Die Ersparniskasse Schaffhausen hat aufgrund eines fingierten Kreditgeschäfts einen Millionenverlust erlitten. Im Interview nimmt nun Verwaltungsratspräsident Hannes Germann Stellung zu diesem Vorfall.
Von Pascal Schmidlin
Kürzlich wurde ein ehemaliger Direktor der Ersparniskasse zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Dies, weil er eigenmächtig und ohne Wissen des Verwaltungsrats einen Kredit sowie ein Darlehen aufgestockt hat – und sich diese als uneinbringbar herausstellten. Dadurch erlitt die Bank einen Schaden von 3,74 Millionen Franken. Um den Betrug zu kaschieren, fälschte der fehlbare Verantwortliche unter anderem Verwaltungsratsprotokolle sowie eine Bankgarantie bei einer Drittbank.
Herr Germann, wie hat der Verwaltungsrat reagiert, als sich der Kredit als uneinbringbar herausstellte und ausgebucht werden musste?
Hannes Germann: Der Verwaltungsrat (VR) war schockiert und enttäuscht, als uns ein vermeintlicher Kreditverlust in Millionenhöhe offenbart worden ist. Das passte ganz und gar nicht zur sonstigen Arbeitsweise des damaligen Mitarbeiters. Aufgrund des Berichts, der uns vorgelegt worden ist, hat der Verwaltungsrat dann eine zusätzliche Untersuchung eingeleitet.
Warum das?
Weil zu viele Fragen offengeblieben sind. In einer ersten Phase ging man davon aus, dass Kompetenzen überschritten worden waren, und man hat noch nicht an ein unrechtmässiges Vorgehen gedacht. Klar war einzig, dass der Kredit nicht mehr einbringbar sein wird. Deshalb haben wir dies im Geschäftsjahr 2014 voll wertberichtigt, also den Kredit ausgebucht.
Wie war es möglich, dass jahrelang niemand etwas bemerkt hat?
Das ist die wichtigste Frage überhaupt. Wir können sie aufgrund unserer Analysen genau beantworten: Weil eine ausreichend hohe Sicherungsgarantie einer anderen Schweizer Bank vorlag und dem Kreditdossier – wie sich später herausstellte – gefälschte Protokollauszüge des VR beigelegt waren, haben weder die internen noch die externen Rechnungsprüfer Verdacht geschöpft. Dem VR ist das besagte Kreditgeschäft gar nie unterbreitet worden, obwohl es in seiner Kompetenz gelegen wäre.
Hätte der VR denn dieses Geschäft in einem ordentlichen Vorgehen genehmigt?
Nein, es ist schlicht undenkbar, dass der VR diesen Kredit bewilligt hätte. Dieser passte in seiner Art nicht in die Firmenphilosophie, da es sich um einen Kredit für Geschäftstätigkeiten ausserhalb unseres Marktgebiets handelte.
Warum ist der Schwindel dann doch aufgeflogen?
Weil sich die Sicherungsgarantie der Drittbank als gefälscht erwies und sich der Verdacht auf Urkundenfälschung erhärtete. Dazu hat die akribische Überprüfung der originalen VR-Protokolle bis ins Jahr 2000 zurück ergeben, dass der VR das Geschäft niemals behandelt hat.
Und wie hat man darauf reagiert?
Germann:Als klar war, dass hier ein Gesetzesverstoss vorliegt, haben wir sofort gehandelt. Das heisst: die Finanzmarktaufsicht (Finma) informiert, die Staatsanwaltschaft eingeschaltet und den Fall zur Anzeige gebracht. Der fehlbare Mitarbeiter ist – wie in solchen Fällen üblich – per sofort freigestellt worden.
Und alle Kreditgeschäfte überprüft?
Ja, das war auch eine Sofortmassnahme. Wir wussten ja nicht, ob es noch mehr solche Kredite gab. Darum haben wir unser gesamtes Kreditportfolio überprüft und dabei absolut nichts Vergleichbares gefunden. Es handelte sich also um einen Einzelfall.
Wie war es denn möglich, dass das Kreditgeschäft trotz des Vier-Augen-Prinzips vom fehlbaren Mitarbeiter mehrmals erhöht werden konnte?
Das Vier-Augen-Prinzip wurde nicht verletzt. Aber das zweite Augenpaar hat keinen Grund zu zweifeln, wenn ein VR-Beschluss oder die Sicherungsgarantie einer anderen Bank vorgelegt wird.
Aber hätte nicht die Revisionsstelle Alarm schlagen müssen?
Schwierig zu sagen. Warum die internen und externen Revisoren nicht darauf gestossen sind, könnte daran liegen, dass sie umschifft worden sind. Plausibler ist aber Folgendes: Es lagen Auszüge aus VR-Protokollen und eine Banksicherungsgarantie bei einer Drittbank mit einem grossem Vermögensporfolio vor. Und diese Bank sichert die ausstehende Summe ab. Dann ist bankentechnisch alles in Ordnung, auch für den Revisor.
Es gibt aber auch Kontrollsysteme für die Kreditnehmer. Weshalb hat das Kunden-Rating-System «Rasy» nicht gegriffen?
Das «Rasy» ist ein EDV-basiertes System. Wegen der vermeintlichen Bankgarantie hat das System den Kredit fälschlicherweise als gedeckt beurteilt. Und das «Rasy» kann nicht erkennen, ob eine Bankgarantie echt ist und ob VR-Protokolle fingiert sind. Kein System der Welt kann bei falschem Input ein korrektes Resultat liefern. Aber um eines klarzustellen: Das Bankbusiness ist per se mit Risiken verbunden, und es ist nicht aussergewöhnlich, dass sich ein Kredit als nicht einbringbar herausstellt. Das ist Teil des ganzen Geschäfts.
Wurden denn nun die Kontrollmechanismen bei der Ersparniskasse verschärft?
Nein, die Finma und die Revisionsstelle haben nach dem Vorfall unsere Abläufe analysiert und für gut befunden.
Kann man so einen Vorfall überhaupt verhindern?
Nein, das kann man nicht. Aber in diesem Fall war es – weil das wohl erhoffte Wunder ausblieb – gleichwohl eine Frage der Zeit, bis der faule Kredit auffliegen musste. Bedauerlich ist, dass dies erst 2014 geschah.
Hätte auch ein einfacher Angestellter so einen Betrug durchführen können?
Nein, ein einfacher Angestellter hätte das nicht machen können. Dieser hat keine Einsicht in die VR-Protokolle. Es hing schon auch mit der Position des ehemaligen Mitarbeiters zusammen, dass dies alles möglich wurde.
Warum verzichtete die Ersparniskasse auf eine Schadensersatzklage gegen diesen ehemaligen Mitarbeiter?
Der Verzicht auf Zivilforderungen ist Teil des abgekürzten Verfahrens. Wir wollten keine jahrelange Auseinandersetzung, sondern rasch einen Schlussstrich ziehen können. Deshalb haben wir uns für diese Variante eines Verfahrens entschieden. Zudem ergaben die Untersuchungen der Staatsanwaltschaft, dass sich der fehlbare ehemalige Mitarbeiter nicht persönlich bereichert hat.
Nun sind 3,74 Millionen Franken weg. Was bedeutet das für die Ersparniskasse?
Am Schluss sind das fast zwei Jahres-Reingewinne, die da von unserer Bank abgeschrieben werden mussten. Das ist signifikant und tut weh. Die Ausbuchung des Kredites Ende 2014 wurde mit allgemeinen Wertberichtigungen und den allgemeinen Bankreserven abgedeckt, die es für solche Fälle gibt.
Hatte der Fall einen Einfluss darauf, dass die Dividende für das Jahr 2014 ausgefallen ist?
In Anbetracht des Rückschlages wäre die Ausschüttung einer Dividende damals nicht korrekt gewesen. Aber eine Dividende haben wir im Sinne unserer Strategie zur Stärkung der Eigenkapitalbasis ohnehin seit ein paar Jahren nicht mehr ausgerichtet. Dies, um den neuen Gesetzesanforderungen Rechnung zu tragen und weiteres Wachstum unserer Bank zu ermöglichen. Dieser Entschluss wurde bereits vor dem Fall gefasst. Und wir werden auch dieses Jahr auf eine Ausschüttung einer Dividende aus genannten Gründen verzichten.
Und waren Zuwendungen an die Hülfsgesellschaft oder andere Institutionen davon betroffen?
Nein, die haben darunter nicht gelitten – genauso wenig wie unsere Kunden.
Zuerst die Einigung mit dem amerikanischen Department of Justice wegen US-Geschäften, nun ein faules Kreditgeschäft. Muss man sich auf noch mehr Überraschungen bei der Ersparniskasse gefasst machen?
Holz anfassen, ich hoffe nicht. Aber das Bankgeschäft birgt – wie jede unternehmerische Tätigkeit – verschiedene Risiken. Zudem war die Einigung mit den USA eine vertrauensbildende Massnahme, dank der wir nun in der Lage sind, Kundinnen und Kunden aus der Region auch dann zu betreuen, wenn sie einen Bezug zu den USA aufweisen. Dieses Geschäft ist für unsere Bank aber insgesamt nur von geringer Bedeutung.