Schaffhauser Nachrichten: Etwas mehr Handlungsspielraum

Einstimmig hat der Ständerat gestern den Gegenvorschlag zur Abzocker-Initiative genehmigt. Anträge für weniger weitgehende Regulierungen des Aktienrechts blieben chancenlos.

von Doris Kleck

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Eigentlich müsste sich der Neuhauser Unternehmer Thomas Minder die Augen reiben: Ein Grossteil seiner Ideen sind inzwischen salonfähig. In grosser Einmut – es fiel auch das Wort «Gottesdienst » – beriet der Ständerat gestern die Details zum indirekten Gegenvorschlag – und stimmte ihm schliesslich mit 36 zu 0 Stimmen zu. Nüchtern betrachtet liegen die Abzocker-Initiative und der indirekte Gegenvorschlag des Parlamentes nicht mehr allzu weit auseinander. Der Ständerat ist im Vergleich zu seiner ersten Beratung im Juni 2009 in zahlreichen Punkten auf die Minder-Linie eingeschwenkt. Im Jargon einiger Ständeräte heisst dieser Positionswechsel «Reifungsprozess».

Gegenentwurf ist flexibler 
Die Differenzen zwischen den beiden Vorlagen liegen vor allem in der Absolutheit. So will die Initiative, dass Verwaltungsräte zwingend jährlich wiedergewählt werden. Der Ständerat einigte sich gestern hingegen auf den Grundsatz der jährlichen Wahl, die Statuten können davon aber abweichen und eine maximal dreijährige Amtsdauer vorsehen. Einig sind sich Ständerat und Initiant Minder in der Frage der Vergütungen von Verwaltungsrat und Beirat: Diese muss die Generalversammlung jährlich genehmigen. Unterschiede gibt es dafür bei den Vergütungen der Geschäftsleitung: Hier heisst es in der Version des Ständerates wiederum, «sofern die Statuten nichts anderes vorsehen», stimmt die Generalversammlung jährlich über die Gesamtsumme der Vergütungen der Geschäftsleitung ab – bei Minder gibt es diesbezüglich keine Ausnahmen. Der Ständerat hat gestern auch entschieden, dass die Generalversammlung ein umfassendes Vergütungsreglement genehmigen muss – auch dies eine Kernforderung der Minder-Initiative. Die Abschaffung des Organ- und Depotstimmrechts – wie sie die Initiative fordert – führte in der kleinen Kammer nicht einmal mehr zu einer Diskussion. Und ein Stimmzwang für Pensionskassen – auch wenn sie nur angehalten werden zu stimmen und im Falle der Abstinenz keine Sanktionen vorgesehen sind – hat Minder ebenfalls salonfähig gemacht. Bleibt noch die Frage der goldenen Fallschirme. Die Initiative will Abgangs- oder andere Entschädigungen an Verwaltungsrats- und Geschäftsleitungsmitglieder beim Austritt aus einem Unternehmen verbieten. Der Ständerat im Grundsatz ebenfalls, lässt aber eine Hintertür offen. Der Verwaltungsrat kann der Generalversammlung Ausnahmen beantragen, wenn sie im Interesse der Gesellschaft sind.

Anträge blieben chancenlos 
Die Rechtskommission des Ständerates setzte sich mit ihrem Vorschlag für einen indirekten Gegenvorschlag auf der ganzen Linie durch. Minderheitsanträge gab es vereinzelt – doch sie blieben alle chancenlos. Insbesondere die freisinnigen Ständeräte Hans Altherr (AR) und Hans Hess (OW) erinnerten ihre Kollegen daran, dass sie sich weit von einer liberalen Lösung entfernten. So wollte Altherr mit einem Antrag verhindern, dass die Generalversammlung das Vergütungsreglement genehmigen soll, weil dieses in der Kompetenz des Verwaltungsrates liege. Altherr war sich bewusst, dass er damit an einem der Grundbausteine des indirekten Gegenvorschlages rüttelte. Er meinte deshalb zur Rechtfertigung fast entschuldigend: «Wir wollen Werte wie Bescheidenheit durch Vorschriften ersetzen.» Tatsächlich erinnerte ihn die grosse Mehrheit seiner Ratskollegen daran, dass es bei seinem Antrag um ein Herzstück der Initiative gehe, weshalb er abzulehnen sei. Mit der gleichen Argumentation wurden andere Anträge abgeschmettert. Es war offensichtlich: Der Ständerat wollte sich so nah als möglich an der Minder-Initiative anlehnen, um ihr den Schneid zu nehmen.

Bonussteuer Wie der Ständerat gegen die Initiative bestehen will 
Die umstrittenste Entscheidung fällte der Ständerat gestern noch nicht. Die sogenannte Bonussteuer wird nämlich in einer separaten Vorlage behandelt. Will heissen: Fällt sie im Parlament durch, kann der unumstrittene Teil des indirekten Gegenvorschlages alleine verabschiedet werden. Bei der sogenannten Bonussteuer geht es darum, dass Unternehmen Vergütungen ab drei Millionen Franken nicht mehr als Aufwand verbuchen können, die Vergütungen also steuerlich nicht mehr abzugsfähig sind.

Der Schaffhauser Ständerat Hannes Germann (SVP) stellte gestern einen Nichteintretensantrag, dieser wurde mit 26 zu 10 Stimmen allerdings deutlich abgelehnt. Germann und seine Mitstreiter begründeten das Nichteintreten damit, dass es sich bei der Regelung um eine neue Steuer handle, die dem Wirtschaftsstandort schade. Die Stärkung der Aktionärsrechte sei der richtige Weg zur Eindämmung von Exzessen. Roberto Zanetti (SP/SO) widersprach. Er bezeichnete den indirekten Gegenvorschlag als juristisches Kunstwerk, das sich für den politischen Nahkampf – sprich: den Abstimmungskampf gegen die Abzocker-Initiative – nicht eigne. Der Vorschlag sei elegant und systemverträglich und die drei Millionen eine «Schamgrenze». Unterstützung erhielt er von Eugen David (CVP/SG). «Die erste Vorlage bringt mehr Transparenz und eine Machtverschiebung zu den Aktionären, doch die Leute stören sich an den exzessiven Löhnen.» Die Bonussteuer soll also zum schlagkräftigsten Argument gegen die Abzocker-Initiative werden. Wie sie ausgestaltet wird, hat der Ständerat noch zu entscheiden.