Die Schweiz hat zwei neue Bundesräte. Erstmals sitzt eine Vertreterin des jüngsten Kantons in der Landesregierung.
Andrea Tedeschi
BERN. Die Wahl von Ueli Maurers Nachfolger Albert Rösti (SVP) war rasch entschieden. Er erhielt im ersten Wahlgang 131 von 243 gültigen Stimmen. Sein Konkurrent, der frühere Zürcher Nationalrat Hans-Ueli Vogt, erhielt 98 Stimmen. Die Wahl Albert Röstis in den Bundesrat ist erwartet worden. Der Jurassierin Elisabeth Baume-Schneider (SP) hingegen ist überraschend gelungen, sich gegen ihre als Favoritin gehandelte Basler Konkurrentin Eva Herzog durchzusetzen. Drei Wahlgänge brauchte die Vereinigte Bundesversammlung, um die Nachfolge von SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga zu bestimmen. Baume-Schneider lag zwar von Anfang an vor Herzog. Dass es dennoch drei Wahlgänge brauchte, lag am Zürcher Ständerat Daniel Jositsch.
Bereits am Abend vor den Bundesratswahlen hatten Bürgerliche gegenüber dieser Zeitung angekündigt, für Jositsch stimmen zu wollen. Er erhielt zuerst 58 und zuletzt noch sechs Stimmen. Jositsch hatte selbst für die Nachfolge von Simonetta Sommargua kandidieren wollen, durfte aber nicht, weil die SP-Fraktion auf ein reines Frauenticket setzte. SP-Fraktionschef Roger Nordmann sagte, es sei richtig gewesen, zwei Frauen aufs Ticket zu nehmen. «Wäre ein Mann auf dem Ticket gestanden, wäre er gewählt worden.»
Deutschschweiz in der Minderheit
Baume-Schneider erreichte das absolute Mehr von 123 Stimmen punktgenau. Für den jüngsten Schweizer Kanton ist ihre Wahl historisch: Noch nie war der Jura in der Landesregierung vertreten. Vor der Vereinigten Bundesversammlung betonte Baume-Schneider die Wichtigkeit des sozialen Ausgleichs: Politik sei intensiv, dürfe aber nicht ausschliessend sein. Sie habe sich in ihrer ganzen politischen Laufbahn am Verfassungsgrundsatz orientiert, wonach sich die Stärke des Volkes am Wohl der Schwächsten messe.
Für den Berner Politologen Adrian Vatter ist die Wahl der Jurassierin «eine grosse Überraschung». Eine Mischung aus landwirtschaftlichen Interessen, taktischen Überlegungen von SP-Männern und der sympathischen Art der Jurassierin habe wohl den Unterschied ausgemacht, sagte er.
In Basel wurde die Nichtwahl von Eva Herzog mit Enttäuschung aufgenommen. Regierungspräsident Beat Jans (SP) sagte, dass er sich mehr und mehr fremd fühle im Land. Auch Eva Herzog war enttäuscht. «Ich hätte mich ja nicht zur Verfügung gestellt, wenn ich diesen Job nicht hätte machen wollen. Ich hätte ihn extrem gerne gemacht», sagt sie. Für einen Moment schien es, als seien Basler Parlamentarierinnen aufgewühlter über die Niederlage gewesen als die Kandidatin selbst.
Mit der Wahl von Rösti und Baume-Schneider sind die städtischen und wirtschaftsstarken Kantone im Bundesrat nicht mehr vertreten. Auch ist die Deutschschweiz nach 100 Jahren mit nur drei Bundesräten erstmals wieder in der Minderheit.
Baume-Schneider sagte dazu, als Vertreterin eines armen, ländlich geprägten Kantons wolle sie auch ein offenes Ohr haben für städtische Anliegen. Es sei nötig, mit allen politischen Gruppen und dem ganzen Land eng zusammenzuarbeiten.
Bereits heute Donnerstag soll der Bundesrat über die Departementsverteilung beraten. Bundespräsident Cassis will diese im Eiltempo und noch vor dem Wochenende durchziehen. Überraschungen sind auch hier nicht ausgeschlossen.
Wie die Schaffhauser Parlaments-Mitglieder auf die Wahl reagieren
SVP-Ständerat Hannes Germann: «Ich gratuliere Elisabeth Baume-Schneider und Albert Rösti von Herzen zur Wahl. Beide sind angenehm im Umgang, was eine wichtige Voraussetzung ist. Die bäuerlichen Kreise haben vermutlich den Ausschlag für Baume-Schneider gegeben. Unter dem Strich bedauere ich es, dass die Geberkantone in der Landesregierung nicht mehr vertreten sind. Sie müssen künftig nur noch bezahlen, und die Empfänger befehlen. Das ist politisch nicht gut. Menschlich ist die Wahl aber in Ordnung, von der Zusammensetzung her ist sie fragwürdig. Alain Berset wirkt nach wie vor motiviert. Wenn er das Departement wechselt, wird er vier oder noch mehr Jahre weitermachen. Aber das ist schwierig vorauszusagen. Albert Rösti wäre mein Wunschkandidat fürs Infrastrukturdepartement Uvek. Man hört, Karin Keller-Sutter wolle die Finanzen übernehmen. Das würde die Chancen für Albert Rösti aufs Uvek erhöhen. Das Land muss zusammenrücken, wir haben derart grosse Probleme – siehe Sicherheitspolitik, siehe die Neutralitätsfrage, die Energieversorgung, das Verhältnis zu Europa, den Klimawandel. Wenn die Bundesratsmitglieder zusammenstehen, kann es auch mit diesem Gremium gut gehen.»
SP-Nationalrätin Martina Munz: «Wir haben sicher zwei Bundesratsmitglieder gewählt, die absolut fähig sind in der Bundesregierung zu regieren, aber ich bin nicht nur glücklich, das gebe ich zu. Albert Rösti hat als früherer Parteipräsident doch auch gewisse Aussagen gemacht, die mich sehr stutzig gemacht haben. Er hat gegen das CO2-Gesetz gekämpft, gegen die Klimapolitik. Da hoffe ich schon, dass er da jetzt den Rollenwechsel schafft und dass er nicht das wichtige Umweltdepartement Uvek bekommt. Womit ich ausserdem ein Problem habe, ist, dass wir mit dieser Wahl jetzt keine einzige Stadtvertretung mehr haben. Mit Eva Herzog hätten wir da eine Person gehabt. Das wäre für die Schweiz eine gute Botschaft gewesen. Aber ich denke, auch Elisabeth Baume-Schneider ist eine fähige Person, die durch ihre Regierungserfahrung in dem Gremium schnell wirken wird. Ich würde mich freuen, wenn sie das Uvek übernehmen würde. Sie könnte das Erbe von Simonetta Sommaruga weiter pflegen. Baume-Schneider wäre prädestiniert, sie war ja Präsidentin ebendieser Kommission im Ständerat. Ich hoffe nun, dass der Bundesrat führungsstärker wird. Aber diese sieben müssen sich jetzt zuerst finden.»
SVP-Nationalrat Thomas Hurter: «Ich bin vor allem mit dem Ausgang der ersten Wahl zufrieden. Die SVP hat zwei valable Kandidaten präsentiert. Das hat die Wahl gezeigt. Schon im ersten Gang war sie erledigt. Bei der Wahl für den SP-Sitz bin ich nicht ganz zufrieden. Die Wirtschafts- und die städtische Vertretung haben wir jetzt zu wenig. Wir haben jetzt sehr viele Lateiner, sehr viele Romands – nichts gegen diese – , aber von der Ausgewogenheit her gesehen ist es nicht optimal. Es ist auch das Verschulden der SP, dass es so herausgekommen ist. Elisabeth Baume-Schneider ist sehr sympathisch, allerdings hat sie die Flughöhe als Bundesrätin noch nicht ganz erreicht. Albert Rösti könnte das Uvek sicher sehr gut führen. Die grosse Herausforderung in diesem Departement ist: Wo nehmen wir die Energie her, die wir in Zukunft brauchen und welche die fossilen Energieträger ersetzen sollen? Der Gesamtbundesrat wird nun über die Departementsverteilung entscheiden. Die Neuen müssen nehmen, was es gibt. Wichtig und bei beiden Persönlichkeiten der Fall ist, dass wir als Parlamentarier einen guten Zugang zu diesen Bundesräten haben.» (ks/rza)