Halbzeit in der Frühjahrssession. Das will nicht heissen, dass die Hälfte der Arbeit getan wäre. Aber es sind in wichtigen Dossiers Pflöcke eingeschlagen worden.
Von Hannes Germann
Die Reform der beruflichen Vorsorge (BVG) kommt in die Schlussphase. Eines der Hauptanliegen besteht darin, die Zweite Säule zu sanieren. Heute ist es so, dass im Bereich der obligatorischen Vorsorge eine massive Umverteilung von den Erwerbstätigen zu den BVG-Bezügern in der Grössenordnung von gegen fünf Milliarden stattfindet. Was bei der AHV im Umlageverfahren (Aktive zahlen für AHV-Bezüger) gewollt und richtig ist, ist beim BVG falsch und unfair.
Leidtragende sind die aktiv Erwerbstätigen und damit vor allem die jüngeren Generationen. Denn die Sanierung soll über eine Kürzung des Umwandlungssatzes geschehen, der vereinfacht gesagt die Höhe der Rente aus dem vorhandenen Kapital bestimmt. Eine Senkung von 6,8 auf 6,0 Prozent führt unweigerlich zu einer Rentenkürzung und ist dementsprechend umstritten. Via Medien werden jedenfalls Schreckensszenarien verbreitet. Hier gilt es entgegenzuhalten, dass die arithmetischen Kürzungen für eine Übergangsgeneration von voraussichtlich 15 Jahren mittels Ausgleichsmassnahmen abgefedert werden.
Darüber hinaus führt die Reform zu markanten Verbesserungen für Geringverdiener, Leute mit mehreren Anstellungen oder für Teilzeitbeschäftigte. Das ist überfällig und wird allseits begrüsst. Aber es kostet Unternehmen und Versicherte und ist in landwirtschaftlichen und gewerblichen Kreisen umstritten. Wie also steht es um die Chancen für die BVG-Reform? Wenn es zu einer unheiligen Allianz der Ratslinken, Gewerkschaften und landwirtschaftlich-gewerblichen Exponenten kommt, sehe ich schwarz. Persönlich hoffe ich, dass es in der Schlussphase zu einem mehrheitsfähigen Kompromiss kommt. Auch dann dürfte es noch schwierig genug sein.
So gut wie unter Dach und Fach ist die Strafrahmenharmonisierung. Die deutliche Verschärfung des Sexualstrafrechts namentlich im Fall schwerer Sexualdelikte ist überfällig. Zu oft kam es im Vergleich zu anderen Straftaten (etwa Verkehrsstrafrecht) zu viel zu milden Gerichtsurteilen, ja zu «Skandalurteilen» – und gleich doppelter Demütigung der Opfer. Das darf nicht sein, es muss und wird sich ändern. Das Engagement vieler Frauen aus allen politischen Lagern hat hier wesentlich zum Gelingen der Reform beigetragen.
Am Dienstag hat sich der Ständerat erstmals mit der Umsetzung der vom Volk angenommenen Initiative «Ja zum Verhüllungsverbot» befasst. «Geht den Bund nichts an», befand eine Mehrheit unserer Rechtskommission und beantragte Nichteintreten. Dies mit dem Verweis auf die Zuständigkeit der Kantone, gar von einer Aushöhlung des Föderalismus ist die Rede gewesen. Mir persönlich ist dieses versuchte Abschieben der Verantwortung an die Kantone sauer aufgestossen. Vor allem mit Blick auf die Situation in Afghanistan oder im Iran – wegschauen hilft nicht. Denn Extremismus und Fanatismus kennen keine Grenzen. Regelmässig haben wir im Parlament zudem über gewalttätige Ausschreitungen an 1.-Mai-Feiern oder nationalen Demonstrationen debattiert, erinnern uns an den letzten Silvester in einigen Schweizer Städten oder in Berlin. Da beschiessen Vermummte nicht nur Polizisten, die im Dienst der Allgemeinheit ihre Pflicht erfüllen. Auch die Rettungseinsätze von Feuerwehr und Sanität werden nicht verschont, ja gewaltsam daran gehindert, Menschenleben zu retten oder Menschen in Not beizustehen, Verwundeten zu helfen.
Während die Sicherheitskräfte sogar noch ein Namensschild tragen müssen, darf die Täterschaft anonym bleiben. Vor diesem Hintergrund ist die Stimmung gekippt. Der Ständerat ist mit überdeutlicher Mehrheit auf die Vorlage eingetreten. Ein kleiner Erfolg vor der Halbzeit. Er darf sich auch gerne in der zweiten Hälfte einstellen.