Schaffhauser Nachrichten: Germanns Plan B zum US-Steuerdeal

Nach der Monsterdebatte der Wirtschaftskommission (WAK) sprachen wir mit Mitglied Hannes Germann über das knappe Ergebnis und über seine Idee, bei einem Scheitern des Steuerdeals den Banken Einzelbewilligungen zu erteilen.

Von Anna Kappeler

Herr Germann, die WAK des Ständerats hat das Steuerdeal-Gesetz haarscharf mit 7 zu 6 Stimmen abgelehnt. Sind Sie froh über diesen Entscheid?

Hannes Germann: Ja und Nein. Die Ablehnung sagt ja aus, dass wir den Deal nicht wollen – da wäre es einfacher gewesen, die Sache gleich von Anfang an mit einem Nichteintreten zu erledigen. Das wäre auch leicht zu begründen gewesen: Solange wir nicht wissen, welche Blackbox wir neben dem überschaubaren, aber fragwürdigen Gesetz zusätzlich mitschleppen, ist der Deal nicht akzeptabel. Wir wissen immer noch nicht, wie explosiv das Programm der USA ist, und auch nicht, welche Auswirkungen es auf den Finanzplatz hat.

Die Banken haben sich unisono für die Gesetzesgrundlage ausgesprochen. Es geht hier ja um die Banken, müsste die Politik diesen nun nicht entgegenkommen?

Germann: Natürlich geht es um die Banken. Aber gestern haben wir uns über die Banken der sogenannten Kategorie 1 unterhalten. Gegen diese zwölf Banken wie die Zürcher oder die Basler Kantonalbank oder auch die Bank Bär wird ohnehin schon strafrechtlich ermittelt. Die Blackbox gilt nur für die übrigen 300 Banken, die in den nächsten Monaten in einer zweiten Welle erfasst werden. Für die Banken der Kategorie 1 wäre das Abkommen ein Befreiungsschlag.

Die USA üben einen enormen Druck auf die Schweiz aus. Wird das Gesetz abgelehnt, sind die USA ja fast gezwungen, ein Exempel zu statuieren. Steht die nächste Anklage einer Bank kurz bevor?

Germann: Dieses Risiko ist tatsächlich akut. Wenn auch der Bundesrat nicht handelt, liegt die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Anklage bei über 50 Prozent. Die Frage ist, welche Bank es dann trifft. Allerdings sah man im Fall Wegelin, dass man die Situation im Notfall meistern kann. Dennoch gilt es, einen weiteren solchen Fall um jeden Preis zu verhindern.

Haben Sie einen Plan B?

Germann: Habe ich, ja. Ich habe dem Bundesrat ganz klar vorgeschlagen, er solle den Banken Einzelbewilligungen erteilen. Dazu hat er die Kompetenz heute schon. Damit würde der ganze Vorgang kontrollierter und dosierter vor sich gehen. Das ist vergleichbar mit einem Stausee, aus dem das Wasser abgelassen werden soll: Öffnet man den Staudamm mit einem Ruck, entspricht das dem Fall, dass man alle zwölf Banken aufs Mal freigeben würde. Daraus resultiert eine enorme Flut. Öffnet man den Damm jedoch stufenweise und dosiert, ist das Ergebnis einfacher zu kontrollieren. Bei den Banken hat das allerdings den Nachteil, dass alles etwas länger dauern würde. Trotzdem hat uns Bundesrätin Widmer-Schlumpf – wenn auch ungern – in Aussicht gestellt, dass das für sie gangbar sei.

Frau Widmer-Schlumpf hat diese Option Ihnen gegenüber zugesichert?

Germann: Ja. Und dieser Plan B wäre erst noch besser als die momentane Vorlage, wenngleich auch nicht angenehm. Ich bin sicher, dass es die Amerikaner nicht im Geringsten interessiert, wie wir das Problem intern lösen. Alles, was sie wollen, ist, an die geforderten Daten und ans Geld heranzukommen. Nochmals: Wir als Parlament können die Verantwortung für diese Blackbox nicht übernehmen.

Was wissen Sie nach der Monstersitzung der WAK mehr als davor?

Germann: Wir wissen nicht mehr. Es kursieren viele Gerüchte, das meiste, was wir wissen, wussten wir bereits davor aus den Medien.

Was haben Sie denn bis tief in die Nacht hinein diskutiert?

Germann: Das ist genau das Problem. Wir haben rund drei Dutzend Personen angehört, deren Aussagen jedoch nicht frei von Widersprüchen waren. Die Eckwerte des US-Programms wollte aber niemand auf den Punkt bringen.

Trotzdem: Sie haben über 20 Änderungsanträge vorgenommen. Das klärte nichts?

Germann: Doch, im Gesetz sind uns Verbesserungen gelungen. Wir haben beispielsweise der Finma den Auftrag gegeben, die Abschleicherlisten auszuwerten. Und die genannten Banken entsprechend zu informieren, falls sie ein Problem bekommen könnten.

Heute kommt das Geschäft in den Ständerat. Wird der Rat darauf eintreten? Und wird er das Geschäft annehmen?

Germann: Beim Eintreten wird es vermutlich knapp werden. Hingegen glaube ich nicht, dass der Rat nach der Detailberatung das Geschäft ablehnen wird. Momentan ist das Lobbying in vollem Gange, die Drohgebärden werden intensiviert. Ich gehe davon aus, dass das eine oder andere Ratsmitglied kippen wird. Meiner Meinung nach wäre aber eine Ablehnung der einzig richtige Entscheid. Denn nur der Bundesrat kennt den vollen Inhalt des US-Programms.

 

Heute entscheidet der Ständerat über das Gesetz zum Steuerdeal mit den USA. Nach der gestrigen Fraktionssitzung wurde bekannt, wie die Parteien stimmen werden. GLP, Grüne, BDP, CVP und EVP sprechen sich für das Gesetz aus. FDP und SVP lehnen die «Lex USA» ab. Bei der SP ist unklar, wer wie stimmen wird. Wegen der Dringlichkeit braucht das Steuerstreit-Gesetz heute im Ständerat ein qualifiziertes Mehr von 24 Stimmen. Die Stellungnahmen der Parteien lassen wenig Rückschluss auf den Ausgang zu, denn mit der Fraktionsdisziplin dürfte es nicht weit her sein. (sda)