Abstimmung vom 11. März Ständerat Hannes Germann und Nationalrat Hans-Jürg Fehr im Streitgespräch über die Bauspar-Initiative
Von Karl Hotz
Was ist der wichtigste Grund, warum man der Bauspar-Initiative zustimmen soll?
Hannes Germann: Sie setzt ein Zeichen, dass es uns ernst ist, die Bestimmung der Bundesverfassung umzusetzen, wonach selbst genutztes Wohneigentum zu unterstützen ist. Damit wird zudem der Mittelstand unterstützt.
Warum muss man unbedingt ein Nein in die Urne legen?
Hans-Jürg Fehr: Die Initiative hilft nur den Gutbetuchten, die den Kauf eines Eigenheims planen, Steuern zu sparen. Ansonsten verfehlt sie ihre versprochene Wirkung. Der Grund dafür ist einfach: Zwei Drittel bis drei Viertel der Bevölkerung werden nicht in der Lage sein, dieses steuerbegünstigte Bausparen zu nutzen, weil Normalverdiener gar nicht in der Lage sind, in nennenswertem Umfang zu sparen. In Schaffhausen beispielsweise haben laut Steuerstatistik 60 Prozent der Bevölkerung überhaupt kein Vermögen, weitere 15 Prozent weniger als 100 000 Franken. Germann: Wer so argumentiert, unterschätzt den Sparwillen breiter Kreise. Auch Normalverdiener werden dank dem Bausparen in der Lage sein, sich innert 10 bis 15 Jahren den Traum vom Eigenheim zu erfüllen. Die Bausparer in Baselland verfügen im Durchschnitt über ein steuerbares Einkommen von 56 000 Franken. Auch wenn sie es vielleicht nicht auf die jährlich maximal abzugsberechtigten 15 000 Franken bringen, steht doch eines fest: Es sind nicht Grossverdiener, sondern in erster Linie durchschnittliche Verdiener, die vom Bausparen Gebrauch machen.
Sie, Herr Fehr, sprachen von Gutbetuchten, Sie, Herr Germann, von Normalverdienern. Was genau verstehen Sie darunter?
Fehr: In der Schweiz verdient die Hälfte aller Arbeitnehmenden netto weniger als 5600 Franken pro Monat. Damit kann man wenig bis nichts sparen. Das Bundesamt für Statistik hat ausgewiesen, dass man mit einem Bruttoeinkommen von 95 000 Franken pro Jahr etwa 5500 Franken beiseitelegen kann. Das reicht nicht für ein eigenes Haus. Gut betucht nenne ich das oberste Drittel mit einem Haushaltseinkommen von deutlich über 100 000 Franken und einem Vermögen von einigen Hunderttausend Franken. Germann: Ich möchte es breiter fassen. Ein Drittel kann sich heute schon Wohneigentum leisten. Der Wunsch danach ist aber, das zeigen alle Umfragen, deutlich höher: Vier von fünf Befragten träumen von den eigenen vier Wänden. Etwa ein Drittel wird dieses Ziel wohl nie erreichen. Aber die Initiative wird helfen, die tiefe Eigentumsquote in der Schweiz zu steigern. Mein Ziel wäre ein Verhältnis von 50 zu 50. Das müsste doch möglich sein, wenn man andere Länder anschaut, wo die verfügbaren Einkommen tiefer sind als bei uns. Auch wenn solche Vergleiche immer hinken: In vielen Ländern liegen die Eigentumsquoten deutlich höher. Fehr: Ich bin einverstanden mit der Feststellung, dass viele von einem Eigenheim träumen. Aber ein Ja zur Initiative wird ihnen nicht helfen, diesen Traum zu verwirklichen. Wer genügend verdient, um in zehn Jahren mindestens 100 000 Franken zu sparen, investiert das heute schon ins Eigenheim. Die Initiative hat keine eigentumsfördernde Wirkung. Sie kostet den Staat bloss Geld.
Es gibt das zuvor erwähnte Beispiel Baselland, wo das Bausparen bereits möglich war. Aus dieser Region kam ja auch der Anstoss zur jetzigen Initiative, weil dieses Modell im Rahmen der Steuerharmonisierung nicht mehr zulässig ist. Eine Studie zeigt, dass das Modell durchaus wirksam war.
Fehr: Das zeigt die Studie eben genau nicht. In diesem Kanton ist die Eigentumsquote in jenem Zeitraum, in dem Bausparen möglich war, nicht mehr gestiegen als im schweizerischen Durchschnitt. In zehn anderen Kantonen, übrigens auch Schaffhausen, hat sie sogar stärker zugenommen, ohne Bausparen. Germann: Fakt ist, dass die Wohneigentumsquote in Baselland seit 1990 von bereits hohen 37 auf jetzt rund 41 Prozent gestiegen ist. Rund 3000 Personen machen jährlich vom Bausparen Gebrauch. Kein Wunder, steht die Regierung geschlossen hinter der Bauspar-Initiative. Für mich ist Bausparen auch ein gesellschaftlich-politischer Ansatz, um das Eigentum breit zu streuen, weil Wohneigentum immer auch ein Stück Unabhängigkeit bedeutet. Mehr Menschen können von steigenden Boden- und Liegenschaftspreisen profitieren. Das ist doch positiv für unser Land. Fehr: Die Initiative ist eine Mogelpackung. Sie verspricht, was sie nicht halten kann. Sie ist bloss ein neues Steuergeschenk für die oberen Zehntausend.
Was ist denn mit dem Modell Bundesrepublik? Da gibt es das Bausparen seit eh und je.
Fehr: In Deutschland ist vieles billiger als bei uns, auch das Bauen. Und vor allem handelt es sich um ein ganz anderes Modell. Wer in der Bundesrepublik ein Bausparkonto eröffnet und äufnet, erhält später einen günstigeren Hypothekarzins, wenn er tatsächlich ein Haus baut oder kauft. Das ist eine Abmachung zwischen Bank und Kunde, der Staat ist nicht involviert. Germann: Auch wenn das Modell anders aufgebaut ist – es funktioniert. Die deutsche Eigentumsquote ist trotz einstiger DDR immer noch höher als bei uns. Daraus schliesse ich, dass dank gezielter Unterstützung die Möglichkeit zunimmt, dass Eigenheimträume verwirklicht werden können. Die Schweizer Initianten haben jetzt halt den Steueranreiz gewählt.
Ketzerische Frage: Die SP ist doch sonst häufig für Anreiz- oder Lenkungssysteme. Warum in diesem Fall nicht?
Fehr: Wir sind dann für ein Anreizsystem, wenn es die gewünschte Wirkung tatsächlich erzielt. Aber warum sollten wir dafür sein, wenn alle wissen, dass es – wie dieses Bausparmodell – nicht funktioniert?
Ketzerische Frage auch an Sie: Die Bürgerlichen sind doch häufig gegen Subventionen. Warum nicht auch gegen eine indirekte Subventionierung des Wohneigentums?
Germann: Weil es sich nicht um eine Subvention handelt. Mit dem Steuerabzug wird ein Anreiz gesetzt. Man könnte auch von einem Steueraufschub sprechen, da der Fiskus von der nachmaligen Besteuerung des Wohneigentums wiederum profitiert.
Noch ein anderer Aspekt. Wie schon erwähnt, ist der Bund gemäss Verfassung verpflichtet, das Wohneigentum zu fördern. Ist denn dieser Auftrag erfüllt?
Fehr: Ja, der Auftrag ist gleich doppelt umgesetzt. Zum einen kann man das auf der zweiten Säule Ersparte heranziehen, um Wohneigentum zu erwerben; zum andern spart man erheblich Steuern, wenn man das Haus oder die Wohnung besitzt statt mietet. Das weiss jeder, der einmal Mieter war und dann Eigentümer wurde; mir ist es auch so ergangen. Ich bin aber, das muss ich gleich anfügen, skeptisch, was den Vorbezug von Vorsorgegeldern für Wohneigentum betrifft. Zieht man zu viel Geld ab, kann das im Alter 65 bei der Rente böse Überraschungen geben. Die dritte Säule ist kein Wohneigentumsförderungsinstrument, sie ist bloss eine weitere Steuersparmethode für Topverdiener. Germann: Die Förderung des Wohneigentums ist ungenügend, darum bin ich ja für die Initiative. Was das Problem der zweiten Säule anbetrifft, bin ich mit Hans-Jürg Fehr einig: Da gehen viele zu weit, handeln sich empfindliche Lücken bei ihrer Pensionskasse ein. Das hat ja inzwischen auch der Bundesrat gesehen und überlegt sich Beschränkungen. Das spricht doch alles für ein separates Bausparen, mit dem man nicht die eigene Vorsorge gefährdet.
Nun hat ja die Initiative noch einen zweiten Teil. Was meinen Sie zur Förderung des Energiesparens?
Fehr: Das ist Teil zwei der Mogelpackung. Praktisch alle Kantone lassen heute schon Investitionen in energiesparende Massnahmen als Steuerabzug zu. Die Initiative würde diesen Steuerspareffekt verdoppeln: Zuerst spart der Hauseigentümer steuerfrei ein paar Zehntausend Franken an, und dann zieht er diese Summe von den steuerpflichtigen Einkommen ab, wenn er sie investiert. Ich bin einfach gegen solche Steuerprivilegien für wenige. Germann: Ich bin auch eher skeptisch. Die Initianten wollten wohl den bestehenden Hauseigentümern ein Zückerchen geben, weil sie ja nicht mehr bausparen können. Bei einem Ja müsste man wohl das System ändern: entweder Subventionen bei Investitionen oder das Steuerabzugsmodell der Initiative. Beides geht nicht, da bin ich mit Hans-Jürg Fehr einig. Ich würde dem heutigen Subventionierungssystem die Methode der Initiative vorziehen: jene belohnen, die zuerst energiebausparen, und dann investieren in energetische Gesamtsanierungen.
Die Initiative lässt das ja offen. Sie zwingt die Kantone zu nichts, sondern lässt ihnen die Wahlfreiheit.
Fehr: Diese Kann-Formel ist Augenwischerei. Der sogenannte Steuerwettbewerb unter den Kantonen wird dafür sorgen, dass alle nachziehen, wenn ein Kanton etwas vormacht. Das hat man ja bei der Erbschaftssteuer gesehen. Das Steuerharmonisierungsgesetz verbietet das Baselbieter Modell, weil der Bund keinen neuen Steuersenkungswettlauf der Kantone wollte. Germann: Da muss man jetzt aber aufpassen. Je nachdem, worum es geht, ist Harmonisierung einmal gut und einmal schlecht. Ich bin gespannt, wie es im Juni tönt, wenn die Initiative des Hauseigentümerverbandes vors Volk kommt. Die gleichen Gegner werden dann wohl sagen, man lasse sich doch vom Bund nichts vorschreiben. Und im Gegensatz zu Hans-Jürg Fehr bin ich für den Steuerwettbewerb unter den Kantonen. Dieses Erfolgsmodell hat der Schweiz tiefe Steuern und einen hohen Wohlstand gesichert.