Schaffhauser Nachrichten: Ein neuer Anlauf zur Firmensteuerreform

Finanzminister Ueli Maurer während der Medienorientierung. Ihm droht Widerstand von links und von rechts.Bild Key
Finanzminister Ueli Maurer während der Medienorientierung. Ihm droht Widerstand von links und von rechts.Bild Key

Mit höheren Kinderzulagen und Mehreinnahmen kommt Bundesrat Ueli Maurer der Linken bei den Firmensteuern deutlich entgegen. Damit riskiert er allerdings Widerstand von rechts. Das Gewerbe tobt, aber auch die SP hält die Vorschläge für ungenügend.

VON ROGER BRAUN

Finanzminister Ueli Maurer während der Medienorientierung. Ihm droht Widerstand von links und von rechts.Bild Key
Finanzminister Ueli Maurer während der Medienorientierung. Ihm droht Widerstand von links und von rechts.Bild Key

Der erste Versuch ging gründlich schief. Das Volk verpasste dem bürgerlichen Establishment der Schweiz am 12. Februar eine Ohrfeige, als es die Unternehmenssteuerreform III haushoch ablehnte. Nun nimmt die Politik einen zweiten Anlauf, um die Firmensteuern zu reformieren. Das Ziel bleibt dasselbe: Die Steuerprivilegien für ausländische Grosskonzerne sollen abgeschafft werden. Im Gegenzug soll das Steuerklima verbessert werden, damit die Konzerne das Land nicht verlassen.

Gestern stellte Bundesrat Ueli Maurer mit Kantonsvertretern die Eckpfeiler der neuen Vorlage vor. Der Vorschlag der Arbeitsgruppe, bestehend aus Bundes- und Kantonsvertretern, macht einen grossen Schritt in Richtung der SP, die das Referendum gegen die ursprüngliche Vorlage ergriffen hatte. Die viel gescholtene zinsbereinigte Gewinnsteuer fällt raus, andere Steuerprivilegien wie die Patentbox oder die Forschungsabzüge werden eingeschränkt (siehe unten). Doch damit nicht genug: Die bestehenden Steuerrabatte für Dividenden auf grosse Beteiligungen sollen sinken – und zu Mehreinnahmen von 405 Millionen Franken führen. Obendrauf dürfen sich Familien in 16 von 26 Kantonen über eine Erhöhung der Kinder- und Ausbildungszulagen von 30 Franken freuen. Dies führt zu Mehrkosten von 320 Millionen Franken – bezahlt von den Arbeitgebern. Nach einer Abstimmungsniederlage müsse man Kompromisse finden, sagte Maurer. Ziel sei es, eine «mittlere Unzufriedenheit» bei Parteien und Verbänden herbeizuführen.

Gewerbe sieht sich als Verlierer

Gelungen ist ihm das nur bedingt. Beim Gewerbe ist die Unzufriedenheit nämlich nicht mittel, sondern total. «Dieser Vorschlag ist ein Affront gegenüber KMU und Familienunternehmen», sagt der Direktor des Gewerbeverbands und FDP-Nationalrat Hans-Ulrich Bigler. «Mit höherer Dividendenbesteuerung und zusätzlichen Sozialkosten soll der gewerbliche Mittelstand den Preis für die Steuerprivilegien für Grosskonzerne bezahlen.» In der Tat sind von einer höheren Dividendenbesteuerung nicht die Konzerne betroffen, sondern kleine, inhabergeführte Aktiengesellschaften.

Im Mittelpunkt von Maurers Kompromisssuche dürfte jedoch weniger das Gewerbe, sondern die SP stehen. Sie soll von einem neuerlichen Referendum abgehalten werden. Dementsprechend viele Zugeständnisse sind nun vorgesehen. Trotzdem taxiert die SP die Vorschläge als «ungenügend». Sie fordert, die Steuerrabatte für Dividenden auf grosse Beteiligungen ganz abzuschaffen und erachtet die 30 Franken zusätzliche Kinderzulagen als «zu knausrig». Inwiefern die Unzufriedenheit real ist oder es eher darum geht, den Vorschlag gegen rechte Angriffe zu verteidigen, wird sich weisen. SP-Fraktionschef Roger Nordmann wollte sich nicht festlegen, ob die SP ein Referendum ergreifen würde, falls diese Lösung so durchs Parlament käme.

Klar ist, dass es von rechts Versuche geben wird, die Vorlage unternehmensfreundlicher zu machen; nicht nur vom Gewerbe, sondern auch von der SVP. «Insgesamt haben wir hier eine klare Verschlechterung gegenüber dem Status quo», sagt Vizepräsident Thomas Aeschi. Er sagt, er könne grundsätzlich mit höheren Kinder- zulagen leben, «aber nicht, wenn gleichzeitig die Dividendenbesteuerung erhöht wird und die Steuerinstrumente zusammengestrichen werden. Damit habe ich sehr viel Mühe.»

Die CVP äussert sich verhalten positiv zur Vorlage, gerade zur Erhöhung der Kinderzulagen. «Wir müssen allerdings aufpassen, dass wir das Gewerbe nicht übermässig belasten», sagt CVP-Präsident Gerhard Pfister. FDP-Präsidentin Petra Gössi mahnt ebenfalls, «die Kosten der Reform nicht einseitig auf die KMU abzuwälzen». Zur Gesamtvorlage will sie noch keine Stellung beziehen. Zurückhaltend äussert sich der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse. «Wir werden kritisch prüfen, ob dieser Vorschlag wirklich imstande ist, die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz zu erhalten», sagt Geschäftsleitungsmitglied Frank Marty.

Die Kantone waren in die Arbeitsgruppe eingebunden und dürften mehrheitlich hinter den Eckpunkten stehen. Ein Spezialfall ist der Kanton Zürich, der darauf drängt, an der zinsbereinigten Gewinnsteuer festzuhalten. «Wir werden dafür kämpfen, dass Kantone mit einer hohen Gewinnsteuer, wie Zürich, die Möglichkeit erhalten, dieses Steuerinstrument einzusetzen», sagt Finanzdirektor Ernst Stocker.

«Insgesamt haben wir eine klare Verschlechterung gegenüber dem Status quo.»

SVP-Nationalrat

So reagiert Schaffhausen «Guter Anfang» oder bloss ein «nettes Zückerli»?

SchaffhausenDie Unternehmenssteuerreform III (USR III) heisst jetzt Steuervorlage 17 – der Name hat sich geändert, die zeitintensiven Diskussionen werden sich wohl gleich bleiben. Auch wenn Finanzminister Ueli Maurer gestern bemüht war, die von Bund und Kantonen ausgearbeitete Vorlage als Kompromiss anzupreisen – bereits jetzt werden die neu definierten Eckwerte von mehreren Seiten kritisiert.

Erhöhung um 100 Franken

Grundsätzlich wurden im Vorschlag die meisten Forderungen der Gegner berücksichtigt. So ist die Vorlage etwa stärker gegenfinanziert. ­Dividenden auf Beteiligungen über 10 Prozent sollen zu mindestens 70 Prozent besteuert werden – das bringt Bund und Kantonen jedes Jahr rund 400 Millionen Franken zusätzlich. Zwar war das bereits bei der USR-III-Vorlage die Absicht des Bundesrats, die Räte pochten aber auf eine Teilbesteuerung von 60 Prozent. Ausserdem sieht die neue Vorlage vor, die Familienzulagen um 30 Franken zu erhöhen. Diese Ausgaben werden von den Unternehmen bezahlt. Das Minimum für Kinderzulagen läge damit bei 230 Franken pro Monat, jenes für Ausbildungszulagen bei 280 Franken. Laut Maurer erfüllen zehn Kantone diese Anforderungen bereits. Schaffhausen gehört nicht dazu, hier betragen die Kinderzulagen derzeit 200, die Ausbildungszulagen 250 Franken. Die Schaffhauser Regierungspräsidentin Rosmarie Widmer Gysel will sich noch nicht zum neuen Vorschlag äussern, da die Finanzdirektoren erst heute für eine Diskussion zusammenkommen. Sie sagt aber, dass Schaffhausen sicher mit den vorliegenden Eckwerten leben könnte.

Weniger zufrieden ist die Schaffhauser SP-Nationalrätin Martina Munz. Ihr gehen die Vorschläge zu wenig weit. Die 30 zusätzlichen Franken an Kinderzulagen seien zwar ein «nettes Zückerli», im Endeffekt aber nur ein Teuerungsausgleich, der schon lange fällig gewesen wäre. Sie ist sich einig mit ihrer Partei und würde eine Erhöhung um 100 Franken fordern. Auch die 70 Prozent bei der Dividendenbesteuerung sind für sie nur ein «minimaler Ansatz». Sie wäre zudem für eine Gewinnsteuerbeschränkung gegen unten, sodass der interkantonale Steuer- wettbewerb nicht ins Bodenlose angeheizt werde. «Eine Begrenzung um die 16 Prozent so wie derzeit in Schaffhausen fände ich gut», sagt Munz. Die Vorlage müsse im Parlament jetzt genau angeschaut werden. «Es liegt ein grosses Stück Arbeit vor uns», so Munz.

«Gewerbe wird sich wehren»

Dass der parlamentarische Prozess langwierig wird, glaubt auch der Schaffhauser SVP-Ständerat Hannes Germann. Dennoch ist er überzeugt, dass der jetzige Vorschlag «ein guter Anfang» sei. Kantone, Städte und Gemeinden seien dieses Mal stark in die Ausarbeitung miteinbezogen worden, was zu einem breiten Konsens führte – zumindest auf politischer Ebene. «Bei der Wirtschaft wird es wieder etwas anders aussehen. Das Gewerbe wird sich sicher wehren», sagt Germann. Er bedaure, dass die zinsbereinigte Gewinnsteuer ganz gestrichen worden sei, «sie wäre für die Kantone ja fakultativ gewesen». Aber: Sie war auch einer der Sargnägel der USR-III-Abstimmung. «Der Bundesrat will jetzt auf Nummer sicher gehen», sagt Germann.

Familien Höhere Kinder- und Ausbildungszulagen

Diverse Kantone, darunter die Waadt, sahen bei der Umsetzung der gescheiterten Steuerreform höhere Familienzulagen vor. Nun soll das Volk auch vom Bund ein Zückerchen erhalten: Die kantonalen Minima bei den Kinder- und Ausbildungszulagen sollen um je 30 Franken steigen. Diese würden künftig mindestens 230 respektive 280 Franken betragen.

Geld vom Bund Neue Kompensationen

Die Kantone sollen künftig 21,2 statt wie bisher 17 Prozent der Einnahmen aus der direkten Bundessteuer erhalten. Die zusätzliche Milliarde soll ihnen erlauben, die Gewinnsteuern zu senken, um die Abschaffung von Steuerprivilegien zu kompensieren. Dies war bereits mit der gescheiterten Reform geplant. Neu werden auch die Gemeinden berücksichtigt.

Beteiligungen Dividenden höher besteuern

Die Dividenden auf grossen Firmenbeteiligungen sollen neu auf Ebene des Bundes und der Kantone mindestens zu 70 Prozent besteuert werden. In den Kantonen unterliegen im Schnitt etwa 50 Pro- zent der Einkommenssteuer, beim Bund 60 Prozent. Die einheitliche Regelung hatte der Bundesrat ursprünglich vorgeschlagen. Der Nationalrat lehnte sie ab.

Forschung Neue Steuerabzüge

Beim Forschungsaufwand von Firmen sollen die Kantone bis zu 150 Prozent statt 100 Prozent anrechnen können. Dies gilt primär für die Personalkosten. Für Erträge aus geistigem Eigentum sollen die Kantone zudem eine ­Patentbox, ein Steuerprivileg für Erträge aus geistigem Eigentum, einführen; diese soll restriktiver als ursprünglich geplant sein.

Tiefer Maximale Entlastungsbegrenzung

Der maximale Rabatt aus den neuen Steuerabzügen, die der Bund und die Kantone planen, soll noch 70 Prozent betragen. Bei der USR III waren es 80 Prozent. Damit wird der Entlastungsspielraum zusätzlich eingeschränkt. Die Basler SP-Finanzdirektorin bezeichnete die Begrenzung im Abstimmungskampf als wichtigstes Element der Reform.