SP – zwingend. In diesen zentralen Fragen sind Peter Briner und ich uns völlig einig. Hier ist bürgerliche Einigkeit gefordert! Das Ausgabenwachstum darf künftig auf keinen Fall das Wachstum des Bruttoinlandproduktes (BIP) überschreiten.
Keller: Die bürgerlichen Parteien stellen sowohl im Nationalrat wie auch im Ständerat eine Mehrheit. Sie haben deshalb die Schuldenwirtschaft in erster Linie zu verantworten. Mit der Schuldenbremse hat das Schweizervolk den eidgenössischen Räten eine Disziplinierung verordnet. In Bern braucht es deshalb zusätzliche ehemalige Finanzdirektoren, die Budgetdisziplin gelernt haben. Viele kleine Massnahmen auf der Ausgabenseite, eine gute Konjunktur und Augenmass bei Steuererleichterungen weisen den Weg.
Welche Rolle soll der Bund im Bildungsbereich künftig spielen?
Germann: Ein leistungsorientiertes und erstklassiges Bildungssystem ist die Grundlage für unseren Wohlstand. Der Bund muss in diesem System die enge Zusammenarbeit von Universitäten, Hochschulen und Wirtschaft, von Forschung und Praxis fördern. Die Berufslehre als wichtiger Bestandteil des Erfolgsmodells Schweiz ist weiter zu attraktivieren.
Keller: Konzentration auf Forschung, Wissenschaft und Hochschulbereich. Die Bildung muss in der Schweiz einen hohen Stellenwert behalten.
Die neue Armee XXI bringt einen massiven Abbau der Streitkräfte. Beabsichtigt sind eine Flexibilisierung und die Fähigkeit zum Aufwuchs bei erhöhter Bedrohungslage. Geht die Armeereform in die richtige Richtung?
Germann: Die Reform ist ein Schritt in die richtige Richtung, auch wenn die Umsetzung noch unklar ist. Für mich ist entscheidend, dass die Schweizer Armee trotz einzelner professionalisierter Elemente ihren Milizcharakter behält. Denn nur eine Armee, die vom Volk getragen wird, ist eine glaubwürdige Armee.
Keller: Die Armeereform ist notwendig. Während der Projektphase haben zu lange Militärtechnokraten in Bern die Reform beeinflusst. Als kantonaler Militär- und Polizeidirektor liegt mir daran, dass der Sicherheitsfrage im Grenzkanton Schaffhausen im militärischen und zivilen Bereich weiterhin die gebührende Aufmerksamkeit geschenkt wird.