Im Steuerstreit mit der EU sucht die Schweiz eine Verhandlungslösung. Das heutige System wird man aber kaum retten können.
Von Jan Hudec
Die EU macht Druck auf die Schweiz. Sie will, dass die Schweiz ihr Steuersystem umkrempelt, denn die Sonderbesteuerung von sogenannten Spezialgesellschaften ist ihr ein Dorn im Auge. Dieses System ermöglicht es, dass Erträge, die im Ausland erzielt werden, tiefer besteuert werden als solche aus dem Inland.
Als Präsident der Aussenpolitischen Kommission (APK) des Ständerats verfolgt Hannes Germann die Verhandlungen aus nächster Nähe. «Die Verhandlungen sind natürlich vertraulich.» Klar ist aber, welche Forderungen die Schweiz durchzusetzen versucht. Germann hatte im Juni eine Motion mit entsprechenden Eckwerten eingereicht, denen der Bundesrat im Grundsatz auch zugestimmt hat: keine Übernahmen des EU Code of Conduct, der einen aus Sicht der EU schädlichen Steuerwettbewerb verbietet, lange Übergangsfristen für eine Anpassung der Besteuerung von Spezialgesellschaften und keine Diskriminierung von in der Schweiz ansässigen Unternehmen gegenüber solchen in EU-Mitgliedstaaten. «Ich hoffe, dass der Bundesrat möglichst nahe an diesen Vorgaben bleiben kann», so Germann. Das ist nicht ganz einfach, denn die EU hat ihre Druckmittel: «Zum Beispiel, indem sie Dossiers blockiert, die uns wichtig sind.» Oder auch, indem man Schweizer Unternehmen Steine in den Weg legt. So brauchen Schweizer Firmen, die in Frankreich an einer WTO-Ausschreibung teilnehmen wollen, Papiere aus Paris. «Bis diese Papiere ausgestellt sind, ist dann der Auftrag längst vergeben.» Auf diese Weise würden die Schweizer vom französischen Arbeitsmarkt ferngehalten. «Jetzt, wo die EU-Staaten finanziell so unter Druck sind, wird mit harten Bandagen gekämpft.» Die Schweiz muss sich im Steuerstreit also bewegen. Bis im November erwartet die EU einen Lösungsvorschlag. «Dieser Zeithorizont ist nicht realistisch», sagt Germann. Schnelle Lösungen kämen überhaupt nicht infrage, für eine gute Lösung brauche es Zeit. Doch wie könnte diese Lösung aussehen? Das heutige System werde man kaum in die Zukunft retten können, sagt Germann. Eine Möglichkeit bestünde nun darin, dass man auf Bundesebene die Steuern für alle Unternehmen um rund drei Prozent senken würde, was allerdings Milliardenverluste zur Folge hätte. Andererseits könnte man gewisse Systeme aus dem EU-Steuerrecht übernehmen, zum Beispiel das sogenannte Boxensystem, das Ausnahmeregelungen ermöglicht. Am wahrscheinlichsten sei eine Kombination dieser Massnahmen. «Damit wäre dem Standort Schweiz gedient, und wir wären nicht mehr angreifbar.» Der Kanton Schaffhausen mit seinem hohen Anteil an Spezialgesellschaften habe jedenfalls ein vitales Interesse daran, dass der Bundesrat eine gute Lösung finde. Nicht zuletzt deshalb wolle die APK die Kantone künftig besser in die Verhandlungen mit einbeziehen.